Interview mit dem Ethernet-Erfinder

"Ohne Kollision kennt Ethernet kein Tempo-Limit"

12.06.1998

CW: Mit welchen Erwartungen gingen Sie ursprünglich an die Entwicklung von Ethernet?

METCALFE: Das konkrete Problem bestand damals darin, alle PCs, die wir im Palo Alto Research Center von Xerox Corp. bauten, mit dem Laserdrucker zu verbinden, den wir dort ebenfalls herstellten. Diese Aufgabe fiel mir zu.

CW: Sie dachten damals also nur an die Druckeranbindung?

METCALFE: Ja, Ethernet als LAN-Standard kam mir erst im Februar 1979 in den Sinn. Also etwa sechs Jahre später. Ins Rollen kam die Geschichte während eines Meetings mit Gordon Bell (von Digital Equipment). Er fragte mich, ob ich für DEC ein lokales Netz bauen könne, ohne die Xerox-Patente zu verletzen. Und da hatten wir folgende Idee: "Warum schreiben wir nicht einen Brief an Xerox und schlagen ihnen vor, gemeinsam einen Standard zu erarbeiten, anstatt die ganze Arbeit noch einmal zu machen?" Dadurch erreichte das Projekt eine neue Dimension. Etwa im Juni 1979, nachdem ich Intel, DEC und Xerox an einen Tisch gebracht hatte, war ich daher davon überzeugt, daß Ethernet großes Marktpotential haben würde. Daraus resultierte wiederum die Gründung von 3Com - die Firma sollte diesen neuen Markt bedienen. Wohlgemerkt: Das war erst 1979 der Fall, nicht 1973, als Ethernet das Licht der Welt erblickte.

CW: In welche Richtung entwickelt sich Ethernet Ihrer Meinung nach? Gibt es eine Geschwindigkeitsbegrenzung für die Technologie?

METCALFE: Derzeit sind wir bei Gigabit Ethernet. Danach geht es aber noch weiter, mancherorts laufen die Entwicklungsarbeiten schon. Ich glaube, wir werden irgendwann bei Terabit Ethernet landen.

CW: Was überraschte Sie bei der bisherigen Entwicklung des Ethernet-Verfahrens am meisten?

METCALFE: Daß es so ein Senkrechtstarter war. Schon vor einigen Jahren gab es mehr als 100 Millionen Anschlüsse, und 3Com hat sich mittlerweile zu einer Sieben-Milliarden-Dollar-Company entwickelt. Das waren schon zwei ziemliche Überraschungen.Darüber hinaus hat mich verblüfft, wie häßlich der Prozeß der Standardisierung ist und was für ein Wettbewerb um eine zu schaffende Norm entbrennt.

CW: Glauben Sie, daß Ethernet auch den 50. Geburtstag feiert, oder gehört das Verfahren im Jahr 2023 dann zum alten Eisen?

METCALFE: Ethernet hat sich in bezug auf die Geschwindigkeit ständig weiterentwickelt. Wechselt man von Shared- zu Switched-Umgebungen und eliminiert die bei dem Verfahren sonst typischen Kollisionen, gibt es theoretisch keine Begrenzung.