3. Messenkongreß für Daten- und Textkommunikation in Düsseldorf:

Online 80 bestätigt Trend zu offenen Systemen

15.02.1980

DÜSSELDORF - Der Fachkongreß "Online 80" bestätigte den Trend zum Distributed Processing und zu "offenen" Kommunikationssystemen. Ein Netzwerk-Boom, so Albin Ockl, Geschäftsführer der veranstaltenden Online GmbH, werde allerdings auch in der Bundesrepublik noch dadurch verhindert, daß eine durchgängige internationale Normung ausstehe. Ockl: "Vor nationalen Zwischenlösungen schrecken die Hersteller aus Kostengründen verständlicherweise zurück."

Am "3. Messekongreß für Daten- und Textkommunikation" in Düsseldorf nahmen rund 800 Telekommunikationsexperten teil. Die den Kongreß begleitende Ausstellung wurde von rund 30 Herstellern beschickt. Während Ockl das Konzept des Messekongresses als richtungsweisend bezeichnete, gab es von den Ausstellern auch Kritik: "Der Kongreß tut gut daran, sich zu einem Spezialisten-Konvent zu entwickeln, damit die Flöten zuhause bleiben", moserte Rainer von der Dunk, Standleiter bei Bunker Ramo.

In seinem Eröffnungsreferat (Kurzfassung siehe Seite 6) wies Professor Karl Steinbuch auf die wachsende Bedeutung von Informations-Retrieval-Systemen hin: "lch bin überzeugt, wer die bessere Datenbank hat, wird auf allen Gebieten seinen Konkurrenten überlegen sein."

Erst am Anfang der Telekommunikationstechnik stehen wir nach Ansicht Steinbuchs, einer Entwicklung, die das menschliche Zusammenleben mehr verändern werde als irgendein anderer. Vorgang - abgesehen von der möglichen Zerstörung menschlichen Lebens durch Superwaffen. Und wenn auch Einigkeit darüber bestehe, daß die zukünftige Gesellschaft eine Informationsgesellschaft sein werde, so herrsche doch allgemeine Ratlosigkeit über die anzustrebenden Organisationsformen. Steinbuch wörtlich: "So nähern wir uns rasch der Möglichkeit, jeden Menschen an jedem Ort und zu jeder Zeit momentan in Ton, Bild oder Schrift zu erreichen - aber auch der Möglichkeit, ihn ständig zu überwachen."

Steinbuch kritisierte das "Programm der Bundesregierung zur Förderung von Forschung und Entwicklung im Bereich der technischen Kommunikation 1978 bis 1982".

Das Programm spiegele die allgemeine Situation; es sei "durch Ratlosigkeit bestimmt". Opinion-Leader Steinbuch betrachtet die eingeschlagene Richtung der Bundesregierung, die sozio-ökonomischen Auswirkungen der technischen Kommunikation erst wissenschaftlich zu untersuchen, mit großer Skepsis. Er glaubt nicht, daß durch theoretische Untersuchungen irgend etwas praktisch Brauchbares entsteht: " Schlimmer noch: Es steht zu befürchten, daß diese weiteren "wissenschaftlichen Untersuchungen" zur Legitimation vorfabrizierter politischer Absichten mißbraucht werden und notwendige technische Fortschritte blockieren." Vernünftiger sei es, Unklarheiten durch Pilotprojekte zu klären.

Moderatoren ziehen Bilanz: Bedeutungsvolles Meeting

Guido del Mestre, bei der Scientific Control Systems (SCS) GmbH, Frankfurt, zuständig für Rechnernetze und in Düsseldorf als Moderator der Vortragsreihe A tätig, räumt auf die Veranstaltung rückblickend ein: Etwas unterpräsentiert waren sicherlich Anwender und Beratungsunternehmen. Er glaubt, das große Interesse an diesem Kongreß sei darin begründet, daß derzeit an keiner Stelle ein vergleichbarer Überblick dieser Art über das aktuelle Angebot am EDV-Markt geboten werde.

Dies erkläre auch, daß 35 Prozent der insgesamt knapp 800 Teilnehmer Hersteller-Vertreter waren, die sich so im Schnellverfahren über das Angebot der Konkurrenz und der Deutschen Bundespost informieren konnten. Nach Beobachtungen von del Mestre ist es vielen Anwendern noch nicht gelungen, ihre Vorstellungen gegenüber den Herstellern auf der Basis eines vorausschauenden EDV-Konzepts aktiv zu formulieren. Ihm fiel auf, daß die Anwender die beeindruckende Vielfalt des dargestellten Angebots der Hersteller und der Post zwar schätzen, jedoch Schwierigkeiten sehen, das hinzugewonnene Wissen praktisch umzusetzen.

Hans W. Strack-Zimmermann, Leiter der Produktplanung Datenfernverarbeitung bei der Münchener Siemens AG, moderierte die Vortragsreihe B. Nach seiner Auffassung wurde durch die Tagung die zunehmende Verflechtung der Daten- und Textkommunikation zum Ausdruck gebracht. Strack-Zimmermann äußerte sich speziell zu den Kommunikations-diensten, so beispielsweise über das Bürofernschreiben:

"Der Abschluß der internationalen Normung dieses neuen Dienstes steht unmittelbar bevor. Die Bundespost will gemeinsam mit Herstellern diese Dienstleistung auf der Hannover-Messe 1980 demonstrieren. Wegen der hohen Rationalisierungsmöglichkeiten für den Anwender besteht starke Nachfrage nach einer leistungsfähigen Synthese zwischen Textkommunikation und Textverarbeitung. '

Zum Stichwort "Datennetze" vermerkt der Moderator: "Die Deutsche Bundespost wird Datex-P Mitte 1980 für den Probebetrieb zur Verfügung stellen. Der Regelbetrieb soll nach einer einjährigen Versuchsphase Mitte 1981 aufgenommen werden. Von besonderem Anwenderinteresse ist die Kommunikation zwischen Endgeräten unterschiedlicher Geschwindigkeit und der gleichzeitige Aufbau von vielen logischen Verbindungen zu unterschiedlichen Partnern über eine Anschlußleitung.

Behörden als Protokoll-Avantgardisten"

Alle Hersteller begrüßen in ihrer Aussagen die internationalen Anstrengungen für eine Standardisierung", konstatiert Strack-Zimmermann. "Die Rechnernetzarchitekturen der Hersteller würden allgemein an der Meßkette des ISO Architekturmodells in ihren Funktionen geprüft. Wegen der mangelnden Konkretisierung international genormter Protokolle seien aber konkrete Produkte nicht zu sehen. Eine nationale Zwischenlösung

für die Transport- und Verbindungsebene befinde sich unmittelbar vor einer Abstimmung im Behördenbereich. Zu diesem Vorgehen zeigten die nationalen DV-Hersteller eine positive Grundhaltung."

Wie Albin L. Ockl, Moderator der Vortragsreihe C, rückblickend meint, wurde deutlich, daß zur Zeit die für die Steuerung der Datennetze verantwortliche Software im zentralen Rechner und in den Kommunikationsrechnern nicht das erforderliche Instrumentarium zur Netzwerkdiagnose zur Verfügung stellt. Dieses werde heute von spezialisierten Unternehmen, die - meist amerikanische - Diagnosesysteme in Deutschland vertreiben, beim Anwender installiert.

Die Notwendigkeit von gut funktionierenden Netzwerkdiagnosesystemen sieht Ockl darin begründet, daß in großen Datennetzen häufig Systeme und Geräte verschiedener Hersteller zusammengeschaltet sind. Dadurch werde die Behebung von Fehlern, die nicht eindeutig lokalisiert werden können, erheblich erschwert.

Die Vorträge zeigten nach Ansicht Ockls folgende Entwicklungstendenzen:

Die Diagnosesysteme werden zusehends benutzerfreundlicher.

Größere Diagnosesysteme werden als technische Zentren, räumlich getrennt von Rechenzentren, installiert.

Die Software der Netzwerksteuerung im zentralen System wird in Zukunft in verstärktem Maße auch gebührenpflichtige Service-Funktionen der Netzwerkdiagnose anbieten, und es werden sicherlich auch verbesserte Diagnosehilfen von seiten der Deutschen Bundespost zur Verfügung gestellt.