Hermes Precisa International AG:

Olivetti macht das Rennen vor Siemens

27.03.1981

YVERDON (sg) - Nach vorangegangenen, zum Teil recht heftigen Reaktionen der Schweizer Börse - allein in Zürich stiegen die Aktien auf über 600 Franken an - ist es jetzt, anders als erwartet, soweit gekommen, daß die Hermes Precisa International AG, bislang einziger Schweizer Computer-Hersteller, kein solcher mehr ist. Denn seit kurzem und unter Vorbehalt der Zustimmung der eilends einberufenen Aktionärsversammlung wird die Olivetti mit Hauptsitz in Ivrea (Italien) über etwas mehr als 50 Prozent des Stimmrechtes der Hermes verfügen.

Dr. Fritz W. Meyer, Delegierter des Verwaltungsrates von Hermes Precisa International AG, kommentiert die Vereinbarung so, daß "das Abkommen mit Olivetti für Hermes einen wichtigen Schritt in die Zukunft bedeutet. Hermes kann sich nicht nur auf einen Partner mit großer technologischer Erfahrung stützen, "sondern seine eigenen Stärken - hauptsächlich auf dem Gebiet seiner neuen elektronischen Schreibmaschinen - dank der gut aufgebauten Verkaufsorganisation von Olivetti besser ausspielen".

Die Hermes soll auch unter der bestehenden Geschäftsleitung weitergeführt werden und ihre Aktivitäten in Forschung und Entwicklung, Produktion und Verkauf aufrechterhalten.

Die Hermes Precisa-Gruppe, die derzeit 4000 Mitarbeiter beschäftigt, erzielte 1980 einen konsolidierten Umsatz von 275 Millionen Franken. Bei einem Cash-flow der Muttergesellschaft von 11,4 Millionen Franken belief sich das Netto-Resultat auf 2,5 Millionen Franken. Dagegen hat die Olivetti-Gruppe, der größte europäische Hersteller von Schreibmaschinen, Bürocomputern, Peripheriegeräten, Rechenmaschinen, Textverarbeitungsgeräten und ähnlichen Büromaschinen, 1980 einen Jahresumsatz von zirka 4 Milliarden Franken erzielt. In der Olivetti-Gruppe sind rund 54 000 Mitarbeiter beschäftigt.

Carlo de Benedetti, Delegierter des Verwaltungsrates der Olivetti, meint zum Abkommen mit Hermes Precisa: "Bedingt durch die wachsende Konkurrenz aus Amerika und Japan wird die Marktsituation für uns Europäer immer schwieriger. Wenn wir den Herausforderungen von morgen mit Erfolg begegnen wollen, so müssen wir unsere Position durch eine Konzentration der Kräfte zu einem Zeitpunkt festigen, wo unsere finanzielle Ausgangslage gesund ist. "Wir glauben, daß die Zusammenarbeit mit Hermes unser Verkaufspotential erheblich stärken wird. Die Forschung und Entwicklung der Hermes wird auch Olivetti zugute kommen."

Natürlich sieht man bei Olivetti auch darin einen Vorteil, daß sie selbst das Produktionsvolumen in jenen Bereichen wird steigern können, wo Hermes heute auf Zulieferanten angewiesen ist. Ein großer Teil dieser Geräte wird also zukünftig von Olivetti an Hermes geliefert. Ganz allgemein dürfte sich das Produktionsvolumen der beiden Gesellschaften erhöhen, wobei die Erzeugnisse weiterhin unter den Marken Olivetti und Hermes über die bestehenden Absatzkanäle angeboten werden.

Das Nachsehen bei diesem Geschäft scheint indes die Siemens AG zu haben, die an der Gerüchtebörse seit einiger Zeit als möglicher Kooperationspartner der Hermes gehandelt wurde - zumal mit dem Hause Siemens bereits konkrete Formen einer limitierten Kooperation im Schreibmaschinen-Sector bestanden haben.