Ohne Großrechner-Hilfe bleibt Mikro-Leistung eingeschränkt, dennoch:Mikro-Technologie färbt auf Mainframe-DBs ab

15.11.1985

Fast alle großen Datenbanksysteme sind nur auf Mainframes zu gebrauchen, das Gros davon auf IBM- und kompatiblen Rechnern. Denn leistungsfähige Mini- und Mikrocomputer sind noch relativ jung und Datenbanksysteme 80 komplex und derartige "CPU-Fresser", daß man höchste Rechnerleistung benötigt. Dennoch gibt es Wege, wie man dezentral am Personal Computer auf die zentrale Datenbank des Unternehmens zugreifen kann.

Mainframes sind im Laufe der Zeit höchst umfangreiche Gebilde geworden, insbesondere in puncto Software-Architektur. Versucht man, auf dieses komplexe Gebilde ein ebenso komplexes Datenbanksystem mit vielen Speicherungsmethoden, Zugriffstechniken oder Verkettungsmechanismen "oben drauf" zu setzen, so ist das Ergebnis ein Gesamtsystem, das nur von (besonders qualifizierten) DV-Spezialisten gehandhabt werden kann. Nicht umsonst gehören "DB/DC-Spezialisten" für ein paar hierzulande verbreitete Datenbanksysteme zu den meistgesuchten und bestbezahlten EDV-Fachleuten.

Interfaces führen zum üblichen "ECLG-Weg"

Zu der Schwerfälligkeit der Datenbanksysteme aufgrund ihrer Architektur und Einbettung kommt noch die Tatsache, daß die meisten von ihnen nur über komplizierte Schnittstellen bedient werden können. Hat der DV-Fachmann diese schließlich begriffen, so geht jede noch so kleine Anwendung den langen "ECLG-Weg": Edit, Compile, Link, Go. Bei manchen Datenbanksystemen sind darüber hinaus noch umfangreiche Vorbereitungen in Data-Dictionaries und ähnlichem erforderlich. Dies ist ein Grund dafür, warum man allerorten vom "Anwendungsstau" spricht.

Andererseits ist die Hardware-Entwicklung der letzten Jahre gekennzeichnet von einer drastischen Verschiebung in Richtung Mini- und Personal Computer und vom Schlagwort der "Computerleistung am Arbeitsplatz". Statt sich als "Time-sharing"-Benutzer des großen Zentralsystems zu bedienen und sich damit dessen Komplexität auszusetzen, bieten die "dezentralen" Mikros eine relativ einfach überschaubare Arbeitsumgebung.

Hinzu kommt eine andere Notwendigkeit: Da der PC heutzutage der "Computer für jedermann" sein soll, mußte seine Benutzerschnittstelle dem Normalverbraucher angepaßt werden. Es ist daher nicht von ungefähr, daß die PCs mit ihrer Software die Vorreiter für moderne Endbenutzerschnittstellen geworden sind. Programme wie Smalltalk, Multiplan, Lotus 1-2-3, Open Access haben Maßstäbe für Endbenutzerschnittstellen gesetzt.

Mittlerweile ist eine Gewöhnung der Computer-Benutzer an die von den PC gesetzten Standards eingetreten, und so lassen sich auch für Datenbank-Retrieval-Systeme Forderungen aus diesen Standards ableiten.

Im Datenbankbereich haben die Hersteller von Personal Computern und entsprechender Software sehr schnell einen anderen Weg beschritten. In Kenntnis der Problematik mit Datenbanksystemen auf Mainframes haben sie eigene, auf Mikros lauffähige "Datenbanksysteme" realisiert die sich weniger auf Speicherungs- und Zugriffstechniken als vielmehr auf das Endbenutzer-Interface konzentriert haben. dBase II ist hierfür ein bekanntes Beispiel.

Die Ergebnisse sind faszinierend und werden von den Verkaufszahlen belegt: Auch ein EDV-Laie kann sehr schnell "seine" Datenbank aufbauen auf einfache Weise Abfragen starten und Reports produzieren. Die Nachteile liegen auf der Hand: Die Systeme sind nur für sehr kleine Datenmengen geeignet, man darf sich nicht daran stören, Indizes selbst aktualisieren zu müssen. Das als Verkaufsargument benutzte Schlagwort von der relationalen Datenbank darf man nicht zu ernst nehmen.

Im Datenbankbereich hat die moderne Hardwaretechnologie noch einen anderen Weg genommen: die Entwicklung der Datenbankrechner. Diese Entwicklung ist eine Auswirkung der Dezentralisierung und der Spezialisierung von Hardwarekomponenten, so gibt es heute Front-end-Rechner, Back-end-Rechner und "Server" für sehr spezielle Zwecke: Drucker-Server, LAN-Server oder WAN-Server. Der Datenbankrechner ist nichts anderes als ein Server für Datenbankmanagement. Vertreter dieser neuen Gattung von Rechnern sind die Intelligent Database Machine (IDM) von Britton Lee und dem Aachener Systemhaus GEI, Intels iDBP sowie ICLs CAFS.

Der oben erwähnte Nachteil von Datenbanksystemen, CPU-Fresser zu sein, wird durch die Datenbankrechner behoben: Man verlagert einfach die Last vom Anwendungsrechner in den Spezialrechner, der auf den Zweck des Datenbankmanagements zugeschnitten ist. Gleichzeitig kann man damit die gesamte Datensicherungsproblematik, das Datenschutzsystem sowie die Problematik der Datenkonsistenz (zum Beispiel bei gleichzeitigem Zugriff vieler Benutzer) vom Anwendungsrechner weg und in den Datenbankserver hineinverlagern.

Die Konsequenz: Der Anwendungsrechner braucht sich nicht um das Datenbankmanagement zu kümmern, sondern kann für eine optimale Gestaltung des Benutzerinterface genutzt werden. Damit erst wird es möglich, daß auch PCs als vollwertige Anwendungsrechner eingesetzt werden, die in puncto Endbenutzerschnittstelle den Mainframes einige voraus haben. Und die Beschränkungen hinsichtlich Datenmengen und Transaktionsraten entfallen ebenfalls: In einem Netzwerk mit beispielsweise einer IDM als Datenbankserver kann jeder PC auf Daten in der Größenordnung von 10 Gigabyte zugreifen.

Mit dem Konzept des Datenbankrechners hat man nun die Möglichkeit, eine Endbenutzersoftware so zu konstruieren, daß sie auch von echten Endbenutzern angewendet werden kann. Der Mikro am Arbeitsplatz ist sowohl für die Unterstützung da, die nicht auf die zentrale EDV angewiesen ist (Textverarbeitung, Spreadsheets), er erlaubt aber auch im Rahmen seiner Berechtigung den Zugriff auf die globale Unternehmens-Datenbank.

Die wichtigste Klasse von Anwendungen stellen "Online-Anwendungen" dar, bei denen der Endbenutzer über seinen Bildschirm mit dem Rechner kommuniziert. Das äußere

Erscheinungsbild dieser Klasse ist meistens geprägt von "Masken", "Screens" oder "Menüs", also "Formularen" auf dem Bildschirm, die vom Benutzer ausgefüllt oder komplettiert und zum Rechner übertragen werden.

Bei Online-Anwendungen ergeben sich zwei Fragestellungen:

- Wie und mit welchem Aufwand kann man eine solche Anwendung, das heißt die Bildschirmmasken und die zugehörige Anwendungslogik, erstellen? Kann der Endbenutzer dies selbst tun?

- Wie gestaltet sich die Benutzung einer fertigen Anwendung?

Die erste Frage ist bei vielen Datenbanksystemen damit zu beantworten, daß die Online-Anwendung in einer höheren Programmiersprache programmiert werden muß, meist unter Benutzung eines sogenannten "TP-Monitors". Dabei kann schon der Aufbau einer Bildschirmmaske eine aufwendige Sache sein. Dies kann also nur der Programmierer, nicht aber der Endbenutzer.

Und gleich zur zweiten Frage: Die Benutzung der programmierten Anwendung ist so einfach oder so schwierig, wie sie vom Programmierer realisiert wurde.

Es gibt hingegen auch moderne Endbenutzersoftware, mit der ein Endbenutzer seine Online-Anwendung selbst realisieren, seine Bildschirmmasken selbst aufbauen und damit die Benutzung selbst gestalten kann. Als ein Beispiel dafür sei das System "Freeform" genannt, ein Masken- und Anwendungsgenerator mit folgenden Merkmalen:

- Die Erstellung und Gestaltung der Masken erfolgt online.

- Masken sind jederzeit online änderbar.

- Jeder Schritt wird durch Help-Texte unterstützt.

- Eine Standardmaske läßt sich mit nur drei Angaben erstellen, dem Maskennamen, dem Datenbanknamen und Relationennamen; diese Standardmaske ist sofort benutzbar.

- Für jedes Feld einer Maske kann eine Reihe von Optionen gesetzt werden.

- Für jedes Feld einer Maske läßt sich eine individuelle Anwendungslogik definieren: Pre-Processing, Verify-Processing und Post-Processing.

- Für jedes Feld einer Maske läßt sich ein individueller Help-Text einrichten.

- Man kann an jeder Stelle von einer in eine andere Maske springen.

Durch ein einfaches RUN ist jeder Schritt sofort online ausführbar und damit testbar.

Freeform und ähnliche Produkte basieren dabei auf folgender Philosophie: Die Datenbank ist vorhanden, und ihre Struktur sowie die der Relationen und Felder sind im zentralen Data-Dictionary festgehalten. Bei der Erstellung einer Anwendung kann man also auf diese Daten zurückgreifen, womit man mit wenigen Angaben eine lauffähige Anwendung bekommt. Es erfolgt eine automatische Verbindung von Feldern der Maske mit den Feldern der Datenbank. Mit einem eigenen Editor versehen, stellt Freeform eine komplette Entwicklungsumgebung dar.

Jede Maske kann sofort dazu benutzt werden, Data-Entry zu machen oder Abfragen zu starten. Bei Abfragen können in die Felder der Masken beliebige Qualifikationen in beliebiger Kombination eingesetzt werden. Die Endbenutzersoftware produziert selbst die entsprechenden Querles für die Datenbank. Gefällt eine Maske nicht, so ist sie zu beliebigem Zeitpunkt umzugestalten, ohne daß die Anwendungslogik davon berührt würde.

Mikro Techniken bei "großen Brüdern" noch nicht ausgereift

Bei der Benutzung der Maske werden Feldinhalte sofort nach Eingabe geprüft. Plausibilitätsprüfungen des "Verify-Processing" werden sofort ausgeführt, womit fehlerhafte Eingaben vermieden werden. Die integrierte Help-Funktion ermöglicht auch dem ungeübten Benutzer die Verwendung dieses Systems.

Neben die hier beschriebenen Masken- und Menütechniken treten in jüngerer Zeit neue Techniken wie die "Ikonen-Technik", die "Zoom-Technik" sowie die "Multi-Window-Technik". Solche Techniken, die bei kleinen Datenbanken auf dem Mikro oft schon angewandt werden, sind bei ihren großen Brüdern noch in der Entwicklung.

Während sich die Datenbanktechnologie allmählich auf einen Fixpunkt konzentriert (das Relationenmodell), gibt es im Bereich der Endbenutzersoftware noch sehr viel zu tun.

Da sich Datenbanktechnologie und Endbenutzersoftware aber nicht mehr trennen lassen, seien ein paar abschließende Forderungen für beide genannt:

- Es bedarf billiger, weitverbreiteter Transportsysteme, über die Daten transportiert werden können. Btx ist beispielsweise ein solches Medium.

- Es müssen neue Hardwaretechniken, insbesondere neue Eingabemedien berücksichtigt werden. Dazu gehört zum Beispiel die "Maus", die oft an die Stelle der üblichen Eingabetastatur treten kann.

- Es müssen "Technik-ferne", "Anwender-nahe" Applikationsgeneratoren entwickelt werden, die sich an den echten Bedürfnissen der Endbenutzer orientieren.

- Dietmar Bothe ist Vertriebsleiter Datenbanken bei dem Aachener Systemhaus GEI.