Via Mausklick zum vermeintlich schnellen Geld

Online-Broker und deren Erfolgsgeschichte in den USA

04.06.1999
Von Angelika Keller* Der Börsenhandel via Internet ist vor allem in den USA populär wie nie. So konnten die einschlägigen Online-Broker im ersten Quartal 1999 rund 50 Prozent mehr Geschäft als im vorangegangenen Quartal abwickeln. Offenbar können auch Systemausfälle und Netzengpässe dem Boom nichts anhaben. Doch die staatlichen Aufsichtsbehörden warnen verstärkt vor Risiken für die Anleger.

Zwei Dinge mußten nach Ansicht von Fachleuten zusammenkommen, um den Online-Brokern zum Durchbruch zu verhelfen. Zum einen Ärger über die hohen Provisionen von Filialbanken, deren oft schlechte Ausführungsqualität und mangelhafte Informationen. Zum anderen war es natürlich die Verbreitung des Internet, die es auch jedem Privatmann erlaubt, Aktien am heimischen PC zu ordern, ohne die Hausbank oder einen Börsenhändler einzuschalten. Mehr und mehr Anleger stürzen sich auf die Möglichkeiten des Online-Marktes. Noch nie war Geldverschieben per Knopfdruck so einfach, und noch nie wurde Anlegern so klar vor Augen geführt, wie überhöht die Provisionen der traditionellen Händler und gering im Grunde die wahren Transaktionskosten sind (siehe Abbildung Seite 50). Das verleiht den Anlegern ein neues Gefühl von Macht im Spiel um das vermeintlich große Geld.

Den Investoren stehen dabei verschiedenen Gruppen von Online-Händlern gegenüber. In einer vor kurzem veröffentlichten Studie unterscheidet die US-Investmentbank Merrill Lynch drei wesentliche Typen. Zum einen sind dies die "Tiefstpreis"-Broker: Sie verlangen in der Regel weniger als 20 Dollar pro Transaktion und gehen den Markt bewußt von der Preisseite her an. Zu dieser Gruppe gehören in den Vereinigten Staaten Firmen wie E*Trade, Ameritrade, Waterhouse Securities und Suretrade. Sie gelten als die Wertpapierhändler des derzeitigen Hausse-Marktes, in dem vor allem von "Cyberspace-Zockern" das vermeintlich schnelle Geld gemacht wird.

Die Discount Broker bieten Produkte für eine, so Merrill Lynch, eher wohlhabende Klientel an, deren Risikobereitschaft nicht ganz so ausgeprägt ist.

Die Dienstleistungen dieser Firmen sind naturgemäß etwas teurer als die ihrer Konkurrenten, die mit besagten Dumping-Angeboten arbeiten. Dieser Markt wird momentan eindeutig von Charles Schwab beherrscht - einer Company, die als erste im Wettbewerb das sogenannte Supermarkt-Konzept für Investment-Fonds entwickelt hat. Ein anderes interessantes Unternehmen in diesem Segment ist DLJ Direct, ein Tochterunternehmen der Kapitalanlage-Gesellschaft Donaldson, Lufkin & Jenrette, die zusätzlich zum klassischen Aktiengeschäft auch Neuemissionen an die Börse bringt und Marktanalysen anbietet. Weder Schwab noch DLJ, die sich mit ihrem Angebot von Beginn an von den klassischen, ausschließlich auf das herkömmliche Depotgeschäft spezialisierten Geldhäusern abgrenzten, geraten übrigens nach Ansicht von Fachleuten durch ihre Online-Aktivitäten in nennenswerte Konflikte mit ihren bisherigen Vertriebskanälen.

Investmentbanken springen auf den Online-Zug auf

Genau das ist jedoch bei der dritten Gruppe der Fall, den sogenannten Full-Service-Retail-Brokern. Hier tummeln sich die großen Namen des Börsenhandels - also Companies wie Merrill Lynch selbst, Morgan Stanley oder Goldman Sachs. Allesamt Gesellschaften, die erst jetzt auf den Online-Zug springen, denn der Druck besagter Discount- und Billigst-Broker zwingt die traditionellen Geldhäuser zum Handeln, wenn sie ihre Kunden nicht an die neuen Wettbewerber verlieren wollen. Mit großer Eile werden dort jedenfalls entsprechende Web-Angebote "gestrickt". Merrill Lynch hatte schon im Februar durch den Kauf von D. E. Shaw Financial Technology von sich Reden gemacht. Das Unternehmen entwickelt Internet-Plattformen für Finanzdienstleister und soll(te) Merrill Lynch den Weg ins Online-Geschäft zumindest von der technologischen Seite ebnen. Mit Erfolg, wie es scheint, denn in der vergangenen Woche kündigte die Investmentbank die Gründung einer eigenen Internet-Unit namens Di- rect Markets an. Der Web-Ableger soll in einigen Wochen an den Start gehen und das gesamte Angebotsportfilio von Merill Lynch beinhalten.

Die Tatsache, daß die Nummer eins im US-Aktienhandel mit rund fünf Millionen verwalteter Depots groß ins Internet-Geschäft einsteigt, ist für Kenner der Szene nur der letzte Beweis dafür, daß der Aktienkauf via Web in den USA längst zu einem Selbstläufer geworden ist. Dafür sprechen auch die ausnahmslos guten Geschäftszahlen der noch jungen Anbieter, die in diesem Business "groß" geworden sind. Dennoch wird mancherorts immer noch die Frage aufgeworfen, ob es sich bei den neuen Online-Brokern um seriöse Unternehmen oder schwarze Schafe handelt. Derzeit boomt der Aktienmarkt ohnehin, so daß es nicht sonderlich schwierig ist, erfolgreich zu sein. Was aber wird aus den neuen Börsen-Stars - die Aktien E*Trade oder Ameritrade gehören mit zu den Highflyern an der US-Computerbörse Nasdaq - in einer Baisse-Phase? Noch liegen kaum Erfahrungen über das Verhalten der Online-Kundschaft vor, wenn der Markt nachgibt. Natürlich ist davon auszugehen, daß viele institutionelle Anleger, also die wichtigsten Kunden der Investmentbanken, auf die neuen Online-Broker oder entsprechende Angebote der "Etablierten" zurückgreifen. Experten sind aber gleichzeitig erstaunt über den relativ hohen Anteil von "Daytradern", also die schon erwähnten Zocker, die am gleichen Tag kaufen und verkaufen, ohne bis dato über ein großes Spekulationskapital zu verfügen.

Stolpersteine könnten aber auch noch an anderen Stellen liegen. So hat es in den vergangenen Monaten immer wieder Systempannen gegeben, weil die Netzkapazitäten der jungen Unternehmen dem Ansturm der Kunden nicht gewachsen waren. Kunden von E*Trade gingen beispielsweise gemeinsam gegen das Unternehmen vor, weil das Handelssystem des Brokers im Februar gleich viermal in einer Woche abgestürzt war und die Investoren nun Entschädigung für entgangene Gewinne beziehungsweise erlittene Verluste fordern. Doch E*Trade steht nicht allein mit der Pannenserie. Auch Charles Schwab und Ameritrade hatten Probleme, als das Verkehrsvolumen plötzlich anstieg. Branchenprimus Charles Schwab mußte in diesem Jahr sogar schon sechs Systemausfälle verkraften. Kein Wunder: Allein im April wickelte man dort täglich im Durchschnitt 138 000 Transaktionen ab. Insgesamt zählte die Branche an ihrem bisherigen Spitzentag im selben Monat mehr als 630000 Kauf- beziehungsweise Verkauforders.

Die folgenschweren Systemausfälle haben unterdessen auch die US-Börsenaufsichtsbehörde Securities and Exchange Commission (SEC) auf den Plan gerufen, die entsprechende Untersuchungen eingeleitet hat. Deren Ausgang ist allerdings ungewiß. Wie überhaupt man sich auch im "Internet-Mutterland" noch schwer damit tut, diesen neuen Markt, der sich in vielerlei Hinsicht in einer rechtlichen Grauzone bewegt, einzuordnen. Fürs erste sieht man den einschlägigen Anbietern genau auf die Finger - auch, weil die Web-Broker mit immer günstigeren Preisen um die Kundschaft buhlen. Zuletzt wurden bereits Tarife pro Transaktion von unter zehn Dollar "gehandelt".

Was wiederum verstärkt ein ganz neues, börsenunerfahrenes Publikum anzieht. Daher ist man seitens der SEC bemüht, nicht nur nach Möglichkeiten zu suchen, um die Investoren künftig vor den durch Systemausfälle bedingten Folgeschäden zu schützen. Vielmehr wurden die Broker auch aufgefordert, ihre Kunden besser zu informieren. Vor allem über die Risiken, die mit einem Investment in Aktien verbunden sind. Schon im vergangenen Jahr hatte die SEC eine "Cyberforce"-Gruppe gebildet, in der 125 Beamte gegen Betrügereien und/ oder Ungereimtheiten im Internet-Umfeld ermitteln. In diesem Jahr soll die Abteilung um weitere 125 Mitarbeiter aufgestockt, ihr Budget um elf Millionen Dollar erhöht werden. Schwarze Schafe, so ist in Washington D.C. zu hören, gibt es im Umfeld des Internet-basierten Aktienhandels genügend. Vor allem solche, die in der Vergangen so manchem unbedarften Anleger einen Flop als Hoffnungswert verkauft haben.

*Angelika Keller ist freie Journalistin in München.