Kongreß für objektorientiertes Programmieren

Objektdatenbanken: SQL gilt als der Königsweg zum Erfolg

21.02.1992

MÜNCHEN (gfh) - Die Anbieter objektorientierter Techniken suchen einen Einstieg in die lukrativen kommerziellen Märkte. Auf dem ersten Münchner Kongreß für objektorientiertes Programmieren "OOP '92" setzten daher die Hersteller von objektorientierten Datenbanksystemen (OODBMS) vor allem auf die Integration ihrer neuen Produkte in herkömmliche relationale Umgebungen.

"Die Branche tritt jetzt in die Gewinnphase ein", formuliert Michael Seashols, President der Versant Object Technology, seine Erwartungen. Die Unix- und VMS-basierte Objektdatenbank "Versant ODBMS" wird hierzulande von der Münchner IQ-Products GmbH vermarktet.

Seashols rechnet mit einer jährlichen Verdreifachung des Marktvolumens. Etwas vorsichtiger schätzt Mitbewerber Frank Ingari, CEO der Ontos Inc., die Steigerungsrate auf rund 100 Prozent. Beide Geschäftsführer gehen bei ihren Spekulationen jedoch davon aus, daß es ihnen gelingt, in den Markt für kommerzielle Anwendungen vorzustoßen. Chancen für sein Unix- und OS/2-basiertes Ontos-Produkt rechnet sich Ingari vor allem auf den Gebieten aus, in denen herkömmliche Datenbanken bisher nicht erfolgreich waren. Das gilt vor allem für Nischenmärkte wie Multimedia-Anwendungen und Dokumentenverarbeitung. Besonders im Wachstumsmarkt Netzwerk-Management sollen objektorientierte Standardprodukte die bisher eingesetzten anwenderspezifischen Systeme ersetzen.

Derzeit liegt das Marktvolumen für objektorientierte Datenbanksysteme lediglich bei 15 bis 20 Millionen Dollar. Hinzu kommt, daß nach Erhebungen von Georg Heeg, Geschäftsführer des gleichnamigen Unternehmens für objektorientierte Systeme, die meisten OOP-Firmen nicht viel mehr als 30 Mitarbeiter beschäftigen - kein Wunder, daß sich Unternehmen wie Ontos und Versant mit ihren IBM-Partnerschaften brüsten. So soll Big Blue weltweit die Versant-Datenbank vermarkten. Zusammen mit Ontos entwickeln die Armonker Multimedia-Produkte.

Als Hauptvoraussetzung für den kommerziellen Erfolg gilt den Anbietern die Anbindungsmöglichkeit an die in den Anwenderunternehmen eingesetzten relationalen Datenbanksystemen. Aus diesem Grund haben sie sich - der reinen Lehre der Objekttechniken zum Trotz - entschlossen, Implementationen von SQL anzubieten. Hier gehen einige Unternehmen den Weg von Hewlett-Packard und bieten eine objektorientierte Variante der Datenbank-Abfragesprache an.

Uneinigkeit über die Art der SOL-Implementierung

Innerhalb dieser Gruppe herrscht offensichtlich Uneinigkeit über die richtige Form des SQL-Einsatzes. So spricht Ontos-Geschäftsführer Ingari von einer Untermenge des ANSI-Sprachumfangs mit OOP-Erweiterung, während Seashols von Versant seine Implementation als ein Superset des ANSI-SQL bezeichnet. Aber auch der Begriff "Embedded OOP-SQL" machte auf der Münchner Veranstaltung die Runde.

"Solche Datenbanken sind nicht mehr objektorientiert", kritisiert Smalltalk-Fan Raymond Vorwerk, Geschäftsführer der VC Software Construction GmbH, Braunschweig, die Vorgehensweise seiner Mitbewerber. Für ihn bedeutet die Einführung objektorientierter SQL-Varianten eine Anlehnung an das Relationenmodell und damit ein Abweichen vom objektorientierten Ansatz.

Anstatt die Trennung von Datenbeschreibung und Daten durch Objekte aufzuheben, werde sie durch das Zusammenspiel von C + + und SQL zementiert.

Trotz dieser Kritik will auch Vorwerk für sein Datenbanksystem "ODBMS" nicht auf SQL verzichten. Er bietet eine entsprechende Schnittstelle als separates Produkt an. Dieses könne zwar Daten aus den relationalen Systemen "OS/2 Extended Database Manager" der IBM und von Microsofts "SQL-Server" einbinden sowie aktualisieren, lasse diese Datenbanken ansonsten aber unberührt. Auch die Patzschke + Rasp GmbH, Wiesbaden, hat für Mitte bis Ende 1992 eine SQL-fähige Version des von ihr vermarkteten Datenbankprodukts "Objectstore" angekündigt. Das Produkt läuft unter Unix und Microsofts Windows 3.0. Eine Version für OS/2 2.0 ist in Vorbereitung.

Ungeachtet dieser Auseinandersetzungen betonen die Datenbankanbieter ihre Bemühungen, im Rahmen der Object Management Group (OMG) Standards für die Interoperabilität ihrer Produkte zu schaffen. Diese Zusammenarbeit ist offenbar von dem Wunsch diktierte Objekttechniken für Käuferschichten auch außerhalb der angestammten Klientel aufzubereiten. Die Schwierigkeiten bei den Bemühungen um einen Standard innerhalb der OMG-Untergruppe zeigen sich daran, daß sowohl HP als auch Ontos und Versant ihren objektorientierten SQL-Dialekt Standard vorgeschlagen haben.

Werbung mit Objekttechnik

Wie das Beispiel Künstliche Intelligenz gezeigt hat, neigen Schlagwörter dazu, die Idee totzuschlagen, für die sie werben. In genau diese Gefahr haben die Werbestrategen der Anbieter den gerade erst entstehenden Markt für objektorientierte Techniken gebracht.

Mit den OOx-Kürzeln wird derzeit massiv Schindluder getrieben. Viele Hersteller reden großspurig von Objekten, meinen aber wenig mehr als Symbole auf einer grafischen Oberfläche. Andere geben alles als objektorientiert aus, was irgendwie mit der Programmiersprache C+ + zusammenhängt, obwohl nur die wenigsten Entwickler die objektorientierten Möglichkeiten nutzen. Viele sehen darin nur ein besseres C.

Am meisten schadet dem objektorientierten Ansatz jedoch, daß überzogene Erwartungen geweckt werden. Zweifellos stimmt, daß sich die Objekttechnik wie keine andere als Grundlage von offenen verteilten Umgebungen eignet. Das ändert jedoch nichts daran, daß Hersteller wie Anwender die Investitionen in die derzeitigen DV-Umgebungen schützen müssen.

Nun geben die Anbieter objektorientierter Datenbanksysteme vor, durch die Integration einer SQL-Schnittstelle den - vor allem für sie - goldenen Pfad zwischen herkömmlicher und neuer DV-Welt gepflastert zu haben. Dabei verschweigen sie jedoch meist, daß SQL und die Objekttechniken auf widersprüchlichen und nur schwer harmonisierbaren Grundsätzen beruhen. Das SQL zugrundeliegende Relationenmodell geht beispielsweise von der Trennung der Daten und der Datenbeschreibung aus Objekte dagegen heben genau diese Trennung auf. gfh