SCHOLZ REPORT

Offenheit beim Erfahrungs-austausch unter Kollegen

12.03.1976

Es ist erfreulicherweise festzustellen, daß der Erfahrungsaustausch unter ORG/EDV-Leitern mehr und mehr zunimmt. Allerdings findet man einige Schattenseiten bei diesem Erfahrungsaustausch vor. Ich meine damit die Erscheinung, daß ORG/EDV-Leiter mitunter nicht offen genug gegenüber ihren Kollegen sind. Ein Beispiel mag dies verdeutlichen:

Beispiel zum Erfahrungsaustausch

Nehmen wir an, daß sich der ORG-Leiter Müller mit einem neuen System seiner Finanzbuchhaltung beschäftigt. Er holt sich dementsprechend zunächst einmal den ISIS-Software-Report her und erkennt, daß für seine Anwendung vielleicht fünf Pakete zutreffen könnten. Vorher hat er sich eine Checkliste mit den wichtigsten Punkten der Programmauswahl gemacht. Anschließend schreibt er die fünf verschiedenen Hersteller an, um sich nähere Informationen und vor allem Referenzen zu verschaffen. Diese Hersteller reagieren auch prompt und schicken die Verlangten Unterlagen. Die Referenz-Installationen wurden vollständig angegeben und unser ORG-Leiter Müller greift zum Telefon. Hier erlebt er nun die unterschiedlichsten Aussagen. Ein ORG-Leiter-Kollege berichtet ihm in berauschender Weise, daß er mit diesem Paket einen ganz großen Erfolg bei seinem Fachbereich erzielt habe. Einführungsprobleme seien völlig ausgeblieben, Schwierigkeiten in der Anpassung an den Betrieb habe es keine gegeben, die RZ-Organisation sei mit diesem Paket voll kompatibel gewesen, das Operating sei des Lobes voll, die Termine seien samt und sonders alle gehalten worden und die veranschlagten Kosten seien noch unterschritten worden. Müller ist tief beeindruckt und hält dieses System demnach für außerordentlich gut, nachdem ihm von einem anderen Kollegen zwar nicht ganz so positiv, aber auch nicht negativ berichtet worden ist. Also trifft Müller die Entscheidung für dieses Programmsystem. Er weiß allerdings nicht, daß beide ORG-Leiter-Kollegen ihm unbewußt den Zustand geschildert haben, den sie selbst gerne gehabt hätten, den sie aber aus verschiedenen Gründen nicht erreicht haben.

Tatsächlich hatten aber beide ORG-Leiter doch eine Reihe von Problemen bei der Einführung, die sie aber verschweigen, weil sie glauben, daß damit ihr Image in Gefahr geraten könne. Diese Gesichtspunkte unterdrücken sie mitunter unbewußt, indem sie intern und extern eine Art Scheinwelt aufbauen.

Ehrlichkeit beim Erfahrungsaustausch

Eigentlich ist diese Haltung vieler ORG-Leiter traurig. Man sollte doch zumindest im Erfahrungsaustausch seinem Kollegen offen darüber berichten, welche Probleme man mit der Einführung eines Software-Paketes hatte und was man besser machen würde. Der Sinn und Zweck eines Erfahrungsaustausch liegt doch gerade darin, die negativen Erfahrungen seines Kollegen kennenzulernen, um eigene Fehler zu vermeiden. Eine gegenseitige Beweihräucherung ist nicht Sinn und Zweck eines derartigen Gespräches.

Wichtige Einzelpunkte

Es ist sicherlich zu verstehen, daß man betriebsinterne Dinge nicht an Dritte weitergibt, man sollte jedoch offen über die eigenen Fehler und vielleicht die des Softwarehauses diskutieren um seinen Kollegen vor Fehler zu bewahren. Es kommt besonders darauf an, Fehlerquellen offen auf den Tisch zu legen Probleme der Einführung mit Fachbereichen sind dabei von besonderem Interesse. Auch bei der Beurteilung des eingetretenen Erfolges kommt es auf die Ehrlichkeit an. Hier wird am meisten eine Scheinwelt aufgebaut. Man sollte sich auch nicht scheuen, einige Fehler zuzugeben. Vielleicht ist man selbst einmal auf einen Tip seines Kollegen angewiesen und freut sich dann, daß man eine offene und ehrliche Aussage erhalten hat.

Ich meine also, daß sich die ORG/EDV-Leiter wenigstens untereinander nichts vormachen sollten. Jeder kann von seinem Kollegen profitieren, wenn man seine eigenen Fehler zugibt. Keinem fällt doch ein Zacken aus seiner Krone, wenn er zugibt , daß bei ihm nicht alles optimal läuft. Wir kochen alle nur mit Wasser und haben unsere Probleme. Sollte man da nicht wesentlich ehrlicher untereinander sein ? Ich glaube , daß es lohnenswert ist , über diese Frage einmal nachzudenken.