Mit "Copics" zum integrierten Informationssystem:

Online die ganze Produktion im Blick

15.01.1982

Arburg, ein Familienunternehmen mit nahezu 600 Mitarbeitern in Loßburg im Schwarzwald, gilt heute als größter Hersteller kleiner Spritzgießmaschinen (mit weltweitem Export). Für dieses Unternehmen sollte ein integriertes Informationssystem unter Verwendung von IBM-Copics-Anwendungsprogrammen aufgebaut werden. Welche Erfahrungen machte das Unternehmen mit ihnen?

Schon 1975 stellten wir unsere verbrauchsgesteuerte Produktion auf eine bedarfsgesteuerte um, erinnert sich der bei Arburg für die Finanzen zuständige Rinaldo Dümmler, der vor kurzem auf dem IBM-Anwenderkongreß "Fertigung und Grundstoff" in Garmisch-Partenkirchen seine Erfahrungen vortrug. Diese Umstellung geschah damals mit Hilfe des PICS-Konzepts und des DBOMP; doch zeigte sich bei der Abwicklung der seinerzeitigen Batch-Programme, daß so keine aktuellen Auskünfte zu erlangen waren: Die Datenbestände waren immer erst nach dem Ausdrucken von Listen überblickbar.

Deshalb liebäugelten die Loßburger Maschinenfabrikanten bald mit einem Realtime-System, bei dem die Daten direkt am Arbeitsplatz erfaßt werden sollten. Erster Schritt in diese Richtung: ein Vermittlungssystem 3750 N, das durch CICS unterstützt wird und das Datenerfassungen per Datentelefon und Ausweisleser sowie außerdem die Datenabfrage per Telefon und Monitor gestattet.

In Phase zwei ersetzte Dümmler dann das bisherige Kapazitätsplanungssystem "Class" 1977 durch "Caposs-E", ein neueres System zur Kapazitätsplanung und Auftragsterminierung auf jeweils rund zehn Monate Sicht.

Für den Aufbau eines integrierten Informationssystems, das neben dem Material-Management auch Bereiche wie Finanz- und Anlagenbuchhaltung, Kostenrechnung und Kalkulation, Auftragsabrechnung und Maschinennutzungsrechnung sowie die Personalverwaltung, die Lohn- und Gehaltsabrechnung, den Vertrieb und anderes mehr umfassen sollte, mußte jedoch ein System zur qualifizierten Datenbank-Organisation ins Auge gefaßt werden. Dafür kamen den Schwarzwäldern IBMs Copics-Moduln, angekündigt 1979, gerade recht.

Copics, das "Communication Oriented Production Information and Control System", wird von IBM als integriertes Informationssystem für den Industriebetrieb angeboten, das eine Reihe einzelner Anwendungsprogramme, die auf der Copics-Datenbank basieren, umfaßt.

Von CAD bis zur Gehaltsabrechnung

Mit den neuen Copics-Moduln, so Dümmler, konnte Arburg die Batchdurch Online-Lösungen ersetzen und gleichzeitig von den alten Dateien auf DL/I-Datenbanken übergehen. Bei den Anpassungsarbeiten half die "System-Service-Anwendung" (SSA) der IBM- die neue Konfiguration ist seit März dieses Jahres in Betrieb (siehe Grafik).

Das Gesamtsystem unterstützt die Unternehmens-Aktivitäten nun in einem breiten Spektrum von Arbeitsabläufen, angefangen bei der grafischen Datenverarbeitung (CAD/CAM) über Konstruktion (APL-GIAM) und NC-Maschinen-Programmierung bis hin zur klassischen Lohn- und Gehaltsabrechnung. Dazu gehören die Copics-Anwendungen, von denen hier nur die Kunden-Auftragsbearbeitung, die Stücklisten und Teilestamm-Verwaltung, die Arbeitsplanverwaltung und die Primärbedarfsverwaltung sowie die Materialbedarfsplanung genannt seien, ferner die Werkstatt-Auftragsfreigabe, die Kapazitätsplanung und Terminierung mit Caposs-E sowie die Auftragsrechnung (für Kostenrechnung und Kalkulation), die Maschinennutzungsrechnung und die Lagerbestandskontrolle. Weitere Anwendungen betreffen die Lohn- und Finanzbuchhaltung, das Personalsystem oder auch die integrierte Zeiterfassung.

Maschinenauftrags-Bearbeitung individuell erstellt

Von den einzelnen Anwendungen im Copics-Verbund ist unter anderem die Kundenauftrags-Bearbeitung (Machinenauftrags-Bearbeitung) erwähnenswert, die früher manuell durchgeführt wurde und die nun online geschieht: von der Entgegennahme des Auftrags bis zum Erarbeiten einer "Machinen-History", wie Dümmler erläuterte. Da diese Auftragsbearbeitung in die übrigen Copics-Anwendungen wie Teilestamm- und Stücklistenverwaltung integriert werden sollte, faßte Arburg zunächst das IBM-Produkt COS (Customer Order Servicing) ins Auge, doch konnte dieses, wie sich bald herausstellte, die große Typen und Variantenvielfalt des Produktionsprogramms nicht genügend abdecken. Also wurde die Maschinenauftrags-Bearbeitung zusammen mit SSA individuell entwickelt; sie befindet sich seit Juni '81 in der Programmierphase. Stücklisten und Teilestämme werden in einem Fertigungsunternehmen regelmäßig von mehreren Abteilungen bearbeitet, also ergänzt und vervollständigt. Damit keine Termine übersehen werden oder Vorgänge verlorengehen können, arbeitet Arburg jetzt mit dem Nachrichtensystem "Cormes"

Hier wird bereits während der Konstruktion am Bildschirm eine Teilenummer belegt und an die Normung, die ihr Okay geben muß, weitergeleitet. Dann geht eine entsprechende "Aktionsnachricht" an Abteilungen wie Beschaffung, Kalkulation, AV-Arbeitsplanung und so weiter, die auch gleich über wichtige Termine informiert. Haben die einzelnen Abteilungen jeweils ihren Teil ergänzt, geht die Information zurück an die Cormes-Aktionsdatenbank und von da weiter über die Produktdatenbank zur Normung, die dann eine "Aktiverklärung" abgeben muß. Dabei wird mit 14stelligen Adreßschlüsseln gearbeitet (was bei der Vergabe von Berechtigungen sehr nützlich sein kann).

Für Zwecke der Kalkulation, der Durchlaufzeit-Errechnung oder auch der Abspeicherung von Abweichungen beim Primärbedarf arbeitet das Cormes-Systemn mit sogenannten "Trigger-Nachrichten", die, erzeugt von einem bestimmten Anwendungsprogramm, weitere Programme aufrufen, um mit ihnen neue Daten zu erzeugen oder zurückzuspeichern.

Als entscheidenden Vorteil beim Verwalten der Stücklisten und der Arbeitspläne hob Dümmler hervor, daß sie nun immer zur Verfügung stehen und man jederzeit sehen könne, was wann und wo geändert wurde.

Materialbedarf über zehn Monate geplant

Bei der Planung des Materialbedarfs über jeweils zehn Monate im voraus werden über die Arbeitspläne die Durchlaufzeiten und über die Stücklisten der Bedarf ermittelt. Aus beiden erhält man den terminierten Bruttobedarf und daraus durch Kürzen der offenen Auftrage, der Bestellungen und der Lagerbestände den Nettobedarf. Er ist terminiert und wird in der Planungsdatenbank abgespeichert; bei Fälligkeit gelangt er in die Auftragsdatenbank, wird dort also zu einem "offenen Auftrag".

In der Planungsdatenbank können alle technischen Änderungen durch "selektives Planen" berücksichtigt werden; dort und in der Auftragsdatenbank lassen sich außerdem ungeplante Aufträge noch jederzeit online einstellen.

Kapazitätsplanung mit Caposs

Bei der Auftragsfreigabe ist zu erwähnen, daß diese in neun von zehn Fällen automatisch geschieht, der Disponent also nur noch besondere Teile manuell behandeln muß. Dabei werden "Fehlteile" bei der Primärbedarfsverwaltung automatisch Bedarf.

Sehr zufrieden zeigte sich Dümmler (auch auf Rückfrage) mit der Caposs-E-Datenbank zur Kapazitätsplanung, in der sich alle geplanten Aufträge samt ihren Arbeitsfolgen sowie wichtige Ist-Daten befinden. Von dieser Basis aus wird zur Zeit zweimal pro Woche (später wohl täglich) die kurzfristige Kapazitätsplanung erstellt.

Daneben ist die Caposs-E-Datenbank auch der "Arbeitsverteiler", der die Reihenfolge der Arbeitsgänge für jede Maschinengruppe festlegt. So kann eine neue Arbeit nur dann begonnen werden, wenn eine alte abgemeldet oder unterbrochen wurde. Die entsprechenden Meldungen erfolgen über das Datentelefon "3221"

Wird eine Fertigmeldung eingegeben, so erscheint auf dem Monitor automatisch der vom Arbeitsverteiler kommende Vorschlag für die nächste Arbeit. Er ist "angemeldet", wenn er mit Hilfe des "Personalausweises" (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen amtlichen Dokument) bestätigt wurde.

Von der Caposs-E-Datenbank gelangen die Daten der abgearbeiteten Aufträge an die Auftragsabrechnung, wo sie (innerhalb der Kostenrechnung fertigungsbegleitend) so verarbeitet werden, daß man sie zu jedem beliebigen Zeitpunkt auswerten kann. Zur Bereinigung der Arbeitspläne werden Informationen über Zeiten übrigens zugeführt.

Abschließend bemerkte Dümmler noch, daß bereits während der Realisierung der Copics-Anwendungsprogramme neue Möglichkeiten für die Optimierung "auf jedem Gebiet innerhalb der Materialwirtschaft" sichtbar wurden, deren Verwirklichung zunächst noch ansteht. Auch dabei wollen die Maschinenbauer aus dem Schwarzwald wieder mit SSA in Stuttgart kooperieren.