Offenheit ist nicht teilbar

20.09.1991

Dies vorweg: Für die Grenzfrage in der DV (Kompatibilität und Portabilität, kurz: Offenheit - bis hierhin und nicht weiter?) ist es nicht entscheidend, welche (Uni)x-Variante von welchem Hersteller als Betriebssystem-Standard favorisiert wird und wie sich die verschiedenen Anbieter-Allianzen verhalten. Offenheit - aus der Sicht der Anwender - ist nicht teilbar.

Bei allem Verständnis für den Entwicklerstolz der MVS-, VMS- und BS2000-Spezialisten - um drei Beispiele zu nennen: Zuletzt ist die Rien-ne-vaplus-Situation in der proprietären Welt drastisch vorgeführt worden. Dieses Nichts-geht-mehr ist keine Erfindung von Fachjournalisten, die an einer arroganten IBM ihr Mütchen kühlen wollen, sondern eine für IBM & Co. gefährliche Realität, gefährlich deshalb, weil die Lage von nicht wenigen Vertretern des proprietär-konservativen Lagers immer noch verkannt wird.

Die Unix-Prophezeiung, so das Argument, werde sich nicht erfüllen: Erstens sei bei Großkunden zuviel Geld in Anwendungen gebunden, die unter Hersteller-spezifischen Lock-in-Bedingungen laufen, als daß eine Umstellung auf offene Systeme in Frage käme; auf absehbare Zeit, zweitens, biete Unix nicht die Leistung, den Komfort und die Sicherheit proprietärer Lösungen.

Es ist müßig, darüber zu streiten, was Unix kann und was es nicht kann. Der Investitionsschutz-Aspekt dagegen ist ernst zu nehmen, auch wenn sich der Einwand zunehmend gegen die Urheber richtet: Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende - diese Einstellung der Anwender, die rechnen müssen, kennzeichnet die Downsizing-Diskussion. Unix ist - in Verbindung mit Client-Server-Konzepten - immer dabei.

Ruft man sich ins Gedächtnis, daß die IBM bei der Ankündigung ihrer System-Anwendungs-Architektur (SAA) vor vier Jahren Unix ignorieren zu können glaubte, wird verständlich, wie sehr die Armonker, aber auch etliche andere Mainframe- und Mini-Hersteller, von der Open-Systems-Bewegung überrascht wurden. Mit "Open Enterprise" läßt sich Big Blue nun auf Unix/AIX ein, auch wenn dies Überwindung gekostet haben dürfte.

Natürlich wollen die blauen Marketiers das Open-Enterprise-Versprechen nicht als Aufforderung an die Kunden verstanden wissen, nun die proprietäre Welt zu verlassen. Noch hört alles auf das 370/ES9000-Kommando. Daß AIX geadelt wurde, können die Open-Systems-Befürworter der RS/6000-Truppe, und mit ihnen die RS/6000-Anwender, indes als Erfolg werten. Die Richtungskämpfe innerhalb der IBM sind jedoch noch nicht abgeschlossen. Will die IBM weiterhin das proprietäre System AS/400 forcieren - als Downsizing-AIternative gar für Mainframe-müde 370-Kunden? Schade, daß dazu keine Statements vorliegen.