Kolumne

"Nutzer an die Macht"

02.10.1998

Als Opfer des eigenen Marketings fühlen sich offenbar die Analysten der Gartner Group. Weil die vor allem von ihnen begonnene Debatte um die Total Costs of Ownership (TCO) dazu geführt hat, daß zu viele Unternehmen ihre IT-Entscheidungen praktisch ausschließlich anhand von TCO-Metriken treffen, fragten sich die Berater in einer kürzlich veröffentlichten Research Note selbstkritisch: "Haben wir ein Monster geschaffen?"

Zwar seien TCO-Überlegungen weiterhin ein wichtiges Meßinstrument für den Erfolg von IT-Abteilungen, stellte Gartner jetzt klar, aber keineswegs sollten Entscheidungen ausschließlich von TCO-Kennzahlen abhängig gemacht werden. Neben den Kosten müßten Unternehmen auch den Nutzen analysieren. Allerdings sei eine solche Untersuchung sehr viel komplizierter, weil sich Nutzen - beispielsweise in Infrastrukturprojekten - nicht kurzfristig in Umsatz- oder Gewinnsteigerung umrechnen lasse.

Klar, haben wir schon immer gewußt, könnten jetzt alle IT-Manager grinsen, die sich bisher mit Händen und Füßen gegen ein TCO-orientiertes IT-Controlling gewehrt haben. Aber das wäre zu leicht. Schließlich ist aus Anwenderkreisen oder von Gartner-Konkurrenten kein Gegenkonzept entwickelt worden, das mehr als rein finanzielle Aspekte berücksichtigt.

Sind IT-Manager und ihre Unternehmensvorstände also demnächst wieder auf Bauchentscheidungen angewiesen, wenn es um IT-Investitionen geht? Nicht unbedingt, sie könnten ja auch ihre Anwender befragen - nach der Zufriedenheit mit den von der IT-Abteilung angebotenen Systemen, ob diese reibungslos funktionieren, ob sie die Geschäftsprozesse des Unternehmens in ausreichendem Maß unterstützen etc. Dann erhielten reine Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen ein Korrektiv: Was helfen schließlich gute TCO-Noten, wenn User unzufrieden sind und die Systeme nicht nutzen?

Bei der Ausrichtung am Nutzer könnte die Psychologin Clare-Marie Karat helfen, die pikanterweise in einem Forschungslabor der IBM arbeitet. In der von ihr entworfenen Anwenderverfassung ("User's Bill of Rights") heißt es im Paragraph 3: "Der Anwender hat das Recht auf ein System, das die versprochenen Leistungen bringt." Das Befolgen dieses Satzes hätte uns wahrscheinlich die ganze TCO-Debatte erspart.