Einstieg ins E-Procurement

Online-Ausschreibungen machen Einkauf effizienter

22.12.2000
MÜNCHEN (CW) - Über Online-Ausschreibungen lassen sich ohne großen Implementierungsaufwand Kosten beim Einkauf sparen. Damit eignen sich solche Verfahren nicht nur für Großunternehmen, sondern auch für mittelständische Firmen mit verhältnismäßig geringem Einkaufsvolumen.

Die meisten Unternehmen nutzen die Vorteile der elektronischen Beschaffung in erster Linie beim Einkauf genannter C-Güter: indirekte Waren und Dienstleistungen - etwa Büromaterial oder Hardware - die auf den Produktionsprozess keinen Einfluss haben und sich daher gut zum Experimentieren eignen. Zum Einsatz kommen dabei meist Katalogsysteme, über die Einkäufer die Produkte verschiedener Anbieter abrufen und direkt online bestellen können. Auf diese Weise lassen sich nicht nur Produkte und Preise einfacher vergleichen, sondern vor allem die Bestellvorgänge optimieren. Denn gerade bei billigen C-Artikeln steht der hohe bürokratische Aufwand des traditionellen Einkaufs in keinem Verhältnis mehr zum eigentlichen Warenwert.

Analysten rechnen damit, dass künftig zunehmend auch produktionsrelevante (direkte) Güter sowie Dienstleistungen online beschafft werden. Hier bieten sich vor allem umgekehrte Auktionen (Reverse Auctions) und Online-Ausschreibungen an: Der Bedarf wird via Internet an eine Reihe potenzieller Lieferanten übermittelt, die jeweils ein Angebot abgeben und sich dabei gegenseitig unterbieten können. Bei der umgekehrten Auktion erhält grundsätzlich der günstigste Anbieter den Zuschlag - sie eignen sich daher für Güter, bei denen der Preis das wichtigste Kriterium ist. Bei Ausschreibungen dagegen kann sich der Einkäufer einen Lieferanten aussuchen, auch wenn es sich dabei nicht um das preisgünstigste Angebot handelt. Denn neben dem Preis fließen häufig auch andere Kriterien - etwa Serviceleistungen oder die Abwicklung der Logistik - in die Entscheidung mit ein. Sowohl Reverse Auctions als auch Ausschreibungen bieten mittelständischen Unternehmen, die vor der aufwändigen Implementierung umfassender E-Procurement-Software und den damit verbundenen Beratungs- und Schulungskosten zurückschrecken, einen preiswerten und einfachen Einstieg in die Beschaffung via Internet.

Die erforderliche Infastruktur sowie Beratungsleistungen für umgekehrte Auktionen und Ausschreibungen stellen Anbieter wie Trade2B, Freemarkets, Portum oder Ebreviate zur Verfügung. Letzter ist eine Tochter des amerikanischen IT-Dienstleisters EDS. Die Web-basierten Tools von Trade2B und Portum etwa zielen mit ihrer Windows-ähnlichen Benutzeroberfläche auf technisch nicht versierte Anwender ab. Zudem ist keine Implementierung von Software erforderlich. Für den Einkäufer ist die Nutzung kostenlos - nur der Lieferant, der den Zuschlag erhält, muss eine Transaktionsgebühr - bei Trade2B 1,5 Prozent des Bestellwerts - an den Betreiber der Plattform abführen.

Bei Freemarkets ist dagegen zur Nutzung der Ausschreibungsplattform eine Software Voraussetzung, die den Teilnehmern auf CD-ROM zugeschickt wird. Aber auch sie soll sich ohne großen Aufwand installieren und einsetzen lassen.

Zentrales Thema bei Online-Ausschreibungen ist das Aushandeln von günstigen Einkaufspreisen. Diese werden durch die extreme Konkurrenzsituation der Zulieferer erzielt, die sich gegenseitig unterbieten und dabei anonym bleiben. Laut Trade2B kann der Preis von "verauktionierten" Gütern je nach Einkaufsvolumen um bis zu 20 Prozent gegenüber dem ursprünglichen Preis gesenkt werden. Inwieweit sich die Kosten noch zusätzlich durch die Zeitersparnis reduzieren lassen, hängt von den Produkten ab. So gehen die Hanauer Stadtwerke davon aus, den Dieselkraftstoff für ihre Straßenbahnen über die umgekehrte Auktion auf Trade2B.de etwa fünf bis sechs Prozent billiger als bei einer manuellen Preiseinziehung eingekauft zu haben. Genau kann man das laut Einkaufsleiter Volker Bergmann jedoch nicht sagen, da Dieselpreise starken temporären Schwankungen unterliegen. Es sei daher nicht legitim, von einem Fixpreis herunterzurechnen. Höher sind die Einsparungen dagegen bei intransparenten Zuliefermärkten wie zum Beispiel Hardware. "Da schaffen wir bis zu 50 Prozent", behauptet Trade2B-Mitbegründer Wolfe Diener.

Grundsätzlich eignen sich für die Echtzeitausschreibung alle Produkte, die sich auch offline ausschreiben lassen - also Materialien und Waren, die standardisierbar sind, sich in erster Linie im Preis unterscheiden und für die es viele Anbieter gibt. Das sind vor allem so genannte A-Güter: Mengenprodukte wie Stahl oder Dieselöl sowie Fertigungsteile und industrielle Vorprodukte.

Genaue Beschreibungen sind wichtigGerald Heydenreich, geschäftsführender Gesellschafter bei Portum, fand in Gesprächen mit Einkäufern heraus, dass diese rund 80 Prozent der Verhandlungszeit auf A-Artikel verwenden. Aber auch standardisierte Massenware im Bereich der indirekten Güter - etwa Kopierpapier - lässt sich ausschreiben, sofern Rahmenverträge für ein ganzes Jahr ausgehandelt werden. Nur bedingt geeignet sind dagegen komplexe, erklärungsbedürftige Produkte wie Motoren. Laut Alexander Quack-Grobecker, Vice President bei Freemarkets Europe, sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt. "Der Trick besteht ja nur darin, die Dinge so präzise wie möglich zu definieren. Denn die Lieferanten bieten nur genau für das, was beschrieben wird." Je weniger genau die Beschreibung sei, desto größer sei die Unsicherheit beim Lieferanten, und damit steige auch der Preis.

Eine weitere Möglichkeit, günstigere Konditionen auszuhandeln, ist die Bildung von Einkaufskonsortien zur Nachfragebündelung. Einkäufer tun sich mit anderen Firmen beziehungsweise anderen Geschäftsbereichen zusammen, um Mengenrabatte herauszuschlagen - ein Prinzip, das vor allem bei stark standardisierten, nicht erklärungsbedürftigen Produkten funktioniert. Bei Trade2B gibt es für diesen Zweck eine gesonderte Plattform, auf der sich die Interessenten treffen und ihren Bedarf spezifizieren können. Auf diese Weise haben auch mittelständische Betriebe mit vergleichsweise geringem Bedarf die Chance, Preise zu erzielen, wie sie sonst nur großen Unternehmen vorbehalten sind.

Generell lohnt sich eine Online-Ausschreibung oder umgekehrte Auktion bereits ab einem Einkaufswert von 20000 Mark - "schon allein zum Üben", meint Oliver Lütz, einer der Gründer des Startups Trade2B. Die Software-basierte Freemarkets-Lösung dagegen rentiert sich laut Quack-Rohbecker erst ab einem Bestellvolumen von 100 000 Euro. Sonst sei der Aufwand zu hoch - vor allem für den Lieferanten: "Mit einem Auftrag von 20 000 Euro locken Sie keinen Zulieferer hinterm Ofen hervor."

Durch die Synchronisation der Preisverhandlungen mit mehreren Lieferanten reduziert sich aber auch der Zeitaufwand, da der Einkäufer nicht mehr mit jedem einzelnen Anbieter in persönlichen Kontakt tritt. Ralf Steffes, Leiter des zentralen Einkaufs der Deutschen Post, die im Rahmen eines Pilotprojekts 16000 Büro-, Besprechungs- und Kantinenstühle über Trade2B ausschrieb, hält die Vereinfachung des Prozesses für "mindestens genauso wichtig" wie die Einsparungen beim Einkaufspreis. "Auf traditionellem Wege hätte das Projekt statt weniger Tage mehrere Monate gedauert", glaubt Steffes.

Im Mittelpunkt steht der EinkaufspreisAllein in der Kategorie Kantinenstühle tummelten sich zeitweise 24 Anbieter im Netz - "das wäre in persönlichen Verhandlungen nie machbar gewesen", meint Trade2B-Mitbegründer Engelhardt. Die Aufgabe von Betreibern wie Trade2B, Freemarkets oder Portum ist es dabei, die Einkäufer während der gesamten Ausschreibung zu begleiten. Beteiligen sich etwa nicht genügend Zulieferer, helfen die Dienstleister dem Einkäufer, weitere Anbieter zu finden - mittels Datenbanken, die ständig erweitert werden.

Das Einsparpotenzial hängt aber auch stark von der jeweiligen Branche ab. So kann ein Händler, dessen Gesamtkosten zu 80 Prozent aus Einkaufskosten bestehen, natürlich auch mehr bei der Beschaffung sparen. Zudem bilden Echtzeitausschreibungen nur einen kleinen Bestandteil des Einkaufsprozesses ab - die Preisverhandlung. Laut Trade2B ist dieser Prozess zwar entscheidend, da der Löwenanteil der Einkaufskosten - bei direkten Gütern bis zu 80 Prozent - auf den gezahlten Preis entfalle, während die Prozessabwicklungskosten nur mit etwa fünf Prozent zu Buche schlügen. Um aber den gesamten Einkauf langfristig effizienter zu gestalten, müssen auch andere Prozesse - etwa die Rechnungsabwicklung - online erfolgen.

Konkurrent Freemarkets, bei dem die Ausschreibungen über eine eigens entwickelte Software erfolgt, bietet zu diesem Zweck entsprechende Funktionen an. "Vor allem bei komplexeren Auktionen, wo die Produkte zahlreichen Spezifikationen unterliegen, ist es sinnvoll, die Dinge automatisch über eine Schnittstelle einzufüttern", so Quack-Grobecker. Allerdings sei bei solchen Lösungen auch der Aufwand höher, da zahlreiche Funktionen nachinstalliert und gelernt werden müssten.

Wie stark B-to-B-Ausschreibungen in Zukunft genutzt werden, hängt auch davon ab, inwieweit sich die derzeit noch stark verbreiteten Berührungsängste abbauen lassen. So können online erzielte Einsparungen negative interne Nebeneffekte haben - etwa wenn der Vorgesetzte dem Einkäufer vorwirft, in der Vergangenheit zu teuer eingekauft zu haben. Und auf Lieferantenseite wird befürchtet, durch Ausschreibungen langjährige Kunden zu verlieren. Der Unternehmensberatung Pricewaterhouse-Coopers zufolge kommen flüchtige, rein kostenorientierte Zulieferbeziehungen jedoch bislang eher selten zustande: Bei einer Umfrage im Herbst gaben 72 Prozent der Unternehmen an, auch im Online-Verfahren ausschließlich Zulieferer zu beauftragen, mit denen sie bereits vorher in Kontakt standen.

Auch die Stadtwerke Hanau hatten bei ihrer ersten Online-Auktion für Dieselkraftstoff zunächst die Lieferanten angeschrieben, mit denen sie seit Jahren zusammenarbeiten. "Es waren aber auch ein oder zwei neue dabei", erinnert sich Einkaufsleiter Bergmann. Die langjährigen Lieferanten seien zwar zum Teil sehr skeptisch gewesen. Ein Zulieferer habe die Online-Auktion sogar mit einem "orientalischen Bazar" verglichen. Nach Ansicht von Bergmann ist es aber nur eine Frage der Zeit, bis solche Vorbehalte ausgeräumt sind. Schließlich stellten Online-Ausschreibungen für alle Beteiligten noch völliges Neuland dar. Die Hanauer wollen jedenfalls - nach drei erfolgreich verlaufenen Dieselöl-Auktionen - auch andere Güter ausschreiben.