Der Offshore-Markt/Trotz deutscher Zurückhaltung: Erfahrungen lohnen sich

Offshore ist einfacher geworden

07.11.2003
International liegt Offshore-Outsourcing im Trend. Deutsche Firmen tun sich mit solchen Softwareprojekten noch schwer.Von Axel Schwarz*

Während Offshore-Outsourcing in den USA ein fester Bestandteil der IT-Entwicklungslandschaft geworden ist, befindet sich diese standortübergreifende Art der Projektabwicklung in Deutschland noch ziemlich am Anfang. Einige Firmen arbeiten zwar, teilweise schon seit Jahren, mit Softwareentwicklern aus Ländern, wie Indien, Polen, Ungarn und Weißrussland. So richtig Fuß fassen wird Offshore-Outsourcing, zumindest gemäß Analystenmeinungen, erst in den kommenden Jahren. Dass sich deutsche Unternehmen mit solchen Projekten schwer tun, hat mehrere Gründe, die sich jedoch alle ändern lassen.

Sprache: "Unsere Umgangssprache ist Bayerisch, wir akzeptieren maximal noch Deutsch"; so gesagt in einem mittelgroßen Münchner Versicherungskonzern. Dass bei einer solchen Einstellung Offshore keine Chance hat, versteht sich von selbst, aber auch in Unternehmen mit internationaler Ausrichtung tut man sich mit dem Englischen nicht immer leicht. Offshore-Projekte brauchen einen zweisprachigen Koordinator. Nur ein Deutscher weiß, was ein Deutscher im Englischen möglicherweise missversteht. Weiterhin muss darauf geachtet werden, dass Schnellsprecher gezügelt werden und dass die Ergebnisse von Telefongesprächen am Ende wiederholt werden. Zudem bedeuten deutsche Handbücher für Projekte mit englischsprachigen Offshore-Softwareentwicklern sowie deutscher Entwicklungscode mit deutschen Kommentaren erst einmal einen Overhead, der durchaus zehn bis 15 Prozent des Projektaufwands ausmachen kann. Nicht selten entsteht jedoch im Zuge dieser akribischen zweisprachigen Wissensakquise für den Kunden erstmalig auch eine vollständige und hochwertige Dokumentation. Die Weiterentwicklung des deutschen Codes und die Abfassung der Dokumentation geschehen meist in Englisch. Eine Rückübersetzung würde weder ökonomisch noch technologisch Sinn geben.

Kultur und Mentalität: Als der Inder Shailesh für ein Projekt nach Deutschland kam, war sein Koffer randvoll gefüllt mit vegetarischen Lebensmitteln. Auch wenn unbestritten ist, dass die Deutschen gerne Fleisch essen, war diese Vorsichtsmaßnahme etwas übertrieben. Aber diese Art von Missverständnissen ist symptomatisch zwischen unterschiedlichen Kulturen. So müssen deutsche Projekt-Manager auch immer beachten, dass indische Kollegen sehr hierarchiebezogen arbeiten und dass ihnen ein "Nein, das geht so nicht" oder "Ich habe das nicht verstanden" wohl so gut wie nie über die Lippen kommen wird. Man muß schon auf eine andere Art und Weise vorgehen, um nicht in fatale Fallen zu tappen. Auch kommt es - jedoch mit deutlich abnehmender Tendenz - vor, dass Teammitglieder aus unterschiedlichen Kasten nicht oder nur unzureichend miteinander kommunizieren. Ferner nehmen auch prozessbessene indische Projektleiter das Controlling nicht so wichtig wie ihre deutschen Kollegen. Das Denken in Gesamtzusammenhängen passt ebenfalls mehr zur deutschen Mentalität. Deutlich wird, wie wichtig der deutsche Brückenkopf bei solchen Onsite/Offshore-Projekten ist, um die motivierten und häufig sehr gut ausgebildeten Offshore-Mitarbeiter in die richtigen Bahnen zu lenken. Erst dann wird man mit hoher Qualität und besten Ergebnissen belohnt.

Von Anfang an offen unterstützen

Gesetze und Bestimmungen: An erster Stelle ist in diesem Zusammenhang der Schutz von personenbezogenen Daten zu nennen. Gemäß den europäischen Datenschutzrichtlinien dürfen solche Daten nicht außerhalb der EU beziehungsweise sicherer Drittstaaten bearbeitet werden, also zum Beispiel nicht in Indien. Abhilfe können da nur anonymisierte Datenbestände in Testumgebungen oder eine entsprechende Arbeitsteilung mit dem Onsite-Team schaffen. Ein weiteres deutsches Thema ist der weitreichende Einfluss von Betriebsräten und Arbeitnehmervertretungen. Sie stehen Offshore-Partnerschaften misstrauisch gegenüber, da sie um interne Arbeitspätze fürchten. Deshalb hält das Managment entsprechende Initiativen oft möglichst lange geheim, statt sie, wie es nötig wäre, von Anfang an offen zu unterstützen. Es empfiehlt sich, einen "Offshore-Beauftragen" einzusetzen, der "Kümmerer", "Mittler" und "Botschafter" zugleich sein sollte. Offshoring sollte immer eine strategische Entscheidung sein. Nur auf kurze Sicht bezogen sind die Investitionen in den Aufbau einer solchen Partnerschaft zu hoch.

Einsparungen von 20 bis 40 Prozent setzen eine fertige Kommunikationsverbindung und ein eingespieltes Verfahren voraus; sie sind meist erst ab dem zweiten Projekt zu realisieren. Arbeitserlaubnis und Aufenthaltsgenehmigung für die ausländischen Kollegen sind dank Green-Card-Initiative der Bundesregierung kein großes Problem mehr. Zudem wird die Auslegung der Vorschriften für Business-Visa recht großzügig gehandhabt, was insbesondere einen temporären Einsatz, das bedeutet bis zu drei Monate, eines Offshore-Mitarbeiters vor Ort beim Kunden erheblich vereinfacht.

Wenn man von ausländischen Unternehmen Software programmieren lässt, so hat dieses neben Währungsimplikationen sehr oft auch steuerliche Auswirkungen. Je nach Vertragsinhalt stellen zum Beispiel die Abzugssteuern für das Unternehmen echte Mehrkosten dar, die in den Preisverhandlungen mit den ausländischen Softwareanbietern berücksichtigt werden sollten.

Alle diese vermeintlichen Hindernisse sind mittlerweile bekannt und längst auch behebbar geworden (siehe Grafik "Es geht jetzt besser"). Die Angst, die Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren, der enorme Kostendruck und der chronische IT-Entwicklungsstau der letzten Jahre erweisen sich heute als Motor einer neuen Offenheit. Beispiele wie Daimler-Chrysler, Deutsche Bank oder Allianz überzeugen und finden Nachahmer. Auch das Marketing stimmt mittlerweile, wie man unschwer an der Artikelflut der letzten Monate zum Thema Offshore-Outsourcing erkennen kann. (bi)

*Axel Schwarz ist Mitglied der Geschäftsleitung der Covansys Deutschland GmbH in München.

Um drei Jahre verspätet

Derzeit werden auf dem heimischen Markt für Offshore-Dienstleistungen im IT-Bereich rund 500 Millionen Dollar ausgegeben. Weltweit sind es immerhin 15 Milliarden Dollar, zwei Drittel dieser Leistungen erbringen indische Firmen.

Nach Einschätzung von Branchenkennern hinkt Deutschland den USA und Großbritannien bei dieser Entwicklung um etwa drei Jahre hinterher.

Abb: Viele Barrieren sind gefallen

Vor der Entscheidung zur Offshore-Partnerschaft sind häufig interne Hindernisse zu überwinden; sie werden aber zunehmend geringer. Quelle: Covansys