Sachbearbeiter in US-Versicherung sammeln mit Büroautomation erste Erfahrungen:

Office-System soll Papierflut dämmen

17.12.1982

Den Einsatz eines Büroautomationssystems, in den USA Advanced Office Systems (AOS) genannt, beschloß die Lincoln National Life Versicherung, Fort Wayne, vor vier Jahren. Mit Hilfe von AOS sollte bis Ende 1984 der Papierverbrauch um 90 Prozent reduziert werden. Bei der papierintensiven Arbeit einer Versicherungsgesellschaft ein ehrgeiziges Ziel. Jetzt liegen erste Erfahrungen vor.

Für den Einsatz in der DV-Abteilung wurde zunächst ein AOS-Prototyp entwickelt. Das Management glaubte, daß die Mitarbeiter der EDV den Anfangsproblemen eines neuen Systems verständnisvoller als andere Endbenutzer gegenüberstünden. Die ersten Terminals wurden dem oberen Management, seinen Sekretariaten und der EDV-Abteilung zur Verfügung gestellt. Nach einigen Wochen erfolgreichen Einsatzes erhielten dann die Mitarbeiter der Rechtsabteilung "ihren" Bildschirm, damit die dort anfallende Korrespondenz schneller erledigt werden konnte.

Innerhalb kürzester Zeit entwickelte sich AOS zu einem wichtigen Hilfsmittel im Kampf gegen die täglichen Routinearbeiten. Derzeit werden in der Zentrale des Unternehmens rund 700 Terminals eingesetzt, Ende 1983 sollen es 2000 sein. Damit würden sich jeweils zwei Angestellte einen Bildschirm teilen. Die Advanced Office Systems bieten Electronic Mail, Textverarbeitung und eine leicht zu handhabende Programmierhilfssprache, die in wenigen Stunden erlernt werden kann.

Mit Hilfe dieser Programmierhilfssprache konnten jetzt auch Nicht-EDVler ihr Projekt fertigstellen. Es hätte mehr Zeit in Anspruch genommen, einem Mitarbeiter der EDV erst zu erklären, was man benötigt, als es selbst zu realisieren. Die Anwender entwickelten ihre Programme, ohne die formalisierten Anweisungen zu benutzen. Daraufhin wurden die formalisierten Pläne in eine auf die Praxis zugeschnittene handlichere Form umgeschrieben. Auch wurden in den Fachbereichen Datensammlungen angelegt.

Arbeitsplatz wurde noch teurer

Benötigten andere Abteilungen die Daten, war lediglich ein Umwandlungsprogramm nötig, um sie in ein größeres System einzubinden. Um zu vermeiden, daß unternehmensweit benutzte Daten auf dezentralen Rechnern ohne vollständige Datensicherung abgespeichert wurden, beschloß man, Datenbibliotheken anzulegen, um so die entscheidenden Informationen zu dokumentieren.

Die ersten Terminals waren alle direkt an den Hostrechner angeschlossen. Zu den ohnehin schon hohen Kosten bei der Einrichtung eines neuen Arbeitsplatzes, der mit rund 3500 Dollar kalkuliert wird, kamen jetzt noch die Kosten für die Kabelverlegung. Im Dezember 1981 entschied sich das Management für Terminals, die an das Telefonnetz angeschlossen wurden.

Mittels einer Frequenz, die höher als die menschliche Stimme ist, konnten Daten übereinander in den Telefonleitungen übertragen und über die -zentrale an den richtigen Rechner übermittelt werden. Die AOS-Terminals arbeiten im Start-/Stop-Betrieb und sind nicht kompatibel zum IBM 3270-Protokoll, für das die meisten der existierenden Online-Anwendungsprogramme geschrieben wurden. Es sind jedoch Zugriffswege zur IBM 3270 verfügbar, die andere als ein 3270-Protokoll erscheinen lassen. Aus diesem Grund haben die Benutzer von einem Terminal aus nicht nur den Zugriff auf AOS-Dienste, sondern auch auf TSO und CICS.

Der nächste Schritt war der Anschluß an ein öffentliches Paketvermittlungsnetz. Jetzt hatten alle Niederlassungen in den USA direkten Zugriff auf das System, während bis dahin die Übertragung nur über lokale oder Fernwählleitungen möglich gewesen war.

Mitarbeiter können Chef aus dem Wege gehen

In jeder Abteilung wurden bestimmte Mitarbeiter zu AOS-Experten ausgebildet, die auch Neuanwender in das System einwiesen. AOS hat die Büroarbeit produktiver und anspruchsvoller werden lassen. Die elektronische Post beispielsweise eröffnete neue Kommunikationswege innerhalb des Unternehmens. Mitarbeiter, die Probleme hatten, ihrem Vorgesetzten persönlich gegenüberzutreten, konnten ihre Informationen jetzt durch das AOS-System senden. Es heißt, Advanced Office Systems seien unpersönlich - dafür sind sie auch sehr effektiv.

Das Unternehmen beginnt derzeit mit der Einrichtung eines Informationszentrums. Neben der AOS-Sprache werden Datenbanksprachen und andere Listprogrammsprachen den Teilnehmern zur Verfügung gestellt. Die Anwender sollen die Möglichkeit bekommen, aufgrund dieser Ausbildung verbesserte Programme und eigene Aktivitäten zu entwickeln.

*Michael Goldmann ist stellvertretender Vizepräsident bei der Lincoln National Life, Fort Wayne.

Copyright: CW Communications/Inc. Framingham, Bereich Office Automation