Olap sprengt Grenzen von ERP und Excel

30.08.2006
Von Karsten Oehler 
Mit Online Analytical Processing lässt sich auch eine flexible Kostenrechnung realisieren.
Olap-Werkzeuge eignen sich nicht nur zum Vertriebs-Controlling. Sie gestatten es dem Anwender auch, über mehrdimensionale Daten flexible Verrechnungen abzubilden.
Olap-Werkzeuge eignen sich nicht nur zum Vertriebs-Controlling. Sie gestatten es dem Anwender auch, über mehrdimensionale Daten flexible Verrechnungen abzubilden.

Bereits in den 50er Jahren wurden die ersten Batch-orientierten Programme zur Unterstützung der Abrechnung und der Kalkulation von Herstellkosten geschrieben. Kostenrechnungssysteme wurden mehr und mehr integraler Bestandteil von Unternehmenssteuerungssystemen, seit einigen Jahren als Enterprise Resource Planning (ERP) bezeichnet.

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Firmen wollen entscheidungsrelevante Kosteninformationen bereitstellen, verwenden hierzu allerdings oft PC-gestützte Programme: Immer häufiger werden Nebenrechnungen auf der Basis von Tabellenkalkulationen und Desktop-Datenbanken vorgenommen. Wenn die vorhandenen Kostenrechnungssysteme in ERP-Produkten so leistungsfähig sind wie die Hersteller sie beschreiben, warum greifen Unternehmen dann trotzdem zur PC-orientierten Kostenrechnung? Gerade die Integration und Aktualität ist bei ERP-Systemen vorbildlich, und ausgerechnet hier glänzen PC-Lösungen in der Regel nicht. Eine Integration der Kostenrechnung ist insbesondere dann gefragt, wenn Firmen die Lagerführung mit der Herstellkostenermittlung abstimmen müssen. Wenn zusätzlich noch konzernbezogene Deckungsbeiträge zu ermitteln sind, stoßen häufig selbst ERP-Systeme an ihre Grenzen.

Dynamik gefordert

Ein Grund, warum Anwender trotz bestehender ERP-Installation zu PC-Programmen greifen, liegt in der geforderten Dynamik, die transaktionsorientierte Kostenrechnungssysteme nicht oder nur unzureichend bieten können, weil sie dafür nicht gemacht sind. Ihre Stärken liegen darin, viele tausend Kostenträger und ein umfassendes Verrechnungsnetz zu verwalten.

In einem relativ statischen Unternehmensumfeld kann man sich langwierige ERP-Projekte durchaus leisten. Denn das, was man entwickelt, hat voraussichtlich noch in mehreren Jahren Bestand. Was ist aber, wenn die skizzierte Lösung nur für wenige Monate benötigt wird oder schon im Voraus bekannt ist, dass vielfältige Änderungen auftreten? In diesem Fall sind die in Stein gemeißelten Anwendungen nur bedingt tragbar.

Excel geht schnell

Das ist im Wesentlichen der Grund, warum viele Unternehmen davon abkommen, alles auf einer relativ starren Architektur zu entwickeln. Was dann häufig als alternative Plattform ausgewählt wird, erfreut allerdings nicht unbedingt den Kostenrechnungsexperten, denn die benötigte Verrechnungslogik wird meistens auf der Basis von Tabellenkalkulationen erstellt. Dies läuft in der Regel zunächst ganz erfolgreich, denn man kommt relativ schnell zu praktikablen Lösungen. Die im Vergleich zu ERP bestechende Lernkurve verlockt dazu, die Möglichkeiten noch weiter auszureizen.

Doch gewinnt man dadurch wirklich an Dynamik? Flexibler als ERP ist die Tabellenkalkulation am Anfang ohne Frage. Ein einigermaßen qualifizierter Controller ist in der Lage, relativ schnell auch unkonventionelle Verrechnungen zu implementieren. Änderungen werden häufig eher unstrukturiert und ad hoc eingebaut. Und dies erzeugt Probleme, da die Lösung irgendwann alles andere als flexibel ist.

Ist das System erst einmal im Einsatz, sind Veränderungen relativ schwer einzubauen. Und was noch stärker wirkt: Fehlerhafte Datenverknüpfungen treten auf, weil jede Verrechnung quasi ein Einzelprodukt ist und nur durch Kopieren zum Beispiel auf verschiedene Perioden oder Planstände vervielfältigt wird. Berater von KPMG haben herausgefunden, dass in 95 Prozent der untersuchten Anwendungen auf der Basis von Tabellenkalkulationen massive Fehler aufgetreten sind. Dies ist bei näherer Betrachtung nicht weiter erstaunlich: Kommt nachträglich eine Kostenstelle oder ein Produkt hinzu, müssen Anwender an unterschiedlichen Stellen nachbessern. Bei erfahrungsgemäß bescheidener Dokumentation sind Fehler vorprogrammiert. Insofern erscheint es sinnvoll, zwischen einer Konfigurations- und einer Anpassungsflexibilität zu unterscheiden. Nur bei der ersten Kategorie kann die Tabellenkalkulation glänzen.

Aber was hilft nun wirklich? Seit etlichen Jahren gibt es Online Analytical Processing (Olap), doch dass diese Technik auch für Kostenrechnung taugt, ist noch nicht allzu bekannt. Olap-Werkzeuge gestatten es, mehrdimensionale Informationen abzulegen und auszuwerten. Das häufigste Olap-Anwendungsfeld ist das Vertriebs-Controlling, bei dem Umsätze, Kosten und Deckungsbeiträge nach Regionen, Produkten, Vertriebswegen in beliebigen Kombinationen und beliebigen Verdichtungen abgerufen werden können.

Neben der mehrdimensionalen Datenverdichtung erlaubt Olap ferner, Verrechnungen abzubilden. Hier wird das Verfahren im Bezug auf typische Aufgaben der Kostenrechnung besonders interessant: Ein Betriebsabrechnungsbogen (BAB) mit umfassender Berechnung ist schnell definiert. Gleiches gilt für die Definition von Deckungsbeitragsrechnungen, Auftrags-, Projekt- oder Produktkalkulationen. Verrechnungen lassen sich im Allgemeinen in einer Zeile definieren. Eine Beispielregel für eine einfache Umlage lautet:

[Sekundäre Mietkosten] = [Primärkosten, Mietkostenstelle] * [Quadratmeter] / [Quadratmeter, "Alle Kostenstellen"]

Wenn eine Entlastung der Kostenstelle gewünscht ist, ändert sich die Vorgabe zu:

[Sekundäre Mietkosten] = IF (Kostenstelle = "Mietkostenstelle",

-[Primärkostenstelle, Mietkostenstelle], [Primärkosten, Mietkostenstelle] * [Quadratmeter] / [Quadratmeter, "Alle Kostenstellen"])

Das ist leicht verständlich und wird auch von Controllern normalerweise ohne weitere Erläuterung begriffen. Der große Vorteil gegenüber der Tabellenkalkulation liegt darin, dass die einmal definierten Regeln automatisch für neue Kostenrechnungsobjekte gültig sind. Wird also eine neue Kostenstelle eingefügt, ist die so definierte Umlage immer noch gültig. Dies klingt für Nutzer von ERP-Systemen trivial, denn eine Verrechnung ist dort auch entsprechend implementiert. Für Tabellenkalkulationen ist dies allerdings nicht selbstverständlich. Auch wenn letztendlich nur wenige Anpassungen für eine einzelne Verrechnung in der Tabellenkalkulation vorgenommen werden müssen, steigt bei solchen Eingriffen das Risiko, etwas zu übersehen. Zudem vollziehen Anwender diese Anpassungen am laufenden System.

Neue Kalkulationsobjekte

Die Vorteile von Olap gegenüber einer Tabellenkalkulation sind also relativ einfach deutlich zu machen. Aber worin liegt der Vorteil gegenüber einer ERP-orientierten Kostenrechnung? Entscheidend ist, dass der Nutzer leicht neue Kalkulationsobjekte und Verrechnungen anlegen kann. Als Beispiel soll hier die Diskussion um die Prozesskostenrechnung dienen.

In den 90er Jahren waren Scharen von Beratern damit beschäftigt, Kostenstellenstrukturen als Prozesse umzudefinieren, um die bestehende Kostenstellenrechnung auch für eine Prozesskostenrechnung verwenden zu können. Allerdings lag der Charme der deutschen Variante der Prozesskostenrechnung darin, nicht pro Teilprozess an die Kostenträger zu verrechnen, sondern erst Prozesse zu Hauptprozessen zu verdichten und die dann wiederum an die Kostenträger zu verrechnen. Ansonsten wird eine Prozesskostenrechnung zu komplex. Die meisten der verfügbaren Kostenstellenrechnungssysteme konnten allerdings nur auf der Basis einer einzelnen Kostenstelle verrechnen, nicht aber auf Grundlage einer verdichteten Kostenstelle, weil hier keine Leistungsgröße angelegt werden konnte. Dies hatte die Konsequenz, dass eine Hauptprozesskalkulation nur über Verrechnung auf eine Pseudokostenstelle "Hauptprozess" möglich war und nicht über eine einfache Verdichtung, was die Komplexität deutlich erhöhte. Olap-Lösungen weisen keine solchen Einschränkungen auf, da sich in der Regel auf jeder Ebene beliebige Verrechnungen vornehmen lassen.

Olap ist kein Königsweg

Ist Olap also der Königsweg für alle Belange der Kostenrechnung? Nein. Denn etwas kann Olap nur ganz schlecht beziehungsweise gar nicht: klassisches Buchen mit einer Soll- und Habenbelastung. Das heißt, dass eine Olap-orientierte Kostenrechnung eher kalkulatorischer Natur ist. Das ist gleichzeitig allerdings genau ihre Stärke. In einem Transaktionssystem ist es damit möglich, simulative Verrechnungen anzustrengen, ohne den gesamten Wertefluss neu zu strukturieren. Insofern wird man in vielen Fällen zwei sich ergänzende Strukturen brauchen. Geht es um eine nachweispflichtige Herstellkostenkalkulation, werden Anwender auf bewährte ERP-Strukturen zurückgreifen. Auch die Lager- und Work-in-Progress-Bewertung sind Fälle, bei denen sich normalerweise die etablierten Strukturen eignen.

Somit geht es nicht um die Ablösung etablierter und (hoffentlich) funktionierender Abrechnungsflüsse, deren Fokus auf der Bereitstellung von handelsrechtlich relevanten Bewertungen liegt. Vielmehr ergänzt Olap die abrechnungsorientierte Kostenrechnung durch ein Werkzeug, mit dem sich zeitlich begrenzte Abrechnungsflüsse bereitstellen lassen. (fn)