Olsen und der LKW

16.09.1988

In der Unix-Frage wird Ken Olsen ganz nachdrücklich: Schreibtisch-Standards, nein danke - der Markt wird's schon richten. Die Geburtsmacke einer jeden Norm, so der DEC-Chef sinngemäß, sei technologische Lähmung. Bürokratie herrsche, wo Markt stattfinden sollte. Olsen: "Standardcomputer sind so interessant wie russische Lastkraftwagen."

Wir wissen nicht, ob Olsen jemals mit einem LKW sozialistischer Herkunft gefahren ist. Im Prinzip hat der Mini-Veteran ja recht: Wettbewerb hat noch allemal das bessere Sortiment produziert. Dann muß man sich wundern, warum gerade einige der innovativsten Computerfirmen - beispielsweise in der Vergangenheit Univac (Sperry), Honeywell, Burroughs, Control Data, Datapoint oder aktuell Norsk Data und Convergent Technologies - in Schwierigkeiten kommen konnten. Und warum ist es der IBM gelungen, die Anwender so zu manipulieren, daß sie Online-Datenverarbeitung mit 360/370-Maschinen betreiben?

Die Antwort kennt auch Ken Olsen: Herstellerstandards (Proprietary-Betriebssysteme etc.) lassen die Märkte verkümmern, verhindern, daß sich neue Märkte entwickeln. Die Pattsituation ist da. Nichts geht mehr. Die einzige Lösung liegt bei offenen Standards. Die zentrale Frage lautet: Warum kommen wir damit so schrecklich langsam voran?

Nun, mit der Uneigennützigkeit der Hersteller darf man nicht rechnen. Warum sollten IBM, DEC & Co. ohne Not auf ein bewährtes Mittel verzichten (siehe: Proprietary-Betriebssysteme), die Anwender in Abhängigkeit zu halten? Es gibt positive Zeichen: Sun Microsystems begann mit Unix - herausgekommen ist mehr als ein russischer LKW.