Beim Web-Zugriff entscheiden acht Sekunden

Online-Auktionator geht in die Performance-Offensive

07.07.2000
MÜNCHEN (qua) - Entscheidend für den Erfolg eines Online-Dienstleisters sind kurze Zugriffszeiten und permanente Erreichbarkeit. Um diese Anforderungen zu erfüllen, nutzt das Online-Auktionshaus Offerto seit kurzem eine Performance-Management- und -Monitoring-Lösung des Dienstleisters Mercury Interactive.

Das vor zwei Jahren gegründete Online-Auktionshaus Offerto mit Hauptsitz in Regensburg hat sich zu einem der größten deutschen Anbieter gemausert: Eigenen Angaben zufolge verzeichnet es täglich etwa 100000 Besucher auf seiner Website www.offerto.de. Drei Fünftel dieser Nutzer schauen in der Zeit zwischen 19 und 23 Uhr vorbei. In dieser "Primetime" zählt Offerto etwa 1400 User gleichzeitig. Bei acht installierten Web-Servern bedeutet das: In den späten Abendstunden sind pro Server etwa 170 Verbindungen gleichzeitig aktiv.

Extrem kurze Zugriffszeiten und ständige Verfügbarkeit - auch in Spitzenzeiten und bei plötzlich ansteigendem Hit-Aufkommen - bedeuten wesentliche Kriterien für Erfolg oder Misserfolg eines Internet-Auftritts. "Für uns ist eine 24-Stunden-Verfügbarkeit unabdingbar; wenn wir einen Tag stehen, kann das das Aus für die Firma bedeuten", weiß Mitbegründer und Managing Director Thomas Zeller. "Schon kurze Standzeiten haben meist einen großen Imageschaden zur Folge." Denn bei einem Auktionshaus wie Offerto sind alle Produkte extrem zeitabhängig.

Zudem sind die Internet-Surfer mittlerweile ziemlich anspruchsvoll geworden: "Acht Sekunden können entscheidend sein", hat Zeller gelernt, "bleibt in dieser Zeitspanne die Antwort aus, klickt der Kunde weg." Die Zielvorgabe des Online-Brokers lautet: "Alles muss unter sechs Sekunden gehen." Um derart rigide Vorgaben einzuhalten, bedarf es eines wirksamen Überwachungskonzepts.

Von Dezember 1998 bis Februar dieses Jahres behalf sich Offerto mit einer Lösung, die Zeller als "manuelle Überwachung" bezeichnet: Eine Wach- und Schließgesellschaft war beauftragt, nachts sowie am Wochende im Halbstundenrhythmus die Funktionsfähigkeit der Systeme pro Ort zu überprüften. "Die haben überall draufgeklickt, und wenn es nicht funktionierte, mussten sie eine bestimmte Nummer anrufen", erinnert sich Zeller.

Diese Dienstleistung kam Offerto teuer zu stehen: Anfangs lag der Preis bei 3500 Mark im Monat, doch mit dem Ausbau des Systems stieg er schnell an. "Heute wären wir sicher schon beim Doppelten oder Dreifachen angelangt", schätzt der Geschäftsführer.

Neben den Kosten hatte diese Lösung einen weiteren Nachteil: Der Nacht- und Wochenendwächter testete den Zugang nur von einem einzigen Punkt aus. Die Offerto-Nutzer greifen aber aus der gesamten Republik und aus dem europäischen Ausland auf die Web-Seite zu. Von daher wäre es sinnvoll gewesen, Funktionsfähigkeit und Performance aus Sicht unterschiedlicher Benutzer überprüfen zu lassen.

Anfang dieses Jahres hatte Offerto die Nase voll von der händischen Durchsatzkontrolle. Auf der Suche nach einer professionelleren Performance-Management-Lösung wurde Offerto dreifach fündig: bei den Dienstleistern Optimal Networks, Service Metrix und Mercury Interactive.

Die Wahl fiel auf das Service-Angebot "Topaz Activewatch" des letztgenannten Anbieters. Wie Zeller ausführt, sprachen zwei Gründe für den Anbieter, der hierzulande in Unterhaching bei München ansässig ist: Zum einen folgte Offerto damit einer Empfehlung des Application-Server-Lieferanten Allaire; zum anderen zeigten sich die Unterhachinger kooperativ, als es darum ging, das Angebot beim Kunden vor Ort zu testen.

Seit Anfang März überprüft Mercury im Auftrag von Offerto permanent die wichtigsten Prozesse der Website auf Funktionsfähigkeit und Durchsatz: Allein im Bundesgebiet simulieren sieben oder acht Server - im Fachjargon "Agenten" genannt - viermal pro Stunde einen "virtuellen User". Hinzu kommen Agenten in den meisten europäischen Ländern.

Jeder Agent stößt einmal pro Viertelstunde ein Dutzend von Offerto definierte Basisprozesse an; dazu gehören der Zugriff auf die Startseite, das Anschauen einer Rubrik und eines bestimmten Artikels, das Anbieten eines Auktionsgegenstandes und der Aufruf der persönlichen Nutzerstatistik. Lässt sich ein Vorgang nicht ausführen oder übersteigt die Antwortzeit mehrmals hintereinander die Acht-Sekunden-Schwelle, setzt der Server automatisch eine E-Mail ab, die als SMS-Nachricht auf dem Handy der jeweils verantwortlichen Offerto-Mitarbeiter erscheint. Die loggen sich in das System ein und versuchen, die Ursache für die Störung zu eruieren und eventuell zu beseitigen, bevor sie sich auswächst und potenzielle Kunden vergrault.

Wie Mercury-Interactive-Projektleiter Dieter Arnoth erläutert, werden zudem alle bei den Messungen gewonnenen Informationen in einer Datenbank gesammelt, auf die der Kunde via Browser zugreifen kann. Anhand dieser historischen Daten ist Offerto in der Lage, das Verhalten seiner Site langfristig zu überwachen.

Deutlich billiger als die "Handarbeit"Bedingt durch den Nutzerzuwachs, verschlechtern sich die Zugriffszeiten des Online-Auktionshauses etwa alle zwei bis drei Monate. Kurz nach der Einführung der Mercury-Interactive-Lösung machte sich wieder ein Engpass bemerkbar. Er ließ sich beim Datenbank-Server lokalieren. Daraufhin wurde die Hardware durch ein stärkeres Modell ersetzt.

In der Zwischenzeit nähern sich die Werte in den Hauptnutzungszeiten wieder der kritischen Acht-Sekunden-Marke. Diesmal will Offerto das Problem durch eine Optimierung der Datenbankzugriffe lösen. Dank der permanten Kontrolle und der daraus gewonnenen Zeitreihendaten lassen sich solche Zyklen präziser beobachten, was ein gezieltes Gegensteuern möglich macht.

Nicht nur auf der Funktions-, auch auf der Kostenseite stellt das Serviceabkommen für Offerto einen Gewinn dar: Die Gebühren belaufen sich auf 50000 Mark pro Jahr und liegen damit deutlich unterhalb dessen, was die "Handarbeit" der Wach- und Schließgesellschaft heute kosten würde.

Technik-FaktenEine hochleistungsfähige IT-Plattform bildet das Rückgrat des Online-Unternehmens Offerto. Eingesetzt wird ein NT-Cluster, der sich aus 36 Prozessoren mit zusammen 18000 Megahertz zusammensetzt Die Basis des Systems bilden zwölf mit 500 Megahertz getaktete Dual-Pentium-Web-Server mit "Cold Fusion" von Allaire als Applikations-Server. Sie greifen auf einen SQL-Server-Cluster zu, der redundant ausgelegt ist. Das Kernstück der Datenbank ist eine Achtfach-Xenon-Prozessormaschine von Intel mit Raid-System.

An das Internet angeschlossen ist Offerto mit einer 2x100-Mbit-Leitung. Die beiden Leitungen arbeiten unabhängig voneinander, so dass sie sich bei einem Ausfall gegenseitig ersetzen können. Notstromaggregate und 24-Stunden-Überwachung garantieren, dass Offerto ständig erreichbar ist. Zwei redundante Firewall-Systeme auf Linux-Basis schützen die User-Daten vor unberechtigten Zugriffen.