Pillen per Klick

Online-Apotheken bringen Arzneipreise in Bewegung

26.03.2008
Klick, Klick. Enter. Schon spuckt die Suchmaschine das Ergebnis aus. "40 Prozent Ersparnis. Das lohnt", sagt Andrea Schmidt.

Die 38-jährige Hamburgerin braucht ein Medikament gegen ihre hartnäckige Bronchitis. In der Apotheke um die Ecke kosten 100 Kapseln des Hustenlösers - wie vom Hersteller empfohlen - 26,81 Euro. Beim Online-Arzneihändler zahlt sie dafür 15,86 Euro. Um das knappe Familienbudget zu schonen, ordert die dreifache Mutter Arznei fast immer über Versandapotheken im Internet.

Andrea Schmidt gehört zu einer wachsenden Gruppe preisbewusster Verbraucher: Neun Prozent aller erwachsenen Deutschen kaufen inzwischen bei Online-Apotheken ein, wie die Forschungsgruppe Wahlen ermittelt hat. Denn vor allem in Internet ist der Wettbewerb in Gang gekommen, seit im Jahr 2004 die Preisbindung für rezeptfreie Medikamente aufgehoben wurde. Etliche kleine Apotheken haben nebenher Online-Shops eröffnet, auch der Drogerie-Discounter Schlecker ist gerade in den Versandhandel eingestiegen. Preissuchmaschinen wie medizinfuchs.de oder medipreis.de zeigen in Sekundenschnelle den günstigsten Anbieter und die Differenz zum Originalpreis.

Da unterbietet ein Apotheker im Schwarzwald plötzlich die Pillen-Platzhirsche in den Ärztehäusern von München, Mannheim oder Magdeburg. "Rezeptfreie Arznei kann bei Versandapotheken um bis zu 50 Prozent günstiger sein", sagt die Verbraucherschützerin Sabine Strüder. Meist kommen aber noch Versandkosten hinzu, die erst ab einer bestimmten Bestellsumme entfallen. Deshalb rät die Gesundheitsexpertin der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz: "Mengenrabatte sollten niemanden dazu verleiten, mehr Medizin als nötig zu kaufen." Ein Nachteil - vor allem bei akuten Erkrankungen - könne die Lieferzeit von bis zu drei Tagen sein.

Die Anonymität im Netz lockt zudem auch beim Arzneihandel Betrüger an - Medikamentenfälscher etwa. Sabine Strüder gibt Tipps, wie man diesen aus dem Weg geht: "Qualitätskriterien für Online-Apotheken sind, wenn diese ihre Adresse, Telefonnummer, allgemeinen Geschäftsbedingungen und die zuständige Aufsichtsbehörde im Impressum angeben." Außerdem sollte es eine Beratungshotline geben, die Bestellung verschlüsselt erfolgen. Auch Qualitätssiegel geben Aufschluss: Der Bundesverband deutscher Versandapotheken (BVDVA) etwa prüft seine Mitglieder und vergibt das Zertifikat "Sichere Versandapotheke". Und die Bundesregierung betont auf ihrer Website: "Für legale Versandapotheken gelten die gleichen hohen Maßstäbe im Hinblick auf Verbraucherschutz und Arzneimittelsicherheit wie für Apotheken vor Ort."

Für rezeptfreie Präparate gaben die Bundesbürger im Jahr 2007 rund 7,5 Milliarden Euro aus. Der Wettbewerb bei den frei verkäuflichen Tropfen, Salben oder Dragees funktioniert bislang allerdings nur beim Online-Versand. "Die niedergelassenen Apotheken halten sich in der Regel nach wie vor an die Herstellerpreise", stellt Verbraucherschützerin Strüder fest. Diese Tatsache hat auch das Bundeskartellamt auf den Plan gerufen: Die Wettbewerbshüter verhängten Anfang des Jahres Geldbußen gegen neun Landesapothekerverbände und zwei Pharmakonzerne wegen illegaler Preisabsprachen. Der Gedanke des Wettbewerbs habe sich bei Apothekern und Arzneimittelherstellern noch nicht ausreichend durchgesetzt, kritisierte Kartellamtspräsident Bernhard Heitzer.

Drei Tage nach der Online-Bestellung bei einer Apotheke im Frankenwald hat Andrea Schmidt ihre pflanzlichen Hustenlöser im Postkasten - ohne Beratung vom Apotheker, aber billiger. Die mitgeschickte Rechnung überweist sie am PC und schickt gleich eine neue Bestellung ab. Augensalbe für ihren Vater. Ersparnis zum Ladenpreis hier: 49,5 Prozent.

Der Arzneimittelmarkt in Deutschland

Im vergangenen Jahr gaben Verbraucher in Deutschland rund 37 Milliarden Euro für Arzneimittel aus. Nach Angaben des Marktforschungsunternehmens ACNielsen waren das 7,5 Prozent mehr als 2006. Vier von fünf Arzneien wurden auf Rezept in einer Apotheke gekauft. Auch rezeptfreie Medikamente wurden mehr als im Vorjahr erworben. Immer häufiger werden sie im Internet bestellt. Inzwischen nutzen der Forschungsgruppe Wahlen zufolge neun Prozent aller Erwachsenen Online-Apotheken.

Auch der Umsatz mit Produkten zur Selbstmedikation - keine Arzneimittel - stieg leicht an. Das Arzneimittelverzeichnis für Deutschland, die "Rote Liste", enthält mehr als 8800 Einträge. Darunter viele nur selten verwendete Medikamente. Nach Angaben der gesetzlichen Krankenkassen entfallen 90 Prozent der ärztlichen Verordnungen auf nur 1850 Mittel. Die Zahl der Apotheken in Deutschland ist mit rund 21.500 seit Jahren stabil. (dpa/tc)