Ohnmacht gegenüber den Maschinen

11.03.1977

"Irrtum und Richtigstellung vorbehalten!" heißt es am Ende der DIN-A 4-"Rechnung über den Verbrauch von Strom-Gas-Wasser" der Stadtwerke München. Die Jahresendabrechnung ist ein Gewirr von einem Dutzend OCR-A-Rechnungszeilen mit je 14 vollen Spalten. "Erläuterungen siehe Rückseite!" Wer wirklich nachvollziehen will, welche Beträge warum erhoben werden, braucht sehr viel Zeit und versteht dann immer noch nicht alles. "Ausgleichabgabe aus A!" heißt es zum Beispiel. Nur, was A ist, wird nirgendwo erläutert.

Noch ärgerlicher die Mitteilung der Volksfürsorge, Deutsche Sachversicherung AG, zu den Tarifänderungen in der Kraftfahrtversicherung - natürlich auch per Computer "Für Ihren o. a. Vertrag ergeben sich folgende Änderungen": Dann heißt es zweimal "Bisheriger Betrag" und "Neuer Betrag". Warum und weshalb wird nirgendwo erläutert. Nachfrage beim Versicherer ergab, daß Änderungen in der Schadensfreiheits-Klasse anteilig bereits bei den neuen Beitragssätzen berücksichtigt wurden. Nur, wer soll das ahnen können? Man kann natürlich schlicht dem Computer glauben, der wird schon keinen Fehler machen. Zu Recht aber wird der verärgert sein, dessen Fahrzeugteilversicherung um mehr als das Dreifache erhöht wurde, ohne daß es auf der entsprechenden Computer-Mitteilung eine verständliche Erklärung gibt, die deutlich macht, daß hier tatsächlich kein Fehler vorliegt. Aber das kostet wohl zuviel Programmieraufwand und Maschinenzeit. Motto: "Friß oder kündige. Bei der Konkurrenz ist es auch nicht anders."

Unsitten bei den Rechnungen

Die allgemeine Computerisierung des Rechnungswesens hat wirklich zu einigen Unsitten geführt, die Anlaß zum Nachdenken geben. So hat der Bundeskanzler kürzlich öffentlich die Datenverarbeiter gerügt (CW Nr. 10 vom 4. März 77, Gesetz gegen EDV-Chinesisch), weil er einige seiner per EDV erstellten Rechnungen nicht mehr verstehen und nachvollziehen kann. Für viele Menschen entstehe ein "unbestimmtes, unheimliches Gefühl, an Maschinerien ausgeliefert zu sein, die man nicht durchschaut, und die man schon gar nicht nachkontrollieren kann". Schmidt beklagte sich vor allem über seine Wasserrechnung: "Ich habe die Computer-Sprache nicht entziffern können. Einiges war offenbar mit Absicht verschleiert", erklärte er in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung, in der er eine ähnliche gesetzgeberische Initiative ankündigte, wie sie gegen das ,,Kleingedruckte" in Geschäftsverträgen im letzten Jahr abgeschlossen wurde. Es steht einer Regierung immer gut an, sich zum Anwalt der Verbraucher zu machen.

DV als Wettbewerbsvorteil

Sicherlich sind pauschale Verdächtigungen nicht gerechtfertigt und schon gar nicht die Unterstellung - die es so ja auch nicht gab -, Datenverarbeiter würden Dinge mit Absicht verschleiern. Meist sind auch gar nicht die DV-Spezialisten die "Schuldigen", sondern die Fachabteilungen, die allerdings oft genug argumentieren, per EDV gehe das nicht anders. Und manch Datenverarbeiter meint sich verdient gemacht zu haben, wenn er dies den Sachabteilungs-Laien so klargemacht hat, daß sie sich mit zweitbesten und drittschlechtesten Lösungen zufriedengeben.

Da wirkt dann auch das schlechte Beispiel anderer. Wenn es die Konkurrenz oder das andere staatliche Monopol nicht besser macht, braucht man sich nicht anzustrengen, dann wird die schlechte Lösung zum Standard.

In der freien Wirtschaft sollte das eigentlich anders sein. Datenverarbeitung könnte einen Service für den Runden bringen, der zum Wettbewerbsvorteil wird.

Wenn sich die schwarzen Schafe nicht bessern, wird die Gesamtheit der Wirtschaft unter neuen Reglementierungen durch Gesetze zu leiden haben. Wenn aber schon Gesetze angestrebt werden, dann sollten vor allem die ins Visier genommen werden, die nicht im freien Wettbewerb stehen oder diesen durch brancheneinheitliches Auftreten weitgehend ausgeschaltet haben.