Ohne Subventionen: Die Zukunft, ein finsteres Loch

02.03.1979

Überraschen konnte das kategorische Nein des Bundesforschungsministers in München zu einer - wie in den drei gelaufenen DV-Programmen gehabt - weiterlaufenden Produktförderung niemanden. Dennoch: Die Industrie hat's offensichtlich bis jetzt noch nicht verwunden, so scheint es uns, daß nun endgültig Schluß sein soll mit industriepolitisch wirksamer Subvention. Zumal das, was jetzt läuft, eben doch "nur soziale Aspekte" hat, mit aller Verquastheit des Ausdrucks. Lediglich die Siemens AG steht stolz zu ihrem Wort, "sie werde sich der Herausforderung durch den Markt stellen". (War das bisher anders?) Daß aber unterdessen der Druck der Amerikaner auf den deutschen Markt eher zugenommen hat, dies ist bei der ganzen Diskussion um den Zeitpunkt des "Take offs" verdrängt worden. Auch Hauff sagte dazu kein einziges Wort. hö

Martin Hebel,

Verkaufsdirektion Computersysteme, Triumph/Adler-Büromaschinen- und -Computergruppe, Nürnberg

Mit dem frühzeitigen Auslaufen der EDV-Forderung ergibt sich für die gesamte deutsche Computerindustrie bekanntermaßen eine verschlechtert Wettbewerbssituation - vor allem gegenüber den US-Firmen der Branche. Diese Situation gilt es zu bewältigen, wobei heute nur schwer

zu beurteilen ist, ob und wie weit das allen betroffenen Unternehmen

gelingen wird.

Auch wenn die Entscheidung für die Einstellung der produktbezogenen Förderungsmittel inzwischen gefällt wurde, sollte die Bundesregierung stets denken, daß gerade von den deutschen EDV-Anbietern erhebliche Leistungen auf dem Gebiet der Software zu erbringen sind, die weltweit nicht entsprechend honoriert werden.

Durch die zu erbringenden US-Standards ist eine deutliche Wettbewerbsverzerrung zugunsten amerikanischer Computerfirmen unverkennbar.

Der Appell an die Bundesregierung mußte demnach lauten: Es ist zu prüfen, in welcher Form eine weitergehende Förderung auf dem Gebiet der Software-Erstellung für die deutsche EDV-Industrie möglich ist.

Walter Heimann

Unternehmensbereich Daten- und Informationssysteme, Geschäftsbereich Datenverarbeitung, Siemens AG, München

Zur aktuellen Situation der Förderung durch die Bundesregierung möchten wir folgendes Statement abgeben: In voller Übereinstimmung mit den jüngsten Erklärungen des Bundesministers für Forschung und Technologie möchten wir betonen, daß die Unterstützung der Bundesregierung eine wesentliche Rolle bei der erfolgreichen Realisierung einer eigenständigen und selbständigen DV-Industrie in der Bundesrepublik Deutschland gespielt hat.

Das Engagement der Bundesregierung begrüßen wir zum derzeitigen Zeitpunkt, besonders unter anderem wegen der jüngsten einseitigen Verschärfung der Wettbewerbssituation. Wir werden uns dieser Herausforderung stellen und wie bisher der ständig wachsenden Zahl unserer Kunden und Interessenten deutlich machen, daß wir sie erfolgreich meistern.

Auch der Minister hat in diesem Sinne seinem Vertrauen in die technische Leistungsfähigkeit der Siemens AG Ausdruck gegeben. Daher seien auch weitere DV-Programme bisheriger Art nicht erforderlich. Die Schwerpunkte staatlicher Aktivität werden in Zukunft im sogenannten Informatikbereich liegen, der der Infrastruktur zugerechnet werden muß. Den Hintergrund dieser Schwerpunktverschiebungen bilden Entwicklungen die die Informatik in größere Zusammenhänge einbetten.

Sachlich umfaßt die Informatik alle Bereich, die für die wachsende Nutzung von Informationen für die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft von Bedeutung sind.

Norbert Plesch

Abt. Produkt- und Systemplanung, Kienzle Apparate GmbH, Villingen

Wir gehen davon aus, daß nach der Ende 1979 auslaufenden speziellen Förderung der Datenverarbeitung durch die Bundesregierung weitere Maßnahmen in diesem Bereich getroffen werden. Wie aus den Äußerungen des BMFT zu vernehmen ist, ist an eine abrupte Beendigung der DV-Förderung nicht gedacht, sondern es sollen die laufenden Entwicklungen innerhalb geförderter Projekte zu Ende geführt werden. Die eigentlichen Förderungen allerdings sollten dann nicht mehr mit 1. Priorität die reine DV betreffen, sondern sich verstärkt in Richtung "Informationstechnologie", orientieren. Da wir bei Fragen des "Distributed Processing" erst am Beginn der Entwicklung stehen, müssen in vielen Bereichen erst einmal die Voraussetzungen für diese neue Technik geschaffen werden. Eine Aufgabe, die Hersteller und Anwender gleichermaßen betrifft.

Die weitere Entwicklung der dafür notwendigen Werkzeuge und Systemlösungen muß möglichst rasch erfolgen, will man die Wettbewerbsfähigkeit wie die Sicherung der Arbeitsplätze nicht aufs Spiel setzen. Deshalb kann auf eine sinnvolle Forderung der Informationsverarbeitung aus gesamtwirtschaftlichem Interesse zumindest in den nächsten Jahren nicht verzichtet werden. Wir würden es aus diesem Grund sehr begrüßen, wenn folgende Förderschwerpunkte in ein neues Förderungsprogramm aufgenommen werden könnten.

Allgemeine Förderbereiche

- Unterstützung der Anwenderschulung beim pilotmäßigen Einsatz neuer DV-Technologien (DV-Organisationsstrukturen).

- Integration diverser Organisations- und Büroarbeiten (hier kann es Überschneidungen geben mit dem Förderungsprogramm "Humanisierung des Arbeitslebens - Schwerpunktbereich Büroarbeit")

- Ermittlung von Bestimmungsgrößen für integrierte Informationsverarbeitungssysteme und Organisationsstrukturen ab Mitte der 80er Jahre.

Spezielle Förderbereiche

a) Hardware/Systemsoftware

- Entwicklung anwendungsbezogener Rechnerarchitekturen

- Entwicklung benutzergerechter Endgeräte

- Entwicklung moderner Datenein- und ausgabetechniken

- Systemintegration

- Vermittlungstechniken (Netzwerke)

- Entwicklung assoziativer Speicherzugriffstechniken

- Entwicklung moderner Wartungssystematiken (Fern-Wartungssysteme)

- Entwicklung von modularen Betriebssystemen für die Datenverwaltung und den Datenschutz

b) Anwendersoftware

- Entwicklung von Techniken zur Herstellung modularer Softwarepakete

- Entwicklung geeigneter Verfahren industriell strukturierter Softwareproduktion

- Entwicklung einfacher anwendungsfreundlicher Abfrage- und Suchsprachen

- Entwicklung von speziellen Anwenderprogrammen für den Export (Inlandsmarkt ist zu eng, um kostendeckend Software produzieren zu können)

Damit alle Maßnahmen greifen können, ist es wünschenswert, daß der Bund selbst als größter Anwender mehr Augenmerk auf die Koordination beim Einsatz von Computerleistung legt, das heißt eine bessere interministerielle Zusammenarbeit forciert. Hier sollte sich unserer Meinung nach der Förderkreislauf schließen, indem die Systeme, die durch das BMFT als förderungswürdig bezuschußt werden, künftig verstärkt bei öffentlichen Ausschreibungen berücksichtigt werden. Auch sollte sich die Gesetzgebung mehr an den Möglichkeiten einer künftigen Informationstechnologie orientieren. Hier ist in starkem Maße auch die Bundespost angesprochen, die durch ihre Gebührenordnung sowie den Ehrgeiz, selbst in den Dienstleistungssektor als Anbieter von Endgeräten (zum Beispiel Telefax) einzutreten, nicht gerade den Aufbau von Rechnernetzwerken erleichtert. Es bleibt hier noch einiges zu tun, um die technischen Möglichkeiten zum Wohle aller voll zur Wirkung kommen zu lassen.

Helmut Rausch

Mitglied des Vorstandes, Nixdorf Computer AG, Paderborn

Die politische Aufgabe der DV-Förderung war es, in der

Bundesrepublik die Chancen für einen weitgehend unabhängigen Zugriff auf eine wesentliche Schlüsseltechnologie zu entwickeln und abzusichern. Dies ist in wichtigen Teilbereichen gelungen. Der massive Angriff, den IBM als monopolartiger Welt-Marktführer zur Zeit startet, läßt jedoch die Grenzen solcher Bemühungen erkennen.

Ich vertrete seit langem die Meinung, daß eine staatliche Förderung sich nicht auf Forschung und Entwicklung beschränken darf, sondern durch marktbezogene flankierende Maßnahmen ergänzt werden muß Angesichts der Tatsache, daß Nachrichtentechnik und DV immer mehr zur Informationstechnologie verschmelzen, gilt diese Forderung umso mehr.

Der Umgang mit und der Zugriff auf Informationen wird immer deutlicher zu einem wesentlichen Kriterium für die Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft. Informationstechnologie ist zu einer essentiell wichtigen Schlüsseltechnologie geworden, deren Beherrschung und Anwendung vom Staat nachdrücklich gefördert werden müssen. Das Auslaufen der DV-Förderung darf also nicht bedeuten, daß die Entwicklung im Informationsbereich sich selbst überlassen werden kann. Ich plädiere vielmehr mit Nachdruck dafür, möglichst schnell zu einer Informationspolitik aus einem Guß zu kommen. Einer Politik also, die sich mit den Chancen und Erkennungen der neuen Technologien beschäftigt Einer Politik, die unsere Industrie flankierend unterstützt.

Konkret heißt dies:

1. Novellierung des Fernmelde-Anlagengesetzes von 1928, das heißt Liberalisierung des sogenannten "Sprach- und Datengeräte-Bereiches".

2. Größere Freiräume bei der Markterprobung neuartiges, technologischer Entwicklungen.

3. Verstärkte Ausrichtung der staatlichen Technologie-Politik auf dezentralisierte, überschaubare Anwendungen in Richtung auf Job-Enrichment und mehr Bürgernähe.

4. Neues Konzept für eine informationstechnologische Gesamtpolitik als frankierende Maßnahme des Staates. Das heißt für die staatliche Förderpolitik, zum Beispiel: Verbund der bisher isolierten Programme, technische Kommunikation, Bauelemente, Drittes Datenverarbeitungsprogramm, Humanisierung der Arbeitswelt und Informations- und Dokumentationsprogramm.

5. Reform unserer Aus- und Weiterbildungssysteme in Richtung Praxisorientierung.

6. Bessere Methoden und Organisationstechniken für die Gestaltung der Arbeitsplätze.

7. Überprüfung des Rundfunk-Begriffes.

Unter solchen Bedingungen hoffe ich, daß die Nixdorf Computer AG auch in neuen staatlichen Überlegungen eine wichtige Rolle spielt.