Office-Pakete: Oft ist der Discount das Mass aller Dinge

18.02.1994

Nur ein Teil der Anwender nutzt die Groupware-Funktionen Um im gnadenlosen Kampf um Marktanteile bestehen zu koennen, lassen sich Hersteller von PC-Anwendungssoftware immer wieder neue Marketing-Strategien einfallen. Sie bieten "Office"-Programmpakete an, die Vollversionen verschiedener Applikationen wie Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, E-Mail und Datenbanken enthalten. Das wichtigste Verkaufsargument fuer diese Suites ist der Preis; drei oder vier Programme kosten gebuendelt nicht mehr als zwei Einzelversionen. Ausserdem versprechen die Anbieter verbesserte Funktionalitaet, einen problemlosen Datenaustausch zwischen den Applikationen und eine Reihe zusaetzlicher Werkzeuge fuer einfache Groupware- und Workflow-Anwendungen. Die CW befragte Anwender, ob die Pakete halten, was die Marketiers versprechen. Nils Kanne vom Rechenzentrum der Bayerischen Genossenschaftsbanken (RBG) haelt das Bundling von Buerokommunikationsanwendungen in Office-Paketen oder Suites fuer ideal, "denn hier werden die Topanwendungen endlich so verbunden, dass alles zusammenpasst". Im Gegensatz zu den "billigen Heimbaukaesten wie Microsofts Works", in denen nach Ansicht des RZ-Mitarbeiters zwar alle semiprofessionellen Anwendungen integriert seien, aber nichts richtig funktioniere, schaetzt Kanne an den Office-Paketen vor allem den funktionalen Verbund der Profianwendungen. Bei aller Begeisterung fuer die Verknuepfungs- und Umschaltmoeglichkeiten zwischen den einzelnen Applikationen sei es jedoch unverzichtbar, dass "die Bedienung so intuitiv ist, dass ich eine Grafik einfach in ein anderes Programm ziehen kann". Glaubt man den Werbeaussagen der Hersteller, weisen ihre "objektorientierten und intuitiv zu benutzenden" Pakete genau diese Eigenschaften auf. Obwohl sich die Versprechen gleichen, unterscheiden sich die Pakete aber in ihren Leistungen gravierend. So schnuert Borland in seinem "Office for Windows" nur die Standardanwendungen Quattro Pro, Paradox und das Fremdprodukt Wordperfect zusammen. Dabei unterscheidet sich das Paket in seiner Funktionalitaet nicht von den originalen Einzelprogrammen, da nirgends, wie es bei Borland heisst, ein zusaetzliches Modul oder aehnliches hinzugekommen ist. So vermutet Borland-Pressereferentin Karin Sturm, dass bei den meisten Kunden Bequemlichkeit ein wesentliches Kaufmotiv ist: Beim Updaten erhalten sie drei Programme auf einen Schlag. Bei Lotus geht man dagegen einen Schritt weiter und hat die in "Smartsuite" enthaltenen Anwendungen Lotus 1-2-3, die Textverarbeitung Amipro, das Praesentations-Tool Freelance, den Terminplaner Organizer sowie die Datenbank Approach so aufeinander abgestimmt, dass Daten oder Tabellen problemlos via Object Linking and Embedding (OLE) zwischen den Applikationen ausgetauscht werden koennen. Ferner packt Lotus in seine Smartsuite-Box ein Working- together-Tool, das aus etwa 40 Makros und einer zusaetzlichen Icon- Bar besteht und das Teamwork zwischen den Anwendungen weiter verbessern soll. Brand-Manager Wolfgang Kubeck verspricht den Anwendern, meist Grosskunden, die gleich 1000 oder 2000 Pakete bestellen, gesteigerte Produktivitaet, da sie sich aufgrund der weitgehend einheitlichen Icon-Leiste nicht in jede Anwendung eigens einarbeiten muessten. Freilich arbeiten die Programme nicht uneingeschraenkt zusammen. Zwar besitzen alle den Menuepunkt "Mail senden" zum Verschicken von Dateien aus jeder Applikation, doch wenn es um vollstaendige Groupware-Funktionen geht, verweist der Manager lieber auf das hauseigene Notes. Einen Hauch von Groupware-Funktionalitaet bietet dagegen Microsoft mit seinem Buero-Bundle "MS-Office", das die Programme Word, Excel, Powerpoint sowie eine Lizenz fuer MS-Mail enthaelt. So besteht beispielsweise unter Word die Moeglichkeit des Dokumenten-Routings, das Microsoft-Pressereferent Bernhard Grander an folgendem Beispiel erklaert: Von Text-Routing koenne man sprechen, wenn vier Leute nacheinander ein Dokument bearbeiten sollen. Hat der erste Anwender seine Aufgabe erledigt und das Dokument wieder geschlossen, dann wird es unter Office automatisch zum zweiten Benutzer verschickt und so weiter. Der Initiator des Text-Routings bekommt dabei Meldungen, bei wem das Dokument gerade ist und in welchem Bearbeitungsstatus es sich befindet. Auch Microsoft hat dem Buero-Bundle, das hauptsaechlich von professionellen Anwendern gekauft wird, eine zusaetzliche Icon- Leiste, den "Office-Manager", zum direkten intuitiven Hin- und Herschalten zwischen den Applikationen mitgegeben. Mit OLE 2.0 bewegt sich die Gates-Company, die mittlerweile 50 Prozent der Word- und Excel-Lizenzen ueber die Bundles verkauft, laut Grander weiter in Richtung Objektorientierung. Im Fruehjahr will das Unternehmen auch Excel und Powerpoint mit dem ueberarbeiteten OLE 2.0 ausstatten, ueber das bisher nur Winword verfuegt. Doch gerade mit der selbsterklaerenden, objektorientierten Bedienung der Programme scheint es in der Praxis noch zu hapern. So nutzen beim Ludwigsburger Filterhersteller Mann und Hummel laut Bernd Haueise, Systemadministrator im Geschaeftsbereich Verfahrenstechnik, nur wenige Anwender, die sich mit der OLE- Technik befasst haben, das Zusammenspiel der Office-Komponenten auch wirklich. Ein DV-Koordinator aus dem Hause Mercedes-Benz bringt die Erfahrungen der Systembetreuer in Sachen objektorientiertes Arbeiten mit Office-Paketen aehnlich auf den Punkt: "Letztlich gibt es nur ein paar Freaks, die diese Funktionen unbedingt brauchen." Deshalb steht fuer den Mercedes- Mann beim Einsatz der Office-Produkte ganz klar der Kostenaspekt im Vordergrund. "Bevor wir Winword und Excel einzeln kaufen, nehmen wir lieber das Office-Paket, das ist genauso teuer, und wir bekommen dazu noch Powerpoint mitgeliefert", fasst der sparsame Schwabe seinen Standpunkt zusammmen - eine Argumentation, die die Hersteller nur bestaetigen koennen, denn im Schnitt spart der Anwender bei den Office-Paketen 50 Prozent gegenueber den Einzelprodukten. Differenzierter beurteilt Mann-und-Hummel-Mitarbeiter Haueise den Kauf der Bundles. Neben dem Discount ist fuer ihn die Erleichterung des Datenaustausches ein wesentlicher Grund zur Anschaffung der Pakete. Fuer Kannes Kollegen Gerhard Blattner, Leiter des Benutzerservice bei dem RBG, ist neben dem Kostenvorteil auch die Groupware- Moeglichkeit ein wichtiges Entscheidungskriterium. Hier setzen die Banker auf Smartsuite und verschicken beispielsweise die mit der Textverarbeitung Amipro erstellten Dokumente elektronisch ueber das genossenschaftsweite Netz an den Empfaenger, der sie dann gleich am Desktop weiterverarbeiten kann. Von einem solchen Szenario kann der DV-Koordinator bei Mercedes nur traeumen. Fuer ihn sind Text-Routing oder Groupware- Funktionalitaeten momentan kein Thema, denn "ab einer bestimmten Hierarchiestufe setzt bei uns die totale Unfaehigkeit im Umgang mit dem PC ein". Ergebnis: Im Bueroalltag ist "dann nur noch Papier und nochmals Papier angesagt". Nicht preisaktives Bundling, sondern die Groupware-Intuition steht dagegen bei "Wordperfect Office" im Vordergrund. Im Gegensatz zu Borland oder Microsoft versteht man hier unter dem Office-Begriff kein Paket aus Standardapplikationen, sondern ein Buerokommunikationsprodukt, das in den Bereichen Workflow oder Groupware Loesungen fuer E-Mail, Terminplanung und Aufgaben- Management bieten soll. So kann beim Job-Management der Bearbeitungsweg, den ein Vorgang im Unternehmen durchlaeuft, auf der Netzebene in Form einer Zustellungsreihenfolge nachgebildet werden. Wordperfect-Produkt- Manager Andreas Asel sieht das eigene Office-Angebot als ein Netzwerkprodukt, das Unternehmen eine Buerokommunikationsloesung bietet, die "ueber das klassische E-Mail hinausgeht". Wordperfect Office steht damit weniger in Konkurrenz zu den Bundles von Microsoft oder Borland, sondern vielmehr im Wettbewerb mit Lotus Notes oder DECs "Linkworks". Dieses hauseigene Produkt positioniert DEC gegenueber den Wettbewerbern als eine Client- Server-Software, die zur Realisierung von Groupware- und Workflow- Prinzipien dient. Dieter Schukai, Vertriebsbeauftragter Buerokommunikation beim Berliner Softwarehaus PSI GmbH, betrachtet deshalb die Office- Pakete von Microsoft und DEC als additiv, weil "MS-Office die wichtigsten Standardapplikationen enthaelt, waehrend Linkworks eine intuitive Benutzeroberflaeche in Form eines Schreibtisches bereitstellt". Bei der PSI, die Linkworks auch zur Realisierung externer Projekte wie beispielsweise bei einem Modellprojekt des Bezirksamts Weissensee in Berlin einsetzt, nutzt man das Workflow-Produkt vor allem in den Bereichen Dokumenten-Management, Projektverfolgung und Qualitaetssicherung. Ein weiterer Vorteil der DEC-Applikation ist fuer Schukai neben der strukturierten Datenablage die Moeglichkeit, individuelle Werkzeuge wie Textverarbeitung oder Tabellenkalkulation zu definieren und gemeinsam auf gruppen- oder bereichsweit zu nutzende Dokumente zuzugreifen. Der Vertriebsbeauftragte schaetzt dabei besonders die platzsparende Arbeitsweise von Linkworks, da die Dokumente nicht auf mehreren Rechnern dupliziert vorliegen, sondern zentral auf dem Server gespeichert werden. Auch unter dem Gesichtspunkt der Objektorientierung ist Schukai mit der Workflow-Anwendung zufrieden, da "die Dokumente als Objekte erscheinen und saemtliche Zusatzfunktionen von Linkworks sich darauf beziehen". Mit den unter Linkworks definierten Werkzeugen funktioniert in der Regel auch der Dokumentenaustausch, ueber dessen Stoeranfaelligkeit andere Anwender haeufig klagen. Allerdings, so schraenkt Schukai ein, "haengt dies von der Qualitaet der Filter und Konverter der jeweiligen Applikation ab". Fuer Ernst Lueckerrath, Abteilungsleiter PC-Systeme bei der Kaufhof AG, ist beim Groupware-orientierten Arbeiten der Dokumentenaustausch ebenfalls kein Problem. Die Warenhauskette, die momentan auf Wordperfect Office 4.0 umstellt und rund 3800 Anwender vernetzt hat, standardisierte bereits sehr frueh die Anwendungssoftware. Unternehmensweit kommen dort Applikationen wie die Textverarbeitung Wordperfect oder die Tabellenkalkulation Excel zum Einsatz. Zur Realisierung des Workflow-Prinzips setzte der Konzern bisher Mail for Windows von Wordperfect ein. Deshalb ist die Workflow-Funktionalitaet von Wordperfect Office 4.0 fuer die Kaufhof-User nichts Neues: "Unsere Anwender haben die Moeglichkeit, Texte zu verschicken oder weiterzuleiten, schon seit laengerem in Form von E-Mail", so Lueckerrath. Darueber hinaus sieht er das Produkt, das er seit einem halben Jahr einsetzt, als Basisvoraussetzung fuer die Formularverarbeitung und -versendung unter Informs von Wordperfect, die gerade getestet wird. Fuer die Sicherheit der ueber das Wordperfect-Produkt ausgetauschten Daten sorgen ergaenzend zu den entsprechenden Netware-Mechanismen die RSA-Verschluesselungsverfahren, mit denen das Groupware-Tool seine Datenbanken erzeugt. Bei Mann und Hummel - hier erfolgt der Datenaustausch nicht via E-Mail, sondern ueber gemeinsam genutzte Laufwerke auf dem Server - verlaesst man sich in puncto Sicherheit auf Diskless-Workstations und will demnaechst den Datentransfer zwischen MS-Office und anderen Plattformen versuchen. Systemintegrator Haueises Augenmerk liegt momentan weniger auf der optimalen Nutzung von MS-Office-Features wie Text-Routing, da man sich bei Mann und Hummel "gerade auf die Einfuehrung von SAP R/3 versteift". So wartet der DV-Spezialist gespannt darauf, ob das von SAP garantierte Zusammenspiel mit Microsofts Office-Paket auch wirklich funktioniert, denn "die in SAP integrierte Textverarbeitung ist nicht gerade das Optimale". "Die in SAP integrierte Textverarbeitung ist nicht gerade das Optimale." Bernd Haueise, Systemadministrator bei Mann und Hummel "Ab einer bestimmten Hierarchiestufe setzt bei uns die totale Unfaehigkeit im Umgang mit dem PC ein." DV-Koordinator bei Mercedes-Benz