Nur mehr ein Stecker fuer alle Peripheriegeraete Mit zwei Initiativen will Intel PCs von Kabeln und Karten befreien

31.03.1995

MUENCHEN (kk) - Intel startet den Fruehjahrsputz im PC. Mit zwei aufeinander aufbauenden Initiativen will die Grove-Company Ordnung schaffen. Unter dem Namen "Native Signal Processing" (NSP) laeuft ein Entwicklungsprojekt mit dem Ziel, die Anzahl der verschiedenen Einsteckkarten im PC-Gehaeuse zu reduzieren. Eine zweite Aktion betrifft den "Universal Serial Bus" (USB).

Dahinter verbirgt sich das Konzept, nur mehr einen einzigen, genormten, runden Stecker fuer alle Peripheriegeraete zu verwenden. An der Weiterentwicklung der seriellen Schnittstelle, die auf eine Datentransferrate von 1,5 MB/s (derzeit betraegt sie zirka 400 KB/s) gebracht werden soll, beteiligen sich neben Intel auch die Branchengroessen IBM, Compaq, Digital Equipment, Northern Telecom, NEC sowie Microsoft.

Das Ziel ist - unter Einhaltung der Plug-and-play-Spezifikationen - die Reihenschaltung von bis zu 128 Peripheriegeraeten, ausgehend von einer Buchse im Rechner. Daran angeschlossen ist beispielsweise die Tastatur, von der ein Kabel zur Maus fuehrt, das von dort zum Drucker und dann in den Scanner geleitet wird und schliesslich im Telefon endet.

Die ersten Rechner mit USB sollen zur Herbst-Comdex vorgestellt und noch in diesem oder Anfang naechsten Jahres ausgeliefert werden. Nach Angaben der CW-Schwesterpublikation "Infoworld" wird Microsoft USB im ersten Release von Windows 95 nicht unterstuetzen, will aber in zukuenftigen Versionen Treiber einbauen.

Auch IBM plant fuer sein Betriebssystem OS/2 eine Unterstuetzung des erweiterten seriellen Ports - das Auslieferungsdatum ist ebenfalls noch unbekannt. Intel ist von der Zukunft des USB so ueberzeugt, dass man ueberlegt, den noch zu kreierenden Standard in alle zukuenftigen Chipsets rund um den Prozessor einzubeziehen.

Pferdefuss in technischer Hinsicht

Die Initiative - so sinnvoll sie dem Anwender erscheinen mag - hat allerdings in technischer Hinsicht einen Pferdefuss, kritisiert Tobias Thuemmler aus der Muenchner Motorola-Zentrale. Das vorgesehene einheitliche Steckerformat sei sicher sinnvoll, und auch das Durchschleifen der Kabel in einfachen E/A-Geraeten wie Tastatur und Maus sollte keine Probleme bereiten. Schwierig werde es, wenn unterschiedliche Anforderungen an Bus-Systeme und Bandbreiten auftreten: "Soll SCSI, Networking oder eine Hochgeschwindigkeitsuebertragung ueber den USB laufen, dann muss noch erhebliche Entwicklungsarbeit geleistet werden. Da steht man erst am Anfang." Intel wird den Universal Serial Bus auf jeden Fall durch das Native Signal Processing unterstuetzen lassen. Mit diesem Konzept will der Prozessorkroesus ebenfalls den Wildwuchs im PC beschneiden. Hierbei geht allerdings nicht um die Abschaffung des Kabel-Wirrwarrs, sondern um die Verringerung der Zusatzkarten fuer Audio, Video-Playback oder Spracherkennung.

Bei NSP wird die Signalverarbeitung, die bislang in Intel-PCs speziellen Digital Signal Processors (DSPs) auf Erweiterungskarten vorbehalten war oder von Zusatzhardware erledigt wurde, von der CPU uebernommen. Profitieren soll der Kaeufer eines neuen PCs, dem mit dem Rechner auch gleich die Basisfunktionen fuer Multimedia- Applikationen mitgeliefert werden.

Als Voraussetzung fuer die Bewaeltigung der zusaetzlichen Rechenarbeit nennt Intel in einem "White Paper" eine CPU der Leistungsklasse Pentium mit mindestens 100 Megahertz Taktfrequenz. Solche Prozessoren seien in der Lage, gleichzeitig Sprachkompression/Dekompression durchzufuehren, waehrend nebenbei etwa ein zweiter, dritter oder vierter Audiokanal bedient, eine Indeo-Video-Dekompression und eine Excel-Tabelle abgearbeitet werden.

Moeglich macht das Intels Version des Echtzeit-Betriebssystems "Spox" von Spectron Microsystems, das fuer Aufgaben der Signalverarbeitung konzipiert war. Der Chipgigant modifizierte es fuer den Pentium und bringt es unter dem Namen "1A-Spox" auf die Desktop-CPU.

Bereits im Februar 1994 verkuendeten Microsoft und Spectron die intensive Unterstuetzung fuer DSP-Aufrufe von Spox unter dem Namen "Winspox" im zukuenftigen MS-Betriebssystem Windows 95. Die gleichen Calls sollen nun dem Pentium Faehigkeiten zur Signalverarbeitung entlocken.

Grove: Das PC-Konzept muss sich aendern

Die Intel Corp. folgt damit ihrem Vordenker und CEO Andy Grove, der als prominenter Gastredner auf der Herbst-Comdex 1994 in Las Vegas dem herkoemmlichen PC-Konzept den alsbaldigen Tod prophezeit hat. Ein PC bestehe derzeit aus einer Hauptplatine mit dem Prozessor und vielen Zusatzkarten, was sich auf lange Sicht nicht bewaehren koenne, da dieses Konzept aufwendig und teuer sei und die Standardisierung sehr schwierig mache.

Durch die verbesserten Leistungsdaten moderner Prozessoren hofft Intel, die Basisfunktionen fuer Multimedia-Anwendungen wie Software-Videoplayback, digitales Stereo-Audio, Spracherkennung oder elektronisches Musical Instruments Digital Interface (MIDI) in allen PCs bereitstellen zu koennen. Dabei sollen, so die Ueberlegungen des Chipfabrikanten, die Hersteller von Einsteckkarten trotz des

"Soft-DSP" der CPU auch weiterhin ihr Auskommen haben. Sie muessten ihre Multimedia-Produkte, die vielfach schon mit Spox-Tools entwickelt wurden, nur auf das Native Signal Processing der zukuenftigen Pentiums ausdehnen und koennten dann die bereitgestellten Basisfunktionen mit ihren Produkten erweitern.

Von den deutschen Kartenherstellern sind derzeit nur spaerliche Informationen zu diesem Thema erhaeltlich. Der Trend scheint aber dahin zu gehen, dass sich Soundkarten durch Intels Native Signal Processing ersetzen lassen.

Fuer Videoverarbeitung und -Conferencing setzen die Spezialisten aber weiterhin auf spezielle Signalchips (DSP) wie etwa den "MVP" von Texas Instruments, der Bitbefehle schneller verarbeiten koenne als ein Pentium. Gerade bei Grafikkarten sei mit dem Aufkommen von Beschleunigerchips wie dem "S3" des gleichnamigen Herstellers eine enorme Leistungssteigerung zu verzeichnen gewesen.

"Im Prinzip ist das, was Intel vor hat, nicht neu, das gibt es in anderen Camps schon lange", kommentiert Motorola-Mann Thuemmler die Initiative.

Das Power-PC-Lager und hier insbesondere Apple stelle Funktionen wie Plug and play, Grafik oder die Bedieneroberflaeche bereits mit der CPU zur Verfuegung. Das von IBM auf der CeBIT vorgestellte Konzept des "Human Centric Computing", fuer die Sprachein- und - ausgabe, sei ein weiteres Beispiel.

Auch beim Video-Conferencing sei man im Power-PC-Lager schon weiter als Konkurrent Intel, der mit "Proshare" derzeit noch die eigene proprietaere Norm anbiete, waehrend "H.320" als Standard allgemein akzeptiert wuerde. "Salopp formuliert, kann man mit Proshare nur zu Proshare und nur auf Intelrechnern telefonieren, waehrend H.320-basierte Systeme auch eine analoge Uebertragung in heterogenen Hardware-Welten erlauben", argumentiert Thuemmler. Allerdings ist auch im Power-PC-Lager das Problem des Video- Conferencing mit Soft-DSP noch nicht vollstaendig geloest; bislang ist nur die eine Seite, das MPEG-Encoding per Software, verfuegbar. Zusammen mit Microsoft arbeite man aber an den fehlenden Teilen und Standards.

Intels Kampagne, so Thuemmler, unterstuetze das, was sich die Power- PC-Gemeinde von je her auf die Fahnen geschrieben habe: Die CPU sollte moeglichst viele Funktionen selbst erledigen, weil sich sonst der Aufwand nicht rechnet. Alles laufe darauf hinaus, dass der PC in beherrschbaren Kosten bleibt. Mag der Power-PC Kostenvorteile haben, so macht ein anderes Argument die Intel- Architektur unwiderstehlich attraktiv: Es gibt ein PC- Betriebssystem dafuer.