Mangelhafte Integration angeprangert

Office-Systeme lassen noch immer viel zu wuenschen uebrig

19.03.1993

Sieht man sich die Entwicklungsspruenge der Datenverarbeitung und die damit realisierten Anwendungen an, so faellt auf, dass mittlerweile die Dekade der verteilten Informationssysteme vorherrscht. Hier stellt sich die Frage, wie auf die veraenderte Technologie im Rahmen von Buerokommunikations-Anwendungen reagiert wird.

Ein Trend zur Strukturierung

Im Arbeitsalltag kann man einen Trend zur Strukturierung feststellen. Einzeltaetigkeiten, die frueher auf den Schultern vieler verteilt waren, werden abgeloest durch Arbeitszusammenhaenge, die mehrere der bisherigen Einzelschritte umfassen und von einer Person ausgefuehrt werden. So uebernimmt ein Sekretariat nicht mehr ausschliesslich Aufgaben der Texterfassung und -bearbeitung, sondern auch Koordination, Organisation und Arbeitsvorbereitung.

Wie aber geht die heutige technische Buerokommunikation damit um? In der Regel handelt es sich bei den Office-Paketen um historisch gewachsene Programme. Am Anfang der Entwicklung stand ein Texteditor, der nach und nach mit Nebenprogrammen umgeben wurde und sich damit zu einem vielschichtigen Applikationspaket gemausert hat. Intention dieser Entwicklung war, Einzeltaetigkeiten wie Texterfassung und Textverarbeitung, Grafikerstellung, Tabellenkalkulation und vieles mehr zu rationalisieren.

Die technische Unterstuetzung der Einzelfunktionen bewirkt, dass immer schneller und immer mehr Dokumente produziert werden koennen. Je mehr Dokumente hergestellt werden, um so weniger Zeit bleibt fuer die Ordnung derselben in den ueblichen Ordnern. Die Bueromitarbeiter verwenden rund 70 Prozent der Arbeitszeit zur Verwaltung und Organisation des anfallenden Materials. Die eigentliche Erstellung der Dokumente erfordert aber den kleinsten Zeitaufwand. Die Arbeitsvorgaenge und die Dokumentorganisation finden bei den gaengigen BK-Paketen noch viel zu wenig Unterstuetzung.

Dokumente sind das kleinste Element aller im Buero anfallenden Arbeitsablaeufe. Es spielt dabei keine Rolle, welchen Typs diese Dokumente sind. Wenn dieser Vorgang im Arbeitsalltag bearbeitet werden soll, geht der Bearbeiter zunaechst an den Aktenschrank, waehlt die Akte aus, schlaegt sie auf und waehlt das von ihm gewuenschte Dokument. Dann beginnt er mit der Bearbeitung oder leitet es an Kollegen weiter oder versendet es extern. Alles in allem ist dies ein komplexer Vorgang mit verschiedenen Arbeitsschritten, der viel Zeit in Anspruch nimmt.

Die Buerokommunikations-Pakete unterstuetzen den Bearbeiter dabei lediglich bei den Einzeltaetigkeiten wie Text- und Grafikerstellung oder Tabellenkalkulation. Die Aufgaben der Verwaltung und Organisation der unterschiedlichen Dokumenttypen erfahren keine Unterstuetzung, obwohl sie den Hauptteil der taeglichen Arbeitszeit ausmachen. Um die Gesamtheit des Bueroalltags effektiver zu gestalten, muessen erfolgreiche Office-Systeme Vorgaenge von der ersten Erstellung bis zur letzten Bearbeitung unterstuetzen.

Haeufig kommt es vor, dass verschiedene Mitarbeiter denselben Vorgang bearbeiten. Office-Systeme muessen gewaehrleisten, dass die zu einem Vorgang gehoerenden Dokumente analog zum realen Arbeitsablauf auf den Schreibtisch des Stellvertreters geholt werden koennen. Natuerlich entfallen dabei nicht die Suchvorgaenge zum Auffinden der gewuenschten Dokumente in Ablagen.

Wesentlicher Bestandteil einer jeden Bueroarbeit ist das Ablegen und Wiederfinden bearbeiteter Dokumente. Im Bueroalltag bedient man sich dabei der Hilfe von Ablagen, in denen Dokumente gelagert werden, die im aktuellen Arbeitsprozess nicht benoetigt werden. Durch diesen einheitlichen Ablageweg fuer alle Dokumenttypen laesst sich eine Ordnung schaffen, die in den herkoemmlichen BK-Paketen nicht moeglich ist, da diese lediglich Dateien ohne inhaltlichen Kontext behandeln.

In herkoemmlichen Buerokommunikations-Paketen ergibt sich oft das Problem, dass fuer die Bearbeitung unterschiedlicher Dokumente wie Text oder Grafik auch unterschiedliche Bearbeitungsprogramme benoetigt werden. Office-Systeme sollten dokumentorientiert arbeiten. Hier sollte der Anwender das Dokument zur Bearbeitung auswaehlen, ohne sich um das zu startende Programm kuemmern zu muessen. Allein die Zusammenstellung des Vorganges entscheidet, nicht die notwendige Speicherung bei den jeweiligen Bearbeitungsprogrammen. Damit bleibt fuer den Benutzer der reale Bezug erhalten, denn Dokumente, die zusammengehoeren, bleiben fuer den Benutzer erkennbar zusammen.

Die reale Arbeitssituation wird so auf dem elektronischen Schreibtisch abgebildet, dass der Benutzer sie intuitiv bewaeltigen kann.

Fuer Office-Systeme gelten aber nicht nur die aufgestellten Forderungen nach Unterstuetzung der Dokumentorganisation und Vorgangsunterstuetzung. Sollen die BK-Systeme Bestand haben, sollten sie offen fuer Veraenderungen und Anforderungen der Zukunft sein, beispielsweise wenn sich ein Unternehmen entschliesst, neue Applikationen einbinden zu wollen, sei es, weil sie ganz neue Moeglichkeiten bieten, sei es, weil sie eher den individuellen Anforderungen der Anwender entsprechen.

Die Realitaet zeigt, dass fuer viele Anwender traditioneller BK- Pakete dies kaum oder gar nicht moeglich ist. Fuer die Unternehmen bedeutet dies entweder, wie bisher mit dem Vorhandenen zufrieden zu sein, oder sich auf erhebliche Neuinvestitionen und Einfuehrungsarbeiten einlassen zu muessen.

Arbeitsobjekte in den Mittelpunkt

Die Forderungen der Anwender, die sich in den Schlagworten Vorgangsbearbeitung, Dokumentenverfolgung, Integration von DV- gestuetzten Ablaeufen und Dokumentbearbeitung artikulieren, finden erst langsam Gehoer. Das Eingehen auf diese Forderungen erfordert ein Umdenken, denn Voraussetzung hierfuer ist eine Objektorientierung, die sich nicht in blosser Abbildung von Icons erschoepft. Vielmehr muessen die Arbeitsobjekte in den Mittelpunkt gestellt werden und nicht die Einzelfunktionen. Die Unterstuetzung von Arbeitsstrukturen ist der Punkt, der nicht aus den Augen verloren werden darf. Auch hier wird deutlich, dass das Herangehen ueber die Bearbeitungsfunktionen nicht die Loesung sein kann. In dieser Hinsicht hat die Buerokommunikation schon lange Zeit keine echten Innovationsschuebe erfahren.

*Nico Klauke ist Marketing-Leiter bei Uniware in Berlin.