Traditionelle Wege der Informationsbeschaffung reichen oft nicht mehr aus:

Online-DBs eröffnen neue Wege der Recherche

30.01.1987

Online-Datenbanken bieten gegenüber traditionellen Wegen der Informationsbeschaffung eine Reihe von Vorteilen. Trotzdem werden sie in der Bundesrepublik noch immer als Stiefkind behandelt. Einen Überblick über dieses Gebiet gibt Ralf Knerr.

Informationen jeder Art gewinnen seit Jahren zunehmend auf allen Ebenen der Entscheidungsfindung an Bedeutung. Eine der dabei zwangsläufig auftretenden Diskrepanzen ist die Differenz zwischen Informationsbedarf und -angebot. Wer heute vor der Problematik steht, bestimmte Informationen zu benötigen, dem steht ein schier unermeßliches Angebot gegenüber, das mit den traditionellen Mitteln kaum noch oder gar nicht mehr zu bewältigen ist. Die gezielte Suche nach bestimmten Informationen wird mehr und mehr zur Sisyphusarbeit.

Doch bereits seit Jahren gibt es eine Möglichkeit, diese Recherchen zu vereinfachen und Informationen auf elektronischem Wege zu recherchieren: Online-Datenbanken, die es dem Informationssuchenden erlauben, im Dialog mit der Datenbank bestimmte Informationen zu finden. Online-Datenbanken bieten gegenüber den traditionellen Wegen der Informationsbeschaffung eine Reihe von Vorteilen. Trotzdem werden sie in der Bundesrepublik noch immer als Stiefkind behandelt.

Zwei Ursachen scheinen primär dafür verantwortlich zu sein: Zum einen besteht paradoxerweise gerade gegenüber diesem Weg der Informationsbeschaffung noch ein erhebliches Informationsdefizit; zum anderen existiert weiterhin in vielen Unternehmensbereichen - vor allem auch im Topmanagement - eine enorme Hemmschwelle gegenüber dem Einsatz elektronischer Hilfsmittel. In diesen Bereichen werden oft noch heute die ineffizienten und zeitraubenden Umwege der traditionellen Informationsbeschaffung beschritten. Natürlich machen Online-Datenbanken diese herkömmlichen Wege der Recherche nicht gänzlich überflüssig, doch sie können dafür sorgen, daß auch manuelle Recherchen wesentlich effizienter sind.

Nur tatsächlich erfolgte Abfragen werden berechnet

Dabei liegen die Vorteile der Informationsbeschaffung aus Online-Datenbanken auf der Hand: sehr schneller Verbindungsaufbau, schneller Zugriff, vielfache Verknüpfung der Suchkriterien, Weiterverarbeitung der abgerufenen Daten in eigenen DV Anlagen. Außerdem werden nur die tatsächlich abgerufenen Informationen in Rechnung gestellt.

Heute stehen dem Interessenten weltweit etwa 3000 Datenbanken zur Verfügung, die nahezu alle Fachbereiche lückenlos abdecken. Rund 75 Prozent dieser Datenbanken befinden sich in den USA und Kanada, lediglich fünf Prozent in der Bundesrepublik. Doch ist auch hier die Tendenz steigend.

Unter Online-Datenbanken versteht man elektronisch gespeicherte Informationen - besser: Daten in maschinenlesbarer Form, die von Datenbankanbietern in Großrechenanlagen auf externen Datenträgern (Magnetplatten, Magnetbändern) abfragebereit gehalten werden. Diese Host-Rechner stellen meist mehrere Datenbanken gleichzeitig bereit. Über eine Datenübertragungseinrichtung (DÜE) ist der Host entweder an ein privates (zum Beispiel Euronet oder Ipsanet) oder an ein öffentliches (Datex-L, Datex-P oder in Zukunft ISDN) Datenübertragungsnetz angeschlossen.

Auf der Anwenderseite ist die Konfiguration ähnlich: Mittels einer DÜE kann der Anwender sein Datenendgerät an eines dieser Netze anschließen und so eine Verbindung zu dem auserwählten Host herstellen. Diese Verbindung kann sowohl temporär als auch dauerhafter Natur sein. Als DÜE kommen beim Anwender überwiegend Akustikkoppler oder Modems zum Einsatz, wobei ein Modem das schnellere und zuverlässigere Gerät ist. Gegenüber dem festinstallierten Modem hat der Akustikkoppler den Vorteil, mobil einsetzbar zu sein. Für manche Berufsgruppen kann dies durchaus Vorteile bieten.

Eine Typologisierung der vorhandenen Online-Datenbanken zeigt, daß zwischen zwei Haupttypen unterschieden werden muß, die sich dann jeweils noch einmal unterteilen lassen. Datenbanken des ersten Typs sind die sogenannten "Referenz-Datenbanken". Sie enthalten in ihren Datensätzen nur jeweils kurze "Referenzen" darüber, wo die Primärinformationen zu finden sind. Zwei Klassen von Referenzdatenbänken werden unterschieden: bibliografische und Hinweisdatenbanken.

Bibliografische Datenbanken erfüllen ungefähr den gleichen Zweck wie der Katalog einer Bibliothek. Allerdings können sie doch etwas mehr: Wer einmal versucht hat, in einer Bibliothek ein Buch wiederzufinden, dessen Autor ihm entfallen ist und von dessen Titel er nur noch die Worte "technische Revolution" in Erinnerung hat, weiß, daß diese Suche aussichtslos ist. Nicht so bei der Suche in einer Datenbank. Zwar muß er bei diesen geringen Suchkriterien nicht unbedingt gleich den gesuchten Titel bekommen, aber zumindest erhält er eine Liste all der Bücher, in deren Titel die gesuchten Worte vorkommen. Teilweise enthalten die Datenbanken auch noch kurze Zusammenfassungen - Abstracts genannt - der Texte. Bei einigen Datenbankanbietern kann die recherchierte Literatur zusätzlich noch direkt bestellt werden.

DBs der zweiten Klasse - die sogenannten Hinweisdatenbanken - unterscheiden sich in ihrer Struktur nicht wesentlich von den bibliografischen DBs. Entscheidendes Kriterium für die Zuordnung ist im wesentlichen, daß sie ebenfalls nur kurze Hinweise geben, ohne umfassende Hintergrundinformationen zu liefern.

Beim zweiten Datenbanktyp handelt es sich um die sogenannten Quelldatenbanken, die man in vier Klassen unterteilen kann: Volltext, numerisch-textliche, numerische und Software-Datenbanken. Ihr Vorteil liegt im unmittelbaren Vorhandensein der Quelldaten. Das erhaltene Informationsmaterial kann direkt weiterverarbeitet werden; Zeitverluste treten praktisch nicht auf.

Im Gegensatz zu bibliographischen DBs enthalten Volltext-Datenbanken jeweils den gesamten Text eines Dokuments, seien es nun Aufsätze, Bücher oder Dissertationen. Auch sie bieten den Vorteil, daß allein aufgrund einzelner Textpassagen das entsprechende Dokument gefunden werden kann.

Numerisch-textliche DBs unterscheiden sich wiederum nur durch die Art der gespeicherten Dokumente von den Volltext-Datenbanken. Sie liefern in der Regel, je nach ihrem Inhalt, Hintergrundinformationen zu nahezu allen Fragen.

Numerische DBs stellen, wie der Name schon sagt, Zahlenmaterial zur Verfügung. In ihnen findet man eine Vielzahl von statistischen Informationen: zum Beispiel Zeitreihen, Wertpapiernotierungen, Bilanzen, Meßwerte oder physikalische Konstanten. Die letzte Klasse der Datenbanken, die Software-Datenbanken, sind hierzulande noch recht unbekannt. In ihnen stellen die DB-Anbieter Software zur Verfügung; die Listings werden entweder gleich mitgeschickt oder folgen auf dem Postweg.

Um in einer Datenbank effizient recherchieren zu können, ist es notwendig, die jeweiligen Abfragesprachen (auch Retrieval-Sprachen genannt) sicher zu beherrschen. Leider ist es noch immer so, daß nahezu jeder Host seine eigene Abfragesprache besitzt. Die meisten Datenbankanbieter halten jedoch regelmäßige Lehrgänge ab, die Sicherheit im Umfang mit der jeweiligen Sprache geben. Vielleicht ist es im Rahmen der angestrebten Normung früher oder später einmal möglich, mit nur einer Abfragesprache auszukommen. Doch das ist derzeit noch Zukunftsmusik.

Zubringerfunktion liegt bei Mailbox-Betreibern

Wie sieht nun die typische Datenbankrecherche - auch Information-Retrieval genannt - aus? Zuerst wird das entsprechende Datenübertragungsnetz angewählt, um die Verbindung herstellen zu können. Anschließend muß das Benutzer-Password für das Übertragungsnetz eingegeben werden. Ist der Teilnehmer identifiziert, so kann er dem Netz seinen Adressaten mitteilen, mit dem dann eine Leitungsverbindung hergestellt wird. Anschließend meldet sich der angewählte Host und verlangt die Benutzerkennung. Wird diese korrekt eingegeben, kann die Zieldatenbank ausgewählt werden, zu der der Rechner dann den Zugang freigibt.

Teilweise ist bei einigen Hosts heue schon eine Suche quer über alle vorhandenen Datenbanken möglich. Nun können mit der Abfragesprache die entsprechenden Suchkriterien eingegeben werden. Als Antwort erhält man allgemein die Anzahl der dazu gefundenen Einträge. Ist die Trefferzahl zu hoch, so können die Ergebnisse schrittweise durch logische Verknüpfungen der Suchkriterien eingegrenzt werden. Sind die gewünschten Dokumentationseinheiten gefunden, können sie abgerufen werden, um dann entsprechend weiterverarbeitet, gespeichert oder ausgedruckt zu werden.

Eine weitere Möglichkeit, in Datenbanken zu recherchieren, bieten verschiedene Mailbox-Betreiber an. Diese schließen ihrerseits Verträge mit den Datenbankanbietern ab und eröffnen dem Mailbox-Mieter so die Gelegenheit, mit den einzelnen Datenbankanbietern in Verbindung zu treten.

Hinter diesem Angebot verbirgt sich eine Reihe von Vorteilen: Der Informationssuchende ist nicht gezwungen, für jeden Host einen eigenen Vertrag abzuschließen, sondern schließt lediglich einen Vertrag mit dem Mailbox-Betreiber ab. Der zweite Vorteil liegt darin, daß auch die Abrechnung nur über den Mailbox-Betreiber erfolgt. Das erleichtert, vor allem wenn bei mehreren Hosts recherchiert wird, die Abrechnung ungemein.

Ob eine Online-Datenbank-Recherche immer effizient und sinnvoll ist, hängt vom Einzelfall ab. Sicher ist, daß es heute keine andere Möglichkeit gibt, so schnell an so viel Informationen zu kommen und dabei noch ein vernünftiges Kosten/Nutzen-Verhältnis zu bewahren. Wer viel recherchieren muß, kommt in Zukunft kaum noch um Information-Retrieval herum, wenn er nicht erheblich an Wettbewerbsfähigkeit verlieren will.

Wer nur gelegentlichen Informationsbedarf in dieser Weise decken will, für den kann der Einsatz eines freien Information-Brokers die günstigere Lösung sein. Diese Spezialisten der Informationsbeschaffung sind in der Lage, alle erdenklichen Recherchenwege miteinander zu kombinieren, um so ein nahezu optimales Ergebnis zu erzielen. Wer selbst recherchieren will, sollte daher sorgfältig bei der Auswahl der für ihn in Frage kommenden Datenbanken vorgehen. Neben der unterschiedlichen Gebührenstruktur sind auch andere Aspekte, etwa die Häufigkeit der Aktualisierung, von Bedeutung. Gezielte Auskünfte können der am Ende des Beitrags aufgeführten Literatur entnommen werden. Interessenten, die sich jedoch selbst erst einmal einen Eindruck verschaffen wollen, können sich bei einem Besuch der jährlich in Frankfurt stattfindenden "Infobase - Datenbank-Kongreß und Ausstellung" informieren.

Ralf Knerr ist freier Mitarbeiter bei der Will & Partner GmbH, Dreieichenhain.