"Ohne Sprachkenntnisse ist man einsam"

07.05.2002
Von in Ingrid
São Paulo, Newcastle und London - Birgit Kredel absolvierte bei Siemens ein internationales Trainee-Programm und konnte dabei reichlich Auslandserfahrung sammeln.

"Das Trainee-Programm war ein glücklicher Zufall für mich, denn ich hatte nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften an einen Direkteinstieg gedacht", so die heute 32-Jährige. Sie lernte Siemens als Werkstudentin kennen, doch vom internationalen Trainee-Programm erfuhr sie erst im Vorstellungsgespräch.

Birgit Kredel
Birgit Kredel

Das Siemens Graduate Program (SGP) stellt hohe Ansprüche an die Teilnehmer. Neben viel Eigeninitiative sollten die interessierten Hochschulabsolventen überdurchschnittliche Noten mitbringen, fachlich und sozial kompetent sein und bereits über erste internationale Erfahrungen durch das Studium oder in Praktika verfügen. In den zwei Programmjahren bereiten sie sich auf eine konzernweite Karriere vor. Durch die Auslandserfahrungen verfügen die Teilnehmer anschließend über ein globales Firmennetzwerk, das für spätere Führungsaufgaben wichtig ist. Außerdem können sich die Absolventen anschließend sicherer auf dem internationalen Parkett bewegen und haben bereits ihre Flexibilität unter Beweis gestellt.

São Paulo für Anfänger

Für jeden Teilnehmer gehört mindestens eine Station von acht Monaten in einer ausländlichen Niederlassung dazu. Im Rahmen des gewählten Ausbildungsschwerpunktes müssen sich die Trainees selbst um eine passende Projektstelle kümmern. Birgit Kredel entschied sich für ein Projekt in São Paulo. "Die möglichen Schwierigkeiten habe ich ein wenig unterschätzt", gibt sie heute zu, "denn das Land war damals, 1996, erst seit fünf Jahren für ausländische Investoren geöffnet, und in Brasilien funktioniert doch einiges anders als hier."

Eigeninitiative wird im gesamten Programm groß geschrieben. Zwar stellt Siemens anfangs noch ein Hotelzimmer und zahlt die Taxirechnungen, doch die Teilnehmer sollen sich spätestens nach vier Wochen selbständig machen, beispielsweise eine Wohnung suchen, und ihr Leben eigenständig organisieren. "Ich bin nur mit geringen Sprachkenntnissen nach Brasilien gegangen. Den notwendigen Sprachkurs konnte ich aufgrund von Zeitproblemen vorher nicht machen. Außerdem wurde mir Englisch als Projektsprache genannt. Heute weiß ich, dass ich die Sprache hätte besser lernen müssen, denn der Alltag gestaltet sich ohne wirklich gute Brasilianischkenntnisse äußerst schwierig, und man ist relativ einsam. Eine Wohnung habe ich schließlich über Bekannte gefunden. Dazu musste ich mir noch die passenden Möbel und ein Auto kaufen", so Kredel.

"São Paulo war eine wichtige Erfahrung für mich, aber die Stadt brachte mich doch öfter an meine Grenzen." Nachdem sie die Kniffe des brasilianischen Alltags gemeistert hatte, wurde ihr Projekt auf Eis gelegt, und Kredel musste sich für die verbleibenden Monate ein neues Projekt suchen. Fündig wurde sie in England, und dort wartete auf die angehende Expertin für Projekt-Management gleich eine neue Herausforderung. "In Newcastle arbeitete ich auf einer Baustelle, das hieß als einzige Frau mit 35 Männern im Baucontainer", erzählt sie mit einen leichten Augenzwinkern. "Es war eine prima Zeit", so Kredel, "die direkte Sprache auf der Baustelle hat mir gut gefallen."

Eigeninitiative wichtig

Anstatt nach der letzten Station ihres Trainee-Programms nach Erlangen zurückzukehren, blieb sie in England und wechselte nach London. Dort baute sie das globale Account-Team für British Telecom mit auf. Für Birgit Kredel bedeutete das Trainee-Programm den Grundstein für eine interessante Karriere. Von London aus ging sie für vier Jahre in die Schweiz, und heute steht ihr Schreibtisch in der Konzernzentrale in München. Nach Tipps für Absolventen mit internationalen Ambitionen gefragt, meinte sie: "Ich würde nie mehr ohne Sprachkenntnisse ins Ausland gehen."