Objektorientierung erfordert Umdenken Arbeiten mit Dbase fuer Windows ist ein zweischneidiges Schwert

04.11.1994

Von Roland Bischoff*

Bei "Dbase 5.0 fuer Windows" liegen Licht und Schatten nah beieinander. Mit dem Borland-Produkt bekommt der Anwender ein leistungsstarkes Entwicklungssystem fuer Windows-Datenbanken an die Hand - nicht zuletzt deshalb, weil sich damit objektorientierte Anwendungen programmieren lassen. Doch gerade dieser Paradigmenwechsel verlangt, dass bestehende Applikationen neu konzipiert werden muessen, wenn sie die Windows-Funktionalitaet ausnutzen sollen.

Wohl selten hat eine so grosse Anwendergemeinde so lang und geduldig auf die Weiterentwicklung ihres Programms gewartet wie im Fall Dbase. Um es gleich vorwegzunehmen: Obwohl das Werkzeug in der neuen Version die ganze Funktionalitaet einer grafischen Oberflaeche zur Verfuegung stellt, bleibt es in erster Linie Entwicklern vorbehalten. Das Herstellerversprechen, der Anwender komme "voellig ohne Programmierung" aus, ist reine Reklame beziehungsweise kann sich hoechstens auf das Verwalten von Rezepten fuer die kalorienarme Kueche beziehen. Wer ernsthaft Datenverwaltung betreiben will oder muss, wird auch in der Windows-Version auf Programmierung angewiesen sein.

Tabellen entstehen auf Mausklick

Dbase 5.0 praesentiert sich uebersichtlich mit leicht erweitertem Regiezentrum und Befehlsfenster. Beide Uebersichtsmoeglichkeiten lassen sich gleichzeitig oeffnen, und der Anwender kann beliebig hin- und herspringen.

Das Befehlsfenster selbst ist unterteilt: in den Eingabebereich, der den "Db"-Punkt ersetzt, und den Ausgabebereich, der die Ergebnisse der Befehle anzeigt. Der Anwender kann seine Punkt- Befehle wie gewohnt absetzen und auf diese Weise sofort mit den alten Tabellen arbeiten.

Das Dateiformat fuer Tabellen- und Indexdateien ist auf- und abwaertskompatibel zu Dbase IV - selbstverstaendlich mit Ausnahme der beiden neuen Feldtypen "Binaer" fuer Grafiken und Klaenge sowie "OLE". Dbase fuer Windows kann alle wesentlichen Dateien von Dbase IV/III+ lesen. Die alten Masken erscheinen im Ausgabebereich des Befehlsfensters, der quasi einen DOS-Bildschirm simuliert.

Mit den neuen Moeglichkeiten des Regiezentrums freundet der Anwender sich schnell an: Per Mausklick lassen sich Tabellen erstellen und anzeigen, Reports drucken, Abfragen generieren und Formulare (frueher: Masken) gestalten. Geboten wird das gesamte Look and feel von Windows einschliesslich Symbolleiste und rechter Maustaste. Komplexe Dbase-Ausdruecke lassen sich mit dem Ausdruckfenster mausgesteuert zusammensetzen und sofort berechnen oder pruefen.

Kernstueck der neuen Tools ist der Formular-Designer. Aehnlich wie beim frueheren Maskengenerator - nur bequemer und unkomplizierter - lassen sich damit Formulare erstellen, die auf Tabellen oder Abfragen basieren. Das Entwicklungswerkzeug bietet jetzt auch die Kombination von Einzelsatz- und Tabellendarstellung in einer Maske an, beispielsweisweise fuer 1-zu-n-Relationen. Eine Objektpalette stellt alle fuer Windows typischen Elemente einer Maske bereit: Befehls-, Kontroll- und Optionsfelder, Bildlaufleisten, grafische Elemente wie Rechtecke und Kreise, Eingabe- und Listenfelder etc.

Beim Formular-Designer zeigt das Produkt seinen Januskopf. Wie der Maskengenerator von Dbase IV erzeugt auch der Formular-Designer Code, der sich in eigene Applikationen einbinden laesst. Dieser Code ist vollstaendig objektorientiert. Das fuehrt zu dem Phaenomen, dass auf der einen Seite alte, prozedural geschriebene Programme aus Dbase IV nahezu unveraendert im traditionellen, DOS-aehnlichen Befehlsfenster ablaufen, neuer Code aber in erster Linie objektorientiert erscheint - mit schicken Schaltflaechen und Optionsfeldern.

Vergessen Sie ACCEPT, INPUT und WAIT. Was wollen Sie mit