Objektorientierte Oberflaeche fuer Solaris Next oeffnet Sun-Usern das Tor in die Objektwelt CW-Bericht, Hermann Gfaller

03.12.1993

MUENCHEN - Als erster Unix-Anbieter will Sunsoft eine objektorientierte Benutzerumgebung auf den Markt bringen. Zu diesem Zweck hat das Unternehmen jetzt sogar eigene Projekte eingestellt und sich statt dessen fuer Steven Jobs Nextstep- Environment als Standardoberflaeche entschieden.

Die Next-Benutzerumgebung "Open Step" gilt nun bei Sun als strategisches Produkt. Sie soll neben der im Rahmen der COSE- Initiative unter der Bezeichung Common Desktop Environment (CDE) eingefuehrten Motif-basierten Oberflaeche standardmaessig ausgeliefert werden. Dabei ist vorgesehen, dass sich saemtliche Anwendungen unter beiden Systemen einsetzen lassen.

Ausserdem soll die Programmiersprache "Objective C" fuer beide Standard-Benutzerumgebungen uebernommen werden. Die Bedeutung der Zusammenarbeit unterstreicht Sun zudem durch eine Investition von zehn Millionen Dollar in das Partnerunternehmen.

Fuer objektorientierte Technologien koennte die Zusammenarbeit zwischen Sun und Next den Durchbruch auf der Anwendungsebene bedeuten. So wird die Next-Oberflaeche kuenftig automatisch an saemtliche Sun-Kunden ausgeliefert. Damit erhaelt die nach Installationen groesste Unix-Anwendergruppe Zugang zur objektorientierten Welt.

Darueber hinaus versuchen die Partner, Anwendungsentwickler auf ihre Seite zu locken. Zu diesem Zweck hat sich Next entschlossen, die Anwendungsprogrammier-Schnittstellen (APIs) fuer Open Step am 30. Juni 1994 zu veroeffentlichen.

Die Schnittstelle wird dann der Object Management Group (OMG) wie auch dem X/Open-Konsortium als Standardvorschlag unterbreitet. "Sun hat vorgeschlagen, unsere APIs offenzulegen und mich ueberzeugt. Ab jetzt sitzen wir im Open-Systems-Zug", beschreibt Next-Chef Steven Jobs seine Konversion vom Lieferanten eines proprietaeren Betriebssystems zum Open-Systems-Anbieter.

Die Chancen der Neuorientierung liegen auf der Hand. Sowohl Sun als auch Next wollen Open Step zur bevorzugten objektorientierten Plattform fuer Entwickler machen. Dass die dafuer geschriebenen Anwendungen nicht nur auf den Solaris-Umgebungen Intel, Sparc und bald auch Power-PC laufen sollen, sondern auch andere Nextstep- Plattformen wie Intel und HPs PA-RISC unterstuetzen, erhoeht ihre Attraktivitaet zusaetzlich.

Damit sich die Sun-Kunden moeglichst rasch mit der neuen Umgebung vertraut machen koennen, wird auch das Nexstep-Betriebssystem als Ganzes auf Sparc-Rechner portiert. Diese Version soll laut Next- Europa-Chef Bernhard Woebker im dritten Quartal 1994 auf den Markt kommen. Die Integration von Open Step in die Solaris-Umgebung wird nach Schaetzung des Managers etwa 18 Monate in Anspruch nehmen.

"Wir sehen kein anderes Produkt, das uns helfen koennte, auf objektorientierte Anwendungen umzusteigen", freut sich Svend Backs, Systemingenieur fuer verteilte Techniken bei Sunsoft Deutschland, ueber den gelungenen Coup. Bei Sun gilt Open Step nunmehr als wichtiger Baustein fuer Distributed Objects Everywhere (DOE), das hauseigene Konzept fuer verteilte Datenverarbeitung, das Ende 1994 implementiert sein soll.

Die Bedeutung von Open Step ruehrt nicht zuletzt daher, dass die Technik Sun gegenueber den Mitbewerbern HP, IBM und DEC einen Vorsprung verschafft. Die Konkurrenten sind wie Sun dabei, auf Basis des Corba-Standards der OMG verteilte DV-Architekturen zu entwickeln. Eine stabil laufende objektorientierte Benutzerumgebung haben sie derzeit jedoch noch nicht.

Der Zeitfaktor war denn auch Suns wesentlicher Grund fuer die Kooperation mit Next. Dabei hatten die Partner allerdings weniger die Unix-Mitbewerber im Auge als Microsoft. Backs weiss: "Es geht darum, ein Produkt zu haben, bevor Microsoft mit Cairo herauskommt."

Mit Microsoft-Produkten wird die Nextstep-Umgebung auch bei der OMG konkurrieren. Die Gates-Company hat sich nach langem Straeuben dazu durchgerungen, gemeinsam mit Partner DEC die OLE-Technik als Standardisierungsvorschlag einzureichen. Dabei rechnet sich Next- Manager Woebker gute Chancen aus, da Open Step bereits ueber eine OLE-Schnittstelle verfuegt.

Bei diesem Wettrennen um Objektstandars rechnen sich Backs und Next-Manager Woebker gute Chancen aus. Gegenstand ihres Abkommens ist auch eine schon jetzt in Open Step integrierte Objekt- Schnittstelle fuer die OLE-Einbindung.