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Öffentliche Schadensbegrenzung

29.12.2004
E-Government-Großprojekte haben keinen guten Ruf in Deutschland. Zu viel Porzellan wurde zerschlagen.

Die IT-Projekte der öffentlichen Hand haben allein aufgrund ihrer Größe Signalcharakter. Dies gilt einerseits für den Auftragnehmer, der seine Marketing-Broschüren mit einem Mega-Deal aufhübschen kann. Andererseits sind derartige Vertragsabschlüsse immer auch ein willkommener Anlass, dem Bürger die potenzielle Modernisierbarkeit der Verwaltung vor Augen zu führen. Jedoch können IT-Projekte auch scheitern und damit ein ganz anderes Signal ausstrahlen, als ursprünglich beabsichtigt worden war. Das E-Government-Motto für 2004 hieß daher: Schadensbegrenzung.

Die Lkw-Maut war ein schweres Erbe, das bereits im Vorjahr angetreten werden musste. Weltweit einmalig sollte ein satellitengestütztes System zur Abrechnung gefahrener Kilometer werden. Dass kein Land außer Deutschland den Ansatz gewählt hat, hätte einige Entscheider stutzig machen sollen. Vielleicht waren sie es auch. Aber in Zweifelsfragen gibt es schließlich Berater. Die Beteiligten nutzten das Jahr 2004, um ihr Maut-Projekt abzuschließen. Ab Januar 2005 rollt alles reibungslos, so der offizielle Plan.

Aus dem Vorjahr hat sich auch die IT der Bundesagentur (Ex-Arbeitsamt) in die Schlagzeilen hinübergerettet. Der "Virtuelle Arbeitsmarkt" war am 1. Dezember 2003 in der Tat pünktlich gestartet. Die Funktionalität, das Aussehen und die "Usability" der Website waren indes so, wie sich Außenstehende die Abläufe und Diensträume in einer Behörde schon immer vorgestellt haben - gewöhnungsbedürftig und nicht allzu modern. Dafür kostete das Projekt dann deutlich mehr als die ursprünglich vorgesehenen 65,5 Millionen Euro. Mittlerweile rechnet man mit Gesamtkosten von mehr als 160 Millionen Euro plus einem weiteren zweistelligen Millionenbetrag. Immerhin läuft die Website meistens.

Das kann man vom Fiscus-Projekt nicht behaupten. Fiscus steht für "Föderales integriertes standardisiertes Computer-unterstütztes Steuersystem" und sollte den Finanzämtern eine einheitliche Software bescheren. Allein der vollständige Name macht deutlich, dass die Materie komplex ist - nach immerhin 13 Jahren und Investitionen im dreistelligen Millionenbereich wurde das Projekt 2004 neu ausgerichtet. Der integrierte Ansatz ist wieder unter den Bundesländern zerteilt worden, so wie es bis zum Jahr 2001 war. Erste Anwendungen sind bald verfügbar, versprachen Politiker.

Das Herkules-Projekt, die IT-Modernisierung der Bundeswehr, erinnerte an einen Leitspruch aus Zeiten, als der Wehrdienst noch 15 Monaten dauerte: "Tarnen, Täuschen, Verpissen". Die Truppe und das Bundesverteidigungsministerium konnten sich nach jahrelangen Prüfungen und Verhandlungen nicht mit dem Isic-21-Konsortium (CSC Ploenzke, Eads und Mobilcom) auf einen Vertrag einigen. Es ging um rund 6,5 Milliarden sowie einige strittige hundert Millionen Euro. Die Bundeswehr habe teils "unsinnige Forderungen" gestellt, hieß es dazu aus dem Konsortium. Darunter fiel etwa "modernste und leistungsfähigste Technologie in allen zu liefernden PCs". Seit dem Sommer ist das Herkules-Projekt wieder in die "Tarnungs"-Phase eingetreten.

Auch die Einführung der Gesundheitskarte steckt fest. Hier ist noch "kein Ende des Streits in Sicht", titelte die CW Ende Oktober. Vorläufige Schätzungen belaufen sich auf ein Projektvolumen von 1,8 Milliarden Euro, 2006 soll die Karte "schrittweise" kommen. Rechnet man die Zahlen hoch, dauert es bis 2008 bei Kosten von knapp drei Milliarden Euro. Gegenwärtig wird eine neue Betriebsorganisation aufgebaut und ein gemeinsames Forschungs- und Entwicklungsprojekt gegründet. Das klingt nicht gerade nach kurzen Entscheidungswegen.

Sicher kann man nicht allein den Behörden die Schuld zuschieben. Politische Interessen machen konstruktive Ansätze zunichte, Länder kämpfen gegen Länder, der Bund gegen die Kommunen und diese gegen die Pleite. IT-Lieferanten und Lobbyisten suchen den prestigeträchtigen Auftrag um jeden Preis, und Berater verfolgen ihre eigenen Ziele. 2004 war kein glückliches Jahr für die E-Government-Szene. Vor der Tür stehen der digitale Behördenfunk sowie der digitale Personalausweis. Weitere Fehlschläge wären peinlich - wirklich überraschen würden sie aber nicht. (ajf)