Customer-Relationship-Management/Ein perfekter Zugriff nützt nicht, wenn die Qualität der Daten schlecht ist

Ohne Datenhygiene kein CRM

10.10.2003
Daten sind für jedes Unternehmen ein wertvolles Gut. Systematisch sammeln Firmen das Wissen über ihre Kunden. Die Qualität dieser Informationen ist jedoch häufig zweifelhaft. Damit bleiben nicht nur Geschäftspotenziale ungenutzt - eine schlechte Datenqualität gefährdet auch den Erfolg von CRM-Projekten. Von Mark Heijkers*

Customer-Relationship-Management (CRM) hat seit den Hype-Jahren einige Entwicklungsphasen durchgemacht. Zunächst wurde es als technisches Thema verstanden, was sich oft als fatal erwies und zu unzähligen gescheiterten Projekten führte. Inzwischen haben die Unternehmen begriffen, dass Kundenorientierung eine Frage der Unternehmenskultur und Kundenbeziehungspflege eine Frage strategischer Geschäftsprozesse ist. Theoretisch sollten durch diese Erkenntnis nun alle CRM-Projekte ein optimales Ergebnis liefern. Leider hapert es häufig noch an einer Kleinigkeit: den Daten.

Informationen über die eigenen Produkte, über die Märkte und vor allem über die Kunden sind in zahllosen Systemen abgelegt und werden zu fast allen wichtigen Entscheidungen herangezogen. Analysewerkzeuge wie CRM-Systeme bedienen sich der gesammelten Daten und geben auf dieser Basis Handlungsempfehlungen ab. Wie gut diese Daten sind, steht jedoch auf einem anderen Blatt: So kommt es fast täglich vor, dass Minderjährige Angebote für Lebensversicherungen erhalten oder einzelne Haushalte mehrmals mit dem gleichen Mailing beglückt werden. Wenn schon die grundlegende Kundeninformation nicht stimmt, misstrauen Kunden und Mitarbeiter auch anderen Daten im System. So schätzt zum Beispiel das amerikanische Data Warehouse Institute, dass der US-amerikanischen Wirtschaft durch schlechte Daten jährliche Kosten in Höhe von 600 Milliarden Euro entstehen. Und die Marktforscher der Meta Group sind der Ansicht, dass 90 Prozent aller Geschäftsentscheidungen aufgrund mangelhafter Datenqualität suboptimal ausfallen.

Fehlerquellen gibt es viele

Das Thema Datenqualität hat mehrere Facetten: Zum einen sind manche Daten einfach falsch. So bemühen sich zum Beispiel Kunden, die online Formulare ausfüllen, in Sachen Rechtschreibung oder Tippfehlerkorrektur meist nur wenig. Oder sie machen falsche Angaben, da sie dem Geschäftspartner nicht völlig vertrauen. Noch kritischer sind Fehleingaben, die organisationsintern passieren. In der Hektik kann es auch im besten Call-Center vorkommen, dass Kundendaten nicht vollständig erfasst oder falsch in die Datenmasken eingetragen werden. Bei Inkonsistenzen und Lücken in den Kundeninformationen besteht die Gefahr, dass Cross- und Up-Selling-Potenziale unerkannt bleiben. Im schlimmsten Fall sinkt die Kundenzufriedenheit - genau das sollte jedoch das CRM-Engagement verhindern.

Als besonders fatal können sich Dubletten erweisen. Oft ist ein und derselbe Kunde mehrfach in verschiedenen Systemen und unter unterschiedlichen Namensvarianten gespeichert. Dass er dadurch bei Marketing-Aktionen übermäßig bedacht wird, ist das kleinere Problem. Viel schwerer wiegt, wenn Verkaufschancen mehrfach im System hinterlegt werden. Ist der Kunde etwa ein Großabnehmer oder interessiert er sich für ein sehr teures Produkt, wird der Forecast des Vertriebsleiters zur peinlichen Makulatur.

Das Problem redundanter Informationen hat bei CRM-Projekten zentrale Bedeutung. In der Regel finden sich die relevanten Daten verteilt über mehrere Datenbanken, die oft auch noch unterschiedlichen Zuständigkeitsbereichen zugeordnet sind. So ist zum Beispiel ein vierköpfiger Haushalt bei einer Bank in drei oder mehr Geschäftsbereichen Kunde - jede Person wird extra geführt. Ein vollständiger Blick auf diese Familie als einen einzigen, facettenreichen Kunden ist ohne konsolidierte Daten nicht möglich.

Falsche, unvollständige oder redundante Information helfen also nicht dem Geschäft, sondern behindern es. Unzulängliche Daten haben zudem zur Folge, dass die eigenen Mitarbeiter das CRM-System, das sie eigentlich bei ihrer Arbeit unterstützen soll, kaum akzeptieren. Ferner steigt der Aufwand für die Suche nach Informationen im System an, je weniger genau diese vorliegen.

Datenbereinigung reicht nicht

Mit speziellen Tools können jedoch die gesammelten Daten eines Data Warehouse oder eines CRM-Systems wesentlich verbessert werden. Das geschieht zum einen durch die Bereinigung, das "Data Cleansing". Dieses Verfahren ist zwar weit verbreitet, kann aber natürlich nur greifen, wenn überhaupt Daten vorhanden sind. Somit muss an eine Datenqualitätslösung die Forderung gestellt werden, fehlende Informationen soweit möglich selbst zu ergänzen und Daten selbständig auf ihre Plausibilität zu prüfen.

Das Prinzip der Datenergänzung und Plausibilitätsprüfung beruht darauf: Die vorhandenen Datensätze werden vom System automatisch gegen Tabellen abgeglichen. Diese Tabellen beinhalten zum Beispiel Angaben darüber, wie in einem Land ein Adressfeld aufgebaut ist, wie Telefonnummern üblicherweise getrennt werden oder wie sich eine korrekte Anrede im Geschäftsverkehr zusammensetzt. Auch Tabellen, die Namen und Geschlecht zuordnen, sind für die Informationsqualität hilfreich. Idealerweise gibt es bei einem System zur Datenqualitätssicherung solche Tabellen für jedes Land und jeden Kulturraum, mit dem ein Unternehmen Geschäftsbeziehungen pflegt. Eine Lösung sollte es darüber hinaus unbedingt ermöglichen, Informationen von Dritten wie etwa des Wirtschaftsinformations-Anbieters Dun & Bradstreet zu integrieren. Hier gibt es zahlreiche spezialisierte Firmen, die zum Beispiel demografische Daten bereitstellen. Auch typische Interessenprofile einzelner Zielgruppen können zugekauft und in die eigenen Datensätze integriert werden.

Je tiefer dabei das Datenqualitätssystem in das CRM integriert ist, desto einfacher wird die Qualitätskontrolle. So lassen sich alle Eingaben sofort prüfen, wodurch Fehleingaben oder Dubletten gar nicht erst den Weg ins Data Warehouse finden. Zweifelhafte Informationen werden dem Sachbearbeiter nochmals vorgelegt. Das ist weniger aufwändig, als große Data Warehouses nachträglich von Dubletten und dergleichen zu bereinigen.

Manche mehrfach geführte Kunden, etwa einzelne Töchter eines großen Konzerns oder regionale Niederlassungen, sind keine echten Dubletten. Dazu kommt, dass doppelte Einträge selten völlig identisch sind. Hier helfen nur Lösungen, bei denen sich die Kriterien frei definieren und granular einstellen lassen. Um etwa trotz der verschiedenen Schreibweisen des Namens "Maier" einen mehrfach angelegten Kunden dieses Namens zu finden, ist die Möglichkeit zur unscharfen Suche ein Muss. Erst der Vergleich mehrerer Datenfelder auf partielle Übereinstimmung bringt hier Klarheit. Doch ohne manuelle Nacharbeit geht es bei der Dublettenjagd nicht. Zwar lässt sich ein Großteil der redundanten Einträge automatisch aufspüren, doch für nicht eindeutige Fälle ist ein sachkundiger Mitarbeiter gefragt. Wieder das Beispiel einer Familie: Sollen diese Personen als ein Kunde geführt werden? Oder ist es in diesem speziellen Fall nicht sinnvoller, einzelne Mitglieder des Hauhalts auch als separate Kunden zu betreuen? Je genauer sich in einem Datenqualitätssystem hierfür Regeln definieren lassen, desto geringer fällt der personelle Aufwand aus.

Auf Unternehmen und IT-Abteilungen, die bereits über bestehende Data Warehouses verfügen, kommt hier ein erheblicher Aufwand zu. Ein günstiger Zeitpunkt für die Datenbereinigung ist zum Beispiel der Start einer neuen CRM-Lösung. Die Kosten für hochwertige Daten sollten dabei als Teil des gesamten CRM-Projekts gesehen werden: Erst ein guter Input ermöglicht es, aus dem CRM-System wertvolle Informationen zu gewinnen.

Bestände komplett evaluieren

In der letzten Projektphase, bevor das neue System in den produktiven Betrieb geht, sind alle Parameter der Datenerfassung in der Regel definiert. Wird nun eine Datenqualitätslösung in das CRM-System integriert, lassen sich die Datenbestände auf diese Bedingungen hin evaluieren und gegebenenfalls ergänzen. So kann verhindert werden, dass relevante Informationen, die für das CRM-System als wichtig erachtet werden, bei der Datenprüfung übersehen werden. Die Prüfung und Konsolidierung selbst erfolgt im Batch-Verfahren.

Sind die Daten zum Produktivstart der CRM-Anwendung in bester Ordnung, wird durch die Echtzeitprüfung sichergestellt, dass keine lückenhaften Datensätze ins System gelangen. Auch Dublettenkontrollen sind bereits während der Dateneingabe möglich. Umfangreiche Bereinigungen im Batch-Betrieb sollten dennoch hin und wieder stattfinden, zum Beispiel wenn mehrere Datenbanken zu einer konsolidiert oder größere Mengen an Records angelegt werden.

Kundendaten sind Wirtschaftsgut

Daten sind keine abstrakte Größe. Unternehmen müssen die Informationen über ihre Kunden als ein Wirtschaftsgut begreifen, das nur durch Pflege den bestmöglichen Ertrag bringen kann. Erst dann leisten analytische Systeme das, was sie sollen. "Müll rein - Müll raus" - auf diese griffige Formel lässt sich der Effekt schlechter Daten bringen. (rg)

*Mark Heijkers ist Business Development Manager Emea (Europa, Naher Osten und Afrika) bei Trillium Software.

Angeklickt

Nutzt ein Anwenderunternehmen in seinem CRM-System mangelhafte Daten, besteht im schlimmsten Fall die Gefahr, dass die Zufriedenheit der Kunden nicht steigt, sondern abnimmt. Firmen sollten ihre Informationen daher nicht nur säubern. Sie müssen darüber hinaus dafür sorgen, dass keine falschen oder unvollständigen Daten ins System gelangen können.