Bewerbungsstrategien in der Rezession (Teil 7)

Nur schnelle Reaktion hilft gegen Karrierekiller Arbeitsplatzabbau

27.08.1993

Wer als Arbeitnehmer vom Personalabbau betroffen ist, sollte fruehzeitig reagieren. Alle zur Verfuegung stehenden Moeglichkeiten und Mittel sind auszuschoepfen, um an einen neuen Job zu gelangen. Nur so laesst sich nach Bernd Anderschs* Auffassung die berufliche Zukunft sichern.

Die Praxis zeigt allerdings ein anderes Bild. Viele, insbesondere juengere Mitarbeiter gleich welcher Ebene und welchen Ausbildungsniveaus, unterschaetzen den Ernst der Situation. Hinzu kommt, dass gerade DV-Profis die eigenen Qualifikationen und deren Nachfrage ueberschaetzen. Als Ergebnis wird auf entschiedene oder vorhersehbare Rationalisierungsmassnahmen viel zu spaet reagiert. Auch fallen die Anstrengungen um einen alternativen Arbeitsplatz, gemessen an der gesamtwirtschaftlichen Lage, oftmals zu gering aus.

Zu spaet beginnen Mitarbeiter, denen der Jobverlust droht, sich um einen neuen Arbeitsplatz zu kuemmern. Wann sollte aber auf den drohenden Verlust des Arbeitsplatzes reagiert, welche Massnahmen sollten ergriffen, welche Entscheidungen getroffen werden? Wer das unternehmerische Geschehen mit wachen Augen verfolgt, Situationsgespuer und gute informelle Kanaele besitzt, erkennt meist schon in angemessenem Zeitraum (sechs bis zwoelf Monate) vor definitiver Abbauentscheidung ausreichende Indikatoren, um die moegliche Entlassung abzusehen.

Wer bereits jetzt reagiert, dem bleibt die meiste Zeit fuer die Suche. Er kann unter relativ geringem Druck die Stellenangebote der Tageszeitungen und Fachzeitschriften studieren und warten, bis ein seinen Vorstellungen entsprechender Arbeitsplatz angeboten wird. Er kann Stellengesuche schalten und sich mit dem zugkraeftigen Praedikat "ungekuendigt" anbieten.

Er kann unaufgeforderte Bewerbungen abgeben und den Vorstellungsgespraechen noch gelassen entgegensehen. Hat er eine Alternative gefunden, kann er offen beim Arbeitgeber um den Stand der Abbauentscheidung ueber den eigenen Arbeitsplatz nachfragen und sich Klarheit verschaffen, ob seine bisherigen Spekulationen zutreffend waren. Moeglicherweise faellt aber die definitive Entscheidung fuer oder gegen einen Personalabbau in die laufenden Suchbemuehungen. Geht die Entscheidung zu Ungunsten des Arbeitnehmers aus, befindet sich der Betroffene im zeitlichen Vorsprung.

Verhaeltnismaessig gut ist die Situation noch fuer die Kandidaten, denen von der Entscheidungsmitteilung bis zum Ausscheiden aus dem Unternehmen ein laengerer Zeitraum (vier bis sechs Monate) verbleibt. Ihr Zeitdruck ist aber erheblich groesser. Das Damoklesschwert Arbeitslosigkeit hat schon sichtbare Konturen angenommen. Daher muessen die Bemuehungen am Arbeitsmarkt um so intensiver ausfallen. Reaktionen auf Stellenangebote reichen nicht mehr aus. Der kuerzeste Weg zu potentiellen Arbeitgebern oder deren Personalberatern muss gewaehlt werden.

Es empfiehlt sich zum einen, mehrere Stellengesuche in verschiedenen Zeitungen und Fachzeitschriften zu plazieren und zum anderen, Initiativbewerbungen abzuschicken. Die Aussendung von nur 20 oder 30 Bewerbungen ist eher ein Tropfen auf den heissen Stein.

Schlechte Chancen haben die Kandidaten, die unter erheblichem Zeitdruck stehen. Wer sich bis zum Tag des endgueltigen Ausscheidens beim alten Arbeitgeber Zeit laesst, um den Ernst der Lage zu erkennen, muss verpasste guenstigere Zeitpunkte durch ein sehr viel hoeheres Bewerbungsengagement ausgleichen. Das Praedikat "arbeitslos" haengt ihm an.

Solche Kandidaten begehen dann meist den zweiten Fehler: Aufgrund der zu erwartenden Einkommenseinbussen sparen sie im Bewerbungsgeschaeft. Aus Angst heraus wird zudem waschkoerbeweise eine Standardbewerbung auf passende und unpassende Stellenangebote verschickt. Das merken die Einsteller sofort und werten dies nicht unbedingt als ausdrueckliches Interesse des Kandidaten an Position und Unternehmen. So droht dann auch dem noch so qualifizierten Bewerber schnell das Schicksal der Langzeitarbeitslosigkeit.

Und was tun, wenn der richtige Zeitpunkt verpasst wurde, die Arbeitslosigkeit nicht mehr abwendbar ist? Hier sollte der Betroffene nach sinnvollen Weiterqualifizierungen suchen. Zudem ist an eine voruebergehende freiberufliche Taetigkeit in Handel, Beratung oder Training zu denken.

Es muessen auf jeden Fall Beschaeftigungen her, die bei der Stellensuche positiver als die passive Arbeitslosigkeit zu verkaufen sind. Der Zugzwang ist bei solchen Kandidaten natuerlich besonders hoch. Das Suchengagement muss trotz der wenig motivierenden persoenlichen Gesamtsituation vorbildlich sein. Nur so kann man sich aus der beruflichen Misere befreien.

*Bernd Andersch hat in Fach- und Fuehrungsfunktionen Org./DV gearbeitet und ist heute selbstaendiger Karriere- und Unternehmensberater sowie Management-Trainer in Detmold.