E-Learning/Potenziale des Web-based Trainings richtig nutzen

Online-Lernen gewinnt an Fahrt

01.06.2001
Das schnelle Wachstum und die hohe Komplexität des E-Learning-Markts machen es Entscheidern nicht einfach, die geeignete Weiterbildungslösung für ihr Unternehmen zu finden. Eine Studie über Learning-Management-Systeme (LMS) gibt nun Auskunft darüber, was diese Programme leisten und welche Schwächen sie aufweisen. Von Ralf Pfau*

Nach den anfänglichen Startschwierigkeiten von Computer-based Training (CBT) und Tele-Learning bringen nun zahlreiche E-Learning-Projekte in deutschen Großunternehmen auf Basis von Lernplattformen neue Bewegung in den deutschen Weiterbildungsmarkt. Man hat erkannt, wie wichtig Wissens-Managements in den Unternehmen ist. Learning-Management-Systeme sind somit auch die Lösung für die Verteilung von Wissen im Unternehmen. Deshalb werden sie durch die Verschmelzung mit Wissens- und Content-Management zunehmend auch für die Weiterentwicklung und Bearbeitung von Wissen eingesetzt. Um die Potenziale von E-Learning zu nutzen, ist es notwendig zu verstehen, welche Erscheinungsformen von E-Learning-Lösungen zur Zeit angeboten werden, welche Anwendungsmöglichkeiten bestehen und welche Funktionalitäten von einem E-Learning-System unterstützt werden sollten.

Die Entwicklungen des E-Learning zeigen sich im Markt für Weiterbildung. Der US-Branchenverband "Software and Information Industry Association" (SIIA) sieht E-Learning als einen von sechs Haupttrends, welche die neue, digitale Wirtschaft prägen. Die IDC-Marktforscher prognostizieren für das Jahr 2004 einen Umsatz von 4,21 Billionen Euro im europäischen E-Learning-Markt. Dies entspräche einem jährlichen Wachstum von 96 Prozent.

In den Unternehmen nimmt Online-Lernen mittlerweile einen immer höheren Stellenwert ein. Zu den Vorreitern gehört zum Beispiel die Dresdner Bank, die in einer breit angelegten Weiterbildungskampagne allen 42000 Mitarbeitern eine Auszeichnung für das Internet anbietet. "Web-Führerschein" heißt das Zertifikat, das Angestellte mit Online-Erfahrungen via Web-based Training (WBT) an einer der Online-Lernstationen erlangen können.

Schulungsmaterial kommt onlineAuch die Karstadt Warenhaus AG will auf das Internet-Zertifikat setzen, das von der Dresdner Bank und Medialine vertrieben wird. Zunächst sollen 900 Führungs- sowie alle 800 E-Service-Kräfte, die den Internet-Shop betreuen, die Prüfung für den Web-Führerschein ablegen. BMW betrachtet seinen "Online-Lernmarkt" im firmeneigenen Intranet ebenfalls als die richtige Antwort auf die neuen Herausforderungen - auch wegen des deutlich geringeren administrativen Aufwands. BMW-Mitarbeiter buchen inzwischen Kurse direkt im Netz. Die Schulungsmaterialien wandern nicht mehr in Postumschlägen, sondern in digitaler Form zum Besteller.

Bei dem Konzept und den Technologien des WBT handelt es sich nicht um eine komplette Innovation, sondern um eine logische Weiterentwicklung proprietärer Konzepte und Technologien. Der wesentliche Ursprung des WBT liegt wohl im Computer-based Training (CBT), welches mittels Offline-Medien wie CD-ROM durchgeführt wird und als Einzelplatzlösung verstanden werden kann.

CBT: Das CBT sollte zu niedrigen Kosten eine effizientere, weil individuelle, Form der Wissensvermittlung bereitstellen. Die Logik der CBT-Programme basiert auf Skinners Lerntheorie, der "programmed instruction", die das Unterrichtsmaterial in kleinste Fragmente (Frames) aufspaltet und am Ende eines jeden Frames eine Frage stellt. Die "programmed instruction" war früher recht populär, verlor jedoch schon seit den 70er Jahren durch Kritik an Skinners Theorien an Bedeutung. Man erkannte, dass der menschliche Lernvorgang in seiner Komplexität keiner linearen Struktur entspricht.

CBT erzeugt TunnelsyndromComputer-based-Training-Programme (CBT-Programme) haben neben diesem Aspekt noch mit weiteren Problemen zu kämpfen: CBTs bieten keine Austausch- und Kommunikationsmöglichkeiten zwischen den Lernenden oder zwischen Lernenden und Lehrer, pädagogische Aspekte werden nur mangelhaft berücksichtigt, und CBT-Lernen bedeutet meist Arbeiten an isolierten Arbeitsstationen mit sequenziell aufbereitetem Ausbildungsmaterial. Daraus resultieren oft ineffiziente Lernprozesse durch das Problem des Tunnelsyndroms, bei dem Lernende strikt dem vorgegebenen linearen Lernpfad folgen, und der ein ganzheitliches und vernetztes Lernen verhindert. Die hohen Entwicklungskosten für CBT-Systeme bei mangelnder Wiederverwendbarkeit haben die Verbreitung ebenfalls behindert.

Es ist absehbar, dass CBT-Lösungen den wachsenden Anforderungen an die betriebliche Aus- und Weiterbildung auch in Zukunft nicht gerecht werden können, netzorientierte Ansätze wie WBT aber den lang angestrebten Durchbruch im Aus- und Weiterbildungsbereich bewirken werden.

WBT: Entstanden ist das WBT durch den von Beginn an recht unkomplizierten Austausch von technischem Wissen und allgemeinen Informationen zwischen Universitäten und Forschungseinrichtungen. WBT ist somit "Lernen im Computernetz mit anderen". Mit Eintritt des WBT wurden die wesentlichen Probleme des CBT und des klassischen computerbasierenden Lernens reduziert.

Rege KommunikationZum einen verfügen Lernende nun über die Möglichkeit, sich über das Internet, etwa in Videokonferenzen oder Chat-Rooms beziehungsweise über E-Mail, mit zuständigen Tutoren auszutauschen. Zum anderen sind diese in der Lage, dem Lernenden unmittelbar Verbesserungsvorschläge mitzuteilen, ihm konkrete Hilfen in der jeweiligen Situation zu geben und allgemein engen Kontakt zum Lernenden zu pflegen. Darüber hinaus ist das Lernen zeitunabhängig und ortsungebunden. Last, but not least, haben Lernende die Möglichkeit, das zu bewältigende Material an ihren individuellen Lernrhythmus anzupassen sowie den Lernrahmen weitgehend selbst zu bestimmen. Der Lernende verfügt also über ein hohes Maß an Eigenverantwortlichkeit. Somit hat sich das WBT nun nahezu etabliert und nach den Universitäten und Forschungseinrichtungen greifen nun auch Unternehmen zu diesem Instrument, um mit den aktuellen Entwicklungen Schritt zu halten.

Distance LearningEine andere Form des Computer-based-Learnings wird unter dem Oberbegriff Distance Learning zusammengefasst. So gibt es beim typischen Distance Learning (DL) einerseits das Kurs-Unterstützungs-Modell und andererseits die Errichtung von virtuellen Klassenzimmern. Im ersten Fall dient das WWW als Informationsträger, über den die Lernenden mit kursbegleitenden Materialien versorgt werden.

In einem virtuellen Klassenzimmer haben die Lernenden die Möglichkeit, sich mit ihren Klassenkameraden und Lehrern per Schwarzem Brett asynchron oder synchron per Chat oder oft auch per Video auszutauschen. DL ist generell sehr mediengetrieben, und es werden hauptsächlich Videotechniken eingesetzt, die momentan lediglich in breitbandigen Netzen eingesetzt werden können.

Eine Weiterentwicklung der WBT-Plattform-Anbieter sind die Learning-Space-Provider (LSP-Provider), die eine neue Alternative zum Kauf von Lernprodukten und Implementierung von Lernumgebungen in Unternehmen darstellen. LSP-Provider übernehmen die technischen Aspekte des WBT und hosten Lerninhalte auf ihren eigenen Servern. Einige Anbieter gehen noch einen Schritt weiter und delegieren das Hosting an entsprechende Drittanbieter, um ihre Aktivitäten auf das Bereitstellen von Lerninhalten und -infrastruktur zu konzentrieren.

Für die Unternehmen bildet sich eine Reihe von Vorteilen heraus. So erfolgt der Zugang über Log-ins, und die Bezahlung richtet sich nach der Anzahl der Nutzer. Hierdurch wird der Einstieg wesentlich billiger als bei Inhouse-Implementierungen, und durch den Wegfall des IT-Aufwands kann schneller mit dem Lernen begonnen werden.

E-Learning als Wissens-ManagementEin weiterer Trend beim WBT ist die Integration mit Knowledge-Management-Systemen (KMS) oder Content-Management-Systemen (CMS).

Wie WBT werden auch KMS eingesetzt,

- um das im Unternehmen vorhandene Wissen bedarfsgerecht verfügbar zu machen,

- verstreutes Wissen im Unternehmen zu integrieren,

- "Wissen über das Wissen" zu verwalten,

- Ansätze zur Wissensentwicklung und -erzeugung, zur Wissensspeicherung und Wissenstransformation zu unterstützen sowie

- ein "Unternehmensgedächtnis" gezielt zum Wachsen zu bringen.

Die Einbindung von Content-Management-Systemen und Lerntechnologien in verwaltungsinterne Datenverarbeitungsprozesse ermöglicht es, Bildungsangebote und immer komplexer werdende interne Unternehmensdaten dynamisch zu pflegen, zu verwalten und den Mitarbeitern bereitzustellen. Die CMS entstanden im Zuge der Internet-/Intranet-Technologien und sind auf die Planung, Koordination und Kontrolle von Internet-Inhalten sowie auf die automatisierte Publizierung von aktuellen und konsistenten Informations- und Lernangeboten ausgerichtet.

Durch den Einsatz von CMS in netzgestützten Lern- und Arbeitsumgebungen werden nicht nur personalisierte Oberflächen für die Mitarbeiter möglich, sondern auch die Sicherstellung eines verwaltungsintegrierten Workflow.

Um unterschiedliche WBT-Systeme klar vergleichen und voneinander trennen zu können, sind die konzeptionellen Anforderungen an diese Systeme zu definieren, die als Funktionen von E-Learning-Lösungen in drei Teilbereiche abgegrenzt werden:

-Der Bereich Content-Creation stellt einen ersten Bezug zu den Lerninhalten an sich sowie zu deren Erstellung beispielsweise durch Autorensoftware her. Des Weiteren soll hier auch auf praktische Erwägungen wie Einbindung und Wiederverwendbarkeit von Lerninhalten eingegangen werden.

-Im Bereich Content-Management geht es um das Verwalten dieser Lerninhalte. Zum einen werden hier Möglichkeiten der Lernmittelbereitstellung an Mitarbeiter sowie das Anpassen dieser an die notwendigerweise vorhandenen Anforderungsunterschiede der einzelnen Mitarbeiter thematisiert. So sind für einen Netzwerkadministrator andere Lerninhalte bedeutsam als für einen Vertriebsmitarbeiter.

-Der Bereich Learning bezieht sich auf die Sicht des Lernenden. Möglichkeiten der Unterstützung des Nutzers beispielsweise durch Tutoren spielen hier ebenso eine Rolle wie Aspekte der Bedienbarkeit, Benutzerführung sowie Anpassungsmöglichkeiten der Oberfläche an die individuellen Bedürfnisse.

Kriterien für die AuswahlDie Auswahlkriterien eines WBT-Systems sind je nach gewünschtem Anwendungsbereich und -umfang, strategischer Ausrichtung und Interaktion mit anderen Systemen (wie beispielsweise Knowledge- oder Content-Management) sehr unterschiedlich.

Neben den funktionalen Anforderungen lassen sich zudem technische Kriterien definieren, die bei der Auswahl berücksichtigt werden müssen. Dabei geht es um die Integrationsfähigkeit der Systeme, die Performance und die Skalierbarkeit sowie um die Anforderungen an die Implementierung und die dahinterstehenden Kosten. Dass WBT-Projekte nicht immer aus "einer Hand" geliefert und implementiert werden, ist für die Qualität des Systems und des Outputs und demnach auch die Qualitäten seiner Integratoren sowie System-Anbieter wichtig.

Als technische Hauptanforderung an die WBT-Lösung ist der Aspekt der Integrationsfähigkeit des Produktes in die bereits vorhandene Systemumwelt anzusehen. Dabei spielt die Einbindung sowohl in das Wissens-Management und Content-Management (CMS) als auch an andere unternehmerische IT-Systeme wie beispielsweise ERP-Lösungen eine Rolle. Bei der Einbindung der Systeme ist zum Beispiel darauf zu achten, ob die entsprechende Kompatibilität gegeben ist oder vorhandene Standards unterstützt werden. Besonders an CMS-Funktionalitäten sollte bei Komplettlösungen gedacht werden. Damit können immer komplexer werdende Bildungsangebote dynamisch gestaltet, gepflegt und gesichert werden.

Das Ziel eines CMS ist die Planung, Koordination und Kontrolle der Inhalteingabe und -pflege sowie eine automatisierte Publizierung, um aktuelle und konsistente Informations- und Lernangebote anbieten zu können.

Performance und SkalierbarkeitBei der Untersuchung der Performance und Skalierbarkeit geht es um die Verbesserung der Engpässe des Systems. Ein wesentlicher Engpass in WBT-Lösungen ist natürlich die Anzahl der zur Verfügung stehenden gleichzeitigen Zugriffe der Lernenden und des Medienvolumens der Kurse, die sich in der objektiv messbaren Größe des Datenvolumens quantifizieren lassen.

Die Skalierbarkeit beschreibt dabei die Fähigkeit zur Ausdehnung der Systeme durch weitere Systemressourcen, wie zum Beispiel Multiprozessoren oder Clustering-Konzepte. Sie ist dabei in der Regel von den Hardware-Plattformen abhängig, da sich beispielsweise Unix-Lösungen gegenüber NT-Plattformen linear skalieren lassen und für die Integration von zusätzlichen Servern, Applikationen oder eventuellen Konfigurationsänderungen keinen Reboot bedürfen.

Grundfunktionen sind vorhandenFazit der Untersuchungen: Die wesentlichen Grundfunktionalitäten für eine Learning-Plattform können von allen Systemen bereitgestellt werden. Die großen Schwächen liegen jedoch im Bereich des Management. Insbesondere die Verwaltung von großen Benutzergruppen macht den "Low-Budget"-Lösungen noch zu schaffen. Hier kommt die Leistungsfähigkeit der Big Player Saba oder Trilog mit ihren guten Performance-Konzepten zum Ausdruck. Auch bei der Funktionalität beim Management von Lernpfaden, der Kursverwaltung oder der Personalisierung und Anpassung der Anwendung an den Nutzer wiesen die Systeme noch erhebliche Schwächen auf.

*Ralf Pfau ist Geschäftsführer der Unternehmensberatung New Economist in Nürnberg.

AnbieterübersichtIn der ersten Version dieser Studie wurden 15 Anbieter hinsichtlich der Struktur einer innerbetrieblichen Lernplattform untersucht.

Anbieter / Produkt

Axion / Knowledgia

Arideon / LernKnow

BIT Media / Sitos

Click2Learn / Ingenium

Docent / Docent Enterprise

E-Teach / E-Le@rn

ETS / DLS

Hyperwave / e-learning suite

IMC / Clix

Lotus / Learningspace

M.I.T / Brainplus

Saba / Saba Learning Enterprises

Trilog / ILF

Blackboard / Blackboard 5

WebCT / Web CT 3.5

Abb: Systeme nach Maß

Um die WBT-Systeme klar voneinander abgrenzen zu können, müssen sie in drei Teilbereiche abgegrenzt werden. Quelle: Pfau