Online-Konsumenten-Befragung

01.08.1980

Dipl.-Hdl. Bruno Neibecker, Institut für Konsum- und Verhaltensforschung, Universität des Saarlandes

Bevor an dieser Stelle und an einem konkreten Forschungsprojekt das Vordringen und die Anwendungsmöglichkeiten der Computertechnologie in der Sozialforschung aufgezeigt werden, gibt der folgende Abschnitt einen Überblick über die Forschungstätigkeit am Institut für Konsum- und Verhaltensforschung, Saarbrücken.

Im Mittelpunkt der empirischen Forschung am Institut steht die Entwicklung neuer Theorien und Methoden der Verhaltensforschung zur Erklärung und Prognose von Konsumverhalten. Dazu verfügt das Institut über ein modernes Laboratorium für angewandte Verhaltensforschung und einen interdisziplinären Mitarbeiterstab vom DV-orientierten Wirtschaftswissenschaftler bis zum Soziologen und Psychologen. Durch Kombination von bewährten Methoden der empirischen Sozialforschung und experimentell-apparativer Laborforschung sollen komplexe menschliche Verhaltensweisen objektiv analysiert werden. Ein zentrales Forschungsprojekt ist die Durchführung von Befragungen im Computerdialog sowie die wissenschaftliche Überprüfung dieses neuen Instrumentes.

Dialogfähige Rechnersysteme

Dialogfähige Computersysteme werden in den nächsten Jahren verstärkt in bislang vernachlässigte Anwendungsbereiche vordringen. Auch die empirische Sozialforschung wird sich zunehmend zur Lösung der Datenerfassung computergestützter Lösungen bedienen. Dies fällt um so leichter, als mit der statistischen Auswertung von wissenschaftlichen Daten durch Großrechner schon vor Jahren begonnen wurde und deshalb bereits ein Grundstock an DV-Erfahrung vorliegt.

Von den in Frage kommenden Forschungsmethoden, die einer dialogorientierten Datenerfassung unmittelbar zugänglich sind, verspricht die "Computerbefragung" die meisten ökonomischen und methodischen Vorteile.

Hierbei werden die Fragen direkt über einen Bildschirm gestellt und von den Befragten unmittelbar über die Tastatur beantwortet. Damit diese Methode auch mit nicht DV-geschulten Personen durchgeführt werden kann, ist eine benutzerfreundliche Dialoggestaltung mit ausführlicher Bedienerführung notwendig. Mit zunehmender Verbreitung von Computersystemen und in wenigen Jahren auch von Bildschirmtext wird die Reserviertheit gegenüber dieser modernen Kommunikationsmethode sicherlich weiter abnehmen, so daß des Akzeptanzproblem zunehmend an Bedeutung verlieren wird. Folgende Vorteile der Computerbefragung zeichnen sich ab:

Maschinenlesbare Antwortdaten

Durch die Dialogerfassung der Antwortdaten können diese unmittelbar maschinenlesbar gespeichert werden. Eine gleichzeitige Plausibilitätskontrolle stellt sicher, daß nur zulässige Antworten verarbeitet werden. Dadurch sind erste Auswertungen nahezu zeitgleich mit der Befragung durchführbar, eine weitere visuelle Datenkontrolle erübrigt sich. Die Fehler, die bei konventioneller Befragung durch die nachträgliche Fragencodierung und maschinenlesbare Erfassung auftreten, entfallen völlig.

Aus der psychologischen Konfliktforschung ist bekannt, daß beim Auftreten widersprüchlicher, "konfliktärer" Alternativen die Entscheidungszeit zunimmt. Auch ein Versuchsteilnehmer, der beim Beantworten einer Frage in einen Konflikt gerät, wird eine längere Antwortzeit benötigen. Aus dieser "Bedenkzeit" läßt sich für den Sozialforscher ein zusätzlicher Indikator zur Beurteilung der "Überzeugtheit" einer gegebenen Antwort gewinnen. Diese Zeitmessung kann im Computerdialog nicht nur sehr genau und kostengünstig erfolgen, ein weiterer Vorteil ist die vom Befragten unbemerkte, also nicht reaktive Durchführung der Zeitmessung.

Positionseffekt

Die Reihenfolge der Fragen spielt bei der Konstruktion eines Fragebogens eine wichtige Rolle. Besonders bei den Verfahren zur Image-Messung wirkt sich diese Reihenfolge selbst, unabhängig vom Frageninhalt, auf die Antwortergebnisse aus. Diesen Positionseffekten wirkt man durch Veränderung der Fragenreihenfolge, soweit dies manuell durchführbar ist, entgegen. Die wohl systematischste Variation ermöglicht eine solche "Computerbefragung", in der die Fragen in einer zufallsgenerierten Reihenfolge gestellt werden. So können diese Störgrößen beziehungsweise Positionseffekte in optimaler Weise ausgeschaltet werden.

Wenn sich zwei und mehr Menschen begegnen, findet eine gegenseitige sprachliche und mimisch-gestische Kommunikation oder kurz: Interaktion statt. Es ist bekannt, daß von diesen interaktiven Beziehungen, die auch zwischen Interviewer und Befragtem vorhanden sind, ein teilweise erheblicher Einfluß auf die Befragungsergebnisse ausgeht. Er kann via Computer ausgeschaltet werden.

Es ist meist zweckmäßig, nicht allen Befragten sämtliche Fragen zu stellen, sondern je nach Zielgruppe und Untersuchungszweck nur Auszüge eines Fragebogens. Über Filterfragen werden dann den Antworten entsprechende, bestimmte Fragenkomplexe ausgewählt. Bei manueller Befragung ist diese Technik natürlich nur sehr begrenzt einsatzfähig, da die Gefahr von Flüchtigkeitsfehlern bei der Erhebung überproportional ansteigt. Gerade um diese Fehlerursache zu eliminieren, ist ein Computersystem in hervorragender Weise geeignet, so daß diese Technik der Fragebogenkonstruktion stärker als bisher verwendet werden wird.

Zukunftsweisender Weg

Die Computerbefragung stellt einen zukunftsweisenden Weg zur Erfassung von Befragungsdaten dar, deren Vorteile nicht nur im ökonomischen, sondern vor allem auch im theoretisch-methodischen Bereich liegen. Mit zunehmender Verbreitung von Bildschirmgeräten wird sich die Reserviertheit der Anwender gegenüber dieser neuen Kommunikationsmethode abbauen, gleichzeitig werden aber die Ansprüche an Produktdesign und benutzerfreundliche Dialoggestaltung wachsen. Hier liegt auch für uns eine interessante Aufgabe für die Zukunft.