Warum der FEP ein Flop werden kann:

Ohne Analyse ist der Erfolg zweifelhaft

22.02.1980

"Auf den Zentralrechner unseres Online-Systems laufen inzwischen so viele Anfragen zu, daß wir insgesamt gesehen heute schon deutlich längere Antwortzeiten haben als noch vor einem Jahr. Außerdem sachaffen wir es nur noch ganz selten, die üblichen Batch-Arbeiten im Zwei-Schicht-Betrieb abzuschließen. Bei den Terminalbenutzern und beim Operating ist die Verärgerung mittlerweile schon beträchtlich" Diese oder ähnliche Klagen dürften vielen Anwendern sehr vertraut sein. Als Lösung für dieses Problem wird häufig der Einsatz eines Front-End-Prozessors oder Vorschaltrechners als Stein des Weisen betrachtet.

Die Gründe dafür scheinen plausibel: Weiß man doch, daß ein solcher Front-End oder FEP den zentralen Rechner von einer ganzen Reihe von TP-Aktivitäten entlasten kann.

Da sind zum Beispiel:

- Leitungssteuerung:

Polling, Start-/Stop-Übertragung, Empfangsbestätigungen

Joachim Adler: Konsequenzen für die Antwortzeiten

- Zeichen- und Nachrichtenaufbau: Sammeln der bitweise von der Übertragungsleitung eintreffenden Zeichen, Aufspalten der Zeichen in Bitströme für die Übertragung auf der Leitung, Erkennen von Kontrollzeichen.

- Datenkonvertierung: Umsetzen des Datenübertragungscodes in den internen Code des Zentralsystems.

- Daten- und Nachrichtenaufbereitung: Anwendungsorientierte beziehungsweise übertragungsorientierte Umformatierung der Nachrichten.

- Fehlerprüfung: Feststellen und Korrigieren von Übertragungsfehlern.

- Nachrichtenpufferung: Zusammenfassen mehrerer Nachrichten und Übergabe an den Zentralrechner, Zwischenspeichern von Nachrichten in Spitzenzeiten .

- Nachrichtenvermittlung: Vermittlung von Nachrichten zwischen einzelnen Terminals oder Rechnern des Netzwerkes, die keine Bearbeitung durch den Zentralrechner benötigen.

Leistungsmäßig bedeutet diese Übernahme eine Entlastung des Hosts von seiten des Arbeitsspeichers und der CPU, da eine Reihe von TP-Routinen jetzt im Arbeitsspeicher des Front-Ends liegt und dort zur Ausführung kommt.

Eher Verschlechterung der Antwortzeiten

Genau an dieser Stelle liegt aber auch die Begründung dafür, daß in vielen Fällen durch einen Front-End keine Verbesserung der Antwortzeiten erreicht wird, sondern eher eine Verschlechterung:

Betrachtet man die überwiegende Anzahl der angebotenen Front-End-Prozessoren, so stellt man fest, daß diese über eine nur sehr schwache CPU-Leistung und geringe Speicherausbaufähigkeit verfügen.

Von wenigen Ausnahmen abgesehen, haben viele der als Front-Ends zum Einsatz kommenden DFÜ-Rechner Befehlsausführungszeiten im Bereich von etwa drei bis fünf Ás, dies befähigt sie, im Mittel nicht mehr als 0.2 bis 0.3 MIPS (Million Instructions Per Second) zu leisten. Die Arbeitsspeicher sind sehr häufig auf Größen von nur 64 bis 256 KB beschränkt, eine Tatsache, die die Anzahl der übernehmbaren TP-Routinen auch limitiert.

Was für Konsequenzen ergeben sich daraus für die Antwortzeiten?

In einem System ohne Front-End-Prozessor setzt sich die Antwortzeit aus zwei Komponenten zusammen, aus der

- Verweilzeit im Host und der

- Verweilzeit im Netz.

Bei einem System mit Front-End-Prozessor kommt als weitere Komponente die

- Verweilzeit im Front-End hinzu.

Die Verweilzeit im Netz hängt im wesentlichen von den gewählten Übertragungsgeschwindigkeiten und den vom Nachrichtenaufkommen bestimmten Leitungsbelastungen ab; sie wird nur wenig vom Einsatz eines Front-Ends tangiert.

Daraus resultiert: Ein Front-End-Prozessor bringt dann Verbesserungen des Antwortzeitverhaltens, wenn die Summe der Verweilzeiten im Host und Front-End kleiner ist als die Verweilzeit im Host allein in einem System ohne Front-End.

Wann tritt diese Situation ein?

Es ist eine bekannte Tatsache, daß eine Systemverweilzeit sich zusammensetzt aus der

- Bedienungszeit für eine Anforderung und der

- Wartezeit, die sich durch Konflikte mit anderen konkurrierenden Anforderungen an die Ressourcen des Systems ergibt.

Solche Wartezeiten wachsen exponentiell mit steigender Auslastung der einzelnen Systemkompontenten

Man erkennt, daß eine Verbesserung des Antwortzeitverhaltens dann eintritt, wenn die Entlastung des Host durch Herunternahme von TP-Routinen auf den FEP die Verweilzeiten auf den Host stärker reduziert als die neu hinzukommende Verweilzeit auf dem Front-End beträgt.

Da diese Verweilzeit auf dem Front-End sich aber auch ihrerseits wiederum aus einer Bedienungszeit und einer lastabhängigen Wartezeit zusammensetzt, tritt der Effekt ein, daß in einem leistungsschwachen Front-End die Bedienungszeiten sehr lang werden, somit die Auslastung steigt und somit die Wartezeiten ebenfalls ansteigen.

Dieser Effekt läßt dann den durch Entlastung des Host erzielten Zeitgewinn völlig in den durch den Front-End hinzukommenden Zeitverlängerungen verschwinden.

Dem Einsatz eines Front-End-Prozessors sollte also unbedingt eine Analyse der Host-Auslastung und der Leistungskenndaten des geplanten Front-End-Prozessors vorangehen.

Joachim Adler ist Fachberater bei Sperry Univac in Sulzbach/Taunus.

Obige Darstellung ist ein Auszug aus dem von ihm bei der GES-Gesellschaft für Elektronische Systemforschung mbH, Allensbach, mitentwickelten Trainings Package "Programm- und System-Tuning".