Outsourcing/ Neue Perspektiven? Wer glaubt das?

Nur Sorgen oder auch Chancen für die betroffenen Mitarbeiter?

08.08.1997

Outsourcing in Verbindung mit einer Personalübernahme stellt höchste Anforderungen an die soziale Kompetenz des Managements: Wie soll es mit Ängsten, Verunsicherungen, unklaren Erwartungen, offenen und verdeckten Widerständen umgehen? In welcher Verfassung befinden sich die Mitarbeiter, denen nach jahre- und jahrzehntelanger Tätigkeit für "ihr" Unternehmen ein von ihnen nie in Erwägung gezogener Arbeitgeberwechsel bevorsteht?

Selbstverständlich ist es ein Unterschied, ob jemand einen Arbeitgeberwechsel aus freier Entscheidung vollzieht, also bewußt beim alten Arbeitgeber kündigt und ein neues Arbeitsverhältnis mit dem neuen Arbeitgeber seiner Wahl begründet, oder ob sein Arbeitsverhältnis als Folge eines Betriebsüberganges gemäß Paragraph 613a des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) auf einen anderen Arbeitgeber übergeht, den er sich nicht ausgesucht hat. Natürlich ändert daran sein Widerspruchsrecht wenig, weil er im Falle einer Wahrnehmung dieses Rechtes ein hohes Risiko eingeht, aus betriebsbedingten Gründen gekündigt zu werden.

Die Mitarbeiter haben vor dem Outsourcing eine Menge Ängste. Diese sind existentiell und sehr vielschichtig. Und wenn Angst erst einmal entstanden ist, läßt sie sich nur selten durch rationale Argumente wie etwa den Hinweis auf die Sicherheitsmechanismen des Paragraphen 613a BGB wieder beseitigen.

Die Liste der Ängste ist lang: Was wird aus meinem Arbeitsplatz? Bleibt mein Kündigungsschutz erhalten? In zwei Jahren hätte ich 25jährige Firmenzugehörigkeit gehabt - erhalte ich nun noch die großzügige Jubiläumszuwendung meines bisherigen Arbeitgebers? Wird meine Leistungszulage gestrichen? Was wird aus meiner Direktversicherung? Wird meine betriebliche Altersversorgung fortgeführt? Bekomme ich einen neuen Vorgesetzten, und wie werde ich mit ihm zurechtkommen? Bleiben die Regelungen aus Tarifvertrag und Betriebsvereinbarungen erhalten und wenn ja, für welchen Zeitraum? Und so weiter.

Zu den Ängsten gesellen sich häufig noch Wut und Enttäuschung über den "undankbaren" und "hartherzigen" bisherigen Arbeitgeber. Schließlich stößt der eine mit hohem Selbstwertgefühl ausgestattete Betriebseinheit von Mitarbeitern, die in all den Jahren engagiert gearbeitet hat, einfach ab.

Wenn solche Ängste und Verärgerungen zum Ausbruch kommen, sind in diesem sensiblen Geschäft bereits viele Fehler gemacht worden. Sie liegen in der Regel sowohl auf der Seite des abgebenden als auch auf der Seite des aufnehmenden Betriebes.

Die Irritationen ließen sich zumindest teilweise durch eine Reihe von Aktionen und Maßnahmen vermeiden. An vorderster Stelle ist es unabdingbar, Betriebsrat, Wirtschaftsausschuß und Belegschaft über das geplante Outsourcing rechtzeitig und umfassend zu informieren.

Rechtzeitig heißt in diesem Falle - unabhängig von allen betriebsverfassungsrechtlichen Interpretationen - zu einem Zeitpunkt, bevor Gerüchte über die geplante Outsourcing-Maßnahme durch den Betrieb geistern. Die Verantwortung dafür obliegt dem abgebenden Betrieb, aber ein professionelles Outsourcing-Unternehmen wird natürlich seine Beratung und Hilfestellung anbieten und geben.

Zweitens brauchen die Betroffenen in mehreren Punkten Klarheit. Sie müssen über die zukünftige Struktur und das Management für die auszugliedernde Betriebseinheit Bescheid wissen. Und sie benötigen Informationen über die zukünftigen Rahmenbedingungen (Arbeitsvertrag, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarungen) für die Arbeitsverhältnisse der zu übernehmenden Mitarbeiter.

Natürlich ist es nicht damit getan, sich um Fehlervermeidung zu kümmern. Die wichtigste Aufgabe besteht in der Vermittlung von Perspektiven. Das aufnehmende professionelle Outsourcing-Unternehmen muß nicht nur vermitteln, sondern glaubhaft machen, daß eine große Chance darin besteht, zu einem Unternehmen zu wechseln, das Datenverarbeitung als sein Kerngeschäft betreibt.

Während sich das abgebende Unternehmen auf sein Kerngeschäft konzentriert - also die Produktion von Maschinen, den Vertrieb von Verbrauchsgütern, die Erbringung von Dienstleistungen - betreibt ein Outsourcer als sein Kerngeschäft leistungsfähige und effiziente Rechenzentren für Kunden unterschiedlicher Branchen.

Wo liegen die Chancen für die übernommenen Arbeitnehmer? Das Spektrum der Datenverarbeitung und das damit verbundene Aufgabenfeld wird erheblich größer. Das betrifft die Vielfalt der Hardware-Plattformen (IBM-Host, AS/400, Unix, Intel-PCs) ebenso wie die eingesetzten Betriebssysteme (MVS, VSE, Unix [AIX, Solaris], Windows 95 oder NT), die Datenbanksysteme (Oracle, Informix, Sybase, SQL Server) und die standardisierte Anwendungssoftware (SAP, Baan, MS-Office etc.). Dazu kommen Aufgaben im Bereich der Netzwerke (WAN, LAN, TCP/ IP, Token Ring, Fast Ethernet) und des PC-Supports bis hin zur Einrichtung international ausgerichteter Service-Management-Center.

Befähigte Arbeitnehmer werden über ihre bisherigen Tätigkeiten hinaus in Projektgruppen eingesetzt, unterstützen den Vertrieb und haben über vermehrten Kundenkontakt die Chance, in ganz andere Tätigkeitsfelder hineinzuwachsen. Kundenorientierung und damit die Entwicklung von sozialen Fähigkeiten bekommen einen ungleich höheren Stellenwert als bisher. Mitarbeitern mit entsprechendem Entwicklungspotential bieten sich neue Karrierechancen.

Glaubwürdigkeit erschöpft sich nicht im Aufzeigen neuer Perspektiven. Zur Glaubwürdigkeit gehört auch, klar und direkt die Mitarbeiter anzusprechen, deren Arbeitsplätze durch Ausschöpfung von Synergien entfallen werden. Das verlangt, mit ihnen Beschäftigungsalternativen zu planen, wobei auch das Ausscheiden von Mitarbeitern nicht tabu sein kann.

Wer den Standpunkt vertritt, es müsse immer alles so bleiben, wie es ist, für den sind Schwierigkeiten bis hin zum Verlust des Arbeitsplatzes vorhersagbar. Wer den Wandel als Chance begreift, dem öffnen sich in einem Outsourcing-Unternehmen neue und spannende Entwicklungen.

Auszug aus $ 613A BGB

"Geht ein Betrieb oder Betriebsteil (...) auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den (...) bestehenden Arbeitsverhältnissen ein.

Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrages oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so (...) dürfen (sie) nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Übergang zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden (...).

Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam."

Angeklickt

Die Gerüchte und die Unruhe sind meist da, bevor die Outsourcing-Pläne überhaupt offiziell bekannt sind. Die Mitarbeiter haben zu Recht zahlreiche und existenzielle Ängste, die sich emotional entladen können. In solchen Fällen haben das auslagernde Unternehmen und der Outsourcer Fehler gemacht. Der Hinweis auf Paragraphen nützt nichts. Die Betroffenen brauchen Klarheit in vielen Punkten. Und ein Outsourcer muß ihnen nicht nur erklären, sondern vielmehr glaubhaft machen, daß sich ihnen neue Chancen eröffnen.

*Peter Effinger ist Personalleiter bei der Sema Group Outsourcing GmbH in Hamburg.