Die Konzepte von Informix, Oracle, Sybase, Software AG, CA und IBM

Objektrelationale Technik bereitet Herstellern Sorgen

21.06.1996

"Wir liefern das Beste aus beiden Welten" lautet das zentrale Argument der Anbieter relationaler Datenbanksysteme (RDBMS) für eine Zukunft mit den objektrelationalen Nachfolgern. Auf diese Weise wehren sie sich gegen Newcomer, die ihnen mit rein objektorientierten Systemen oder sogenannten multidimensionalen Olap-Servern (Olap = Online Analytical Processing) Marktanteile abnehmen wollen. Gegen Olap-Systeme können sie einwenden, daß sich diese nur für vorher genau definierte Aufgaben eignen. Reine Objektdatenbanken (OODBMS) gelten für performante Anwendungen als ungeeignet - ein Argument, das lange auch gegen die Einführung relationaler Systeme vorgebracht wurde. Als Lösung sehen die Anbieter, allen voran Oracle und Informix, das Konzept der "Universal Server", das alle möglichen Datentypen umfassen soll.

Doch allein schafft das kaum einer der Anbieter. So hat sich Informix die objektrelationale Datenbank "Illustra" ins Haus geholt, die gleichermaßen relationale Daten, Informationen aus dem File-System und Objekte verarbeiten kann. Oracle übernahm den Olap-Anbieter Iri Express, Computer Associates (CA) kaufte sich für sein Multimedia-Projekt "Jasmin" die objektorientierte Datenbank "ODB2" von Fujitsu, und die Software AG begann, "Adabas D" mit der objektorientierten Datenbank "O2" von der französischen O2 Technology S.A. auszubauen. Aus eigener Kraft versuchen lediglich die IBM und Sybase, ihre Produkte um benutzerdefinierte Datentypen zu erweitern.

Weitgehend einig sind sich die Anbieter bei der technischen Vorgehensweise. Fast alle setzen auf eine mehr oder weniger vorsichtige Erweiterung ihrer relationalen Datenbanken, um nichtstrukturierte Daten einzubeziehen. Diese lassen sich über eine Abstraktionsschicht mit den üblichen SQL-Statements aufrufen (vgl. Abbildung Sybase auf Seite 16).

Eine Sonderstellung nimmt Hewlett-Packard ein, das bereits seit einiger Zeit mit "Odapter" eine Teillösung anbietet, mit der sich objektorientierte Anwendungen entwickeln lassen, die mit relationalen Daten und Programmen arbeiten können.

Universal Server von Informix

Am konsequentesten verfolgt eigenen Angaben zufolge Informix die Verschmelzung von Objekt- und Relationenmodell. Im Zentrum des für Ende dieses Jahres angekündigten Universal Server stehen sogenannte "Data-Blade"-Module. Mit ihrer Hilfe lassen sich beliebige Datentypen definieren und in die Datenbank einbinden (vgl. Abbildung Informix auf Seite 16 links).

Eine ähnliche Funktion erfüllen allerdings auch IBMs "Relational Extender" sowie die "Abstract Data Types", die auch Oracle und Sybase verwenden wollen. Im Unterschied zu den Data-Blades sind diese Erweiterungen laut Informix bloße Objektaufsätze. Sie seien insofern problematisch, als die bisher verwendeten Optimierungsverfahren und Zugriffsmethoden nicht auf die Objekte abgestimmt würden. Das Urteil von Informix lautet: "Leistungsfähige, inhaltsbasierende Abfragen an komplexe Daten sind in einem solchen System nicht möglich."

Universal Server von Oracle

Oracle-Chef Larry Ellison kündigte schon Ende 1992 anläßlich der Vorstellung der Datenbank Oracle 7 eine Version 8 mit Objekteigenschaften an. Ausgeliefert werden soll sie Anfang 1997. Er hielt sich mit technischen Details jedoch bedeckt, so daß es ihm nun leicht fällt, das ambitionierte Konzept des Konkurrenten Informix als unrealistisch zu brandmarken. Aus den White Papers läßt sich entnehmen, daß Oracles Universal Server vor allem auf Abstrakte Datentypen (ADT) setzt, wie sie in den objektorientierten Erweiterungen der Abfragespache SQL definiert werden. SQL 3, auf das sich die anderen Anbieter verpflichtet haben, liegt derzeit als Entwurf vor.

Insgesamt sieht Oracle seinen Universal Server als Teil einer Objektstrategie mit Techniken wie Microsofts OLE, der Programmiersprache Smalltalk, der Componentware-Umgebung Opendoc und dem Messaging-System Corba.

Adaptive Server von Sybase

Wie Oracle bezeichnet auch Sybase sein objektrelationales System lediglich als Teil einer objektorientierten Gesamtstrategie, wobei hier Entwicklungswerkzeuge und Middleware im Vordergund stehen. Sybase verfolgt ein zweistufiges Konzept, bei dem zuerst komplexe Datentypen als sogenannte "Snap-ins" in einen Software-Bus eingeklinkt werden, der über eine einheitliche Datensicht mit dem relationalen Teil der Datenbank verbunden ist (vergleiche Abbildung Sybase). Der Zugriff erfolgt über SQL 3. In der Nachfolgeversion des Produkts soll es wie bei der IBM und bei Oracle abstrakte, benutzerdefinierbare Datentypen geben (vgl. CW Nr. 23 vom 7. Juni 1996, Seite 15).

Erweiterungen für IBMs DB2

Auch bei der IBM sollen relationale Unternehmensdaten durch zusätzliche Datentypen erweitert werden. Das geschieht durch Relational Extenders für DB2, einer vorläufigen Implementation des noch nicht verabschiedeten SQL-3-Standards. Den Erweiterungen liegt eine mit DB2, Version 2, eingeführte Objekttechnik zugrunde, die es den Anwendern erlaubt Datentypen nach eigenen Bedürfnissen festzulegen. Diese selbstdefinierten Typen können Multimedia- Daten, Objekte, aber auch Funktionen wie Trigger sein.

Die neuen Daten werden in einer DB2-Tabelle gespeichert. Möglich wird das, weil sie in der Datenbank vom Relational Extender ummantelt werden, so daß sie sich dem System gegenüber als DB2- Daten präsentieren. Die Relational Extender für Multimedia werden im August dieses Jahres ausgeliefert, zwei weitere Module für das Speichern und Wiederauffinden von Fingerabrücken und räumlichen Daten sind in Vorbereitung.

Computer Associates mit Fujitsu-Technik

Schlagzeilen machte CA Mitte vergangenen Jahres mit dem Kauf der objektorientierten Fujitsu-Datenbank "ODB-II". Damals war es die erklärte Absicht des Unternehmens, dieses Produkt mit der relationalen Ingres-Datenbank zu verschmelzen. Statt dessen hat der Hersteller nun daraus die Multimedia-Entwicklungsumgebung "Jasmin" gemacht. Heute gehört CA zu den schärfsten Kritikern objektrelationaler Systeme. Hans-Peter Müller, Cheftechnologe bei CA Deutschland: "Hybride, universale Datenbank-Server sind nicht für wichtige Multimedia-Anwendungen geeignet. Die Einbeziehung des Internet in das Unternehmen kann damit nicht gewinnbringend vollzogen werden." Für ihn kommen für solche Zwecke nur rein objektorientierte Systeme in Frage.

Die Software AG bleibt vorsichtig

Auch die Software AG steht Projekten zur Erstellung objektrelationaler Datenbanken kritisch gegenüber. O2 Technologies als Lieferant objektorientierter Techniken wird inzwischen kaum mehr erwähnt, statt dessen plädiert man für eine vorsichtige Erweiterung von Adabas D. Das Unternehmen fürchtet eigenen Angaben zufolge bei der Hybridtechnik zunehmende Inkompatibilitäten zwischen den verschiedenen Datenbankprodukten und gravierende Leistungseinbußen. Zudem sei ein gutes Ergebnis mit weit weniger Aufwand zu erreichen, als ihn Oracle und Informix trieben. Für das hauseigene Adabas D sind daher unter anderem folgende Erweiterungen vorgesehen:

- Tabellen sollen neben Attributen auch Methoden und Services enthalten.

- Tabellen mit Methoden (Anwendungen) können als Objekte definiert werden.

- Die flache Struktur des Relationenmodells soll aufgegeben werden, so daß Tabellen auch als Feldwerte zugelassen sind.

Einen Zeitplan für diese Erweiterungen nannte die Software AG nicht.

Hintergründe

Die strenge Struktur der Daten in relationalen Systemen ist vor allem hilfreich, falls es um rasche Datenzugriffe geht. Das gilt insbesondere, wenn Applikationen eingebunden werden müssen. Als weit weniger geeignet zeigten sich die klassischen Datentypen jedoch für Konstruktionsaufgaben, Multimedia-Anwendungen oder zur Kartografierung etwa für Umweltschutzzwecke. Hier lag lange Zeit die Domäne von Spezialsystemen mit maßgeschneiderten Datentypen. Diese werden jedoch seit einigen Jahren zunehmend durch die flexiblen Objektdatenbanken abgelöst, die jedoch gegenüber herkömmlichen Systemen Performance-Nachteile insbesondere in Verbindung mit Datenbankanwendungen aufweisen.

Der Gedanke lag daher nahe, die Vorteile der beiden Konzepte zu verbinden. Dies geschah in den vergangenen Jahren meist durch die Erweiterung der Objektdatenbanken um eine SQL-Schnittstelle und umgekehrt mit Objekt-Schnittstellen für die relationalen Systeme. Daneben hat sich die Erweiterung gängiger Datenbanken um sogenannte Binary Large Objects (Blobs) durchgesetzt, besonders große Datenfelder, in denen die speicherplatzfressenden Bilder, Videosequenzen oder Töne abgelegt werden konnten. Der Hauptnachteil dieser Methode lag neben dem hohen Speicherbedarf darin, daß innerhalb der komplexen Blob-Inhalte nicht mehr gesucht werden konnte. So war es zum Beispiel nicht möglich, mit Hilfe der Datenbank Abweichungen in verschiedenen als Blob abgelegten Konstruktionszeichnungen zu finden. Weiterentwicklungen der Blobs zum Beispiel bei IBM und Sybase sollen diesen Mangel allerdings beheben.

Unhaltbar wurde der bisherige Zustand spätestens, seit Datenbanken beispielsweise Web-Seiten verwalten müssen, die in der Regel aus ganz wenigen strukturierten Daten, einigen Textdaten, viel Grafik, aufwendigen Animationen bestehen. Hier sind die Datenbankanbieter Oracle und Informix mit ihrer Idee eines Universal Server vorgeprescht, der die Ära objektrelationaler Datenbanken einläuten soll.