DV-Förderung für deutsche Hersteller

Nur IBM schuld an der Misere?

07.02.1975

Der Marktanteil der europäischen DV-Hersteller in der Bundesrepublik stagniert bekanntlich seit Jahren. Die Gründe liegen auf der Hand: IBM verfügt über einen Marktanteil von etwa 60 Prozent, so daß es den europäischen DV-Herstellern von vornherein schwerfällt, auf dem bereits vergebenen Markt Fuß zu fassen. Selbst die Bemühungen der Bundesregierung, die nationalen Unternehmen im Rahmen eines umfassenden Förderungsprogrammes finanziell zu unterstützen, hat an der Stagnation bislang kaum etwas ändern können.

BMFT-Umfrage

Eine Umfrage des Bundesmmisterium für Forschung und Technik unter etwa 60 sachverständigen Personen und Organisationen über die weitere Förderung der Datenverarbeitung nach dem Auslaufen des 2. DV-Programmes hat einige interessante Schlaglichter auf die Frage geworfen, warum sich die europäischen DV-Hersteller so schwer tun. Die Antworten, die zusammengefaßt in der Bundestagsdrucksache 7/2781 veröffentlicht sind, zeigen, daß das Problem nicht nur mit dem Hinweis auf die dominierende Stellung der IBM abgetan werden kann und darf.

So wird beispielsweise darauf hingewiesen, daß der gesamte europäische Rechnermarkt ein "relativ konservativer Mieter- beziehungsweise Käufermarkt" ist, der kein Risiko einzugehen bereit ist. Hinzu kommen "unbegründete Vorurteile der Kunden gegenüber den Leistungen und Erfahrungen der europäischen DV-Hersteller". Schließlich wird auch der "Vertrauensvorsprung der außereuropäischen Konkurrenz wegen des großen Marktanteils bezüglich Erfahrung, Finanzkraft, Service" von den Befragten angeführt. "Dieses Bild wird durch umfangreiche Werbung und durch Zurückhaltung objektiver Daten über das Verhalten der eigenen Rechner im täglichen Einsatz konsequent gepflegt.

Vertrauens-Defizit

In den Antworten der Fachleute wird aber auch deutlich, daß der geringe Marktanteil der europäischen DV-Hersteller nicht nur aus der Konkurrenzsituation gesehen werden darf. So wird beispielsweise auch auf das Fehlen "vollkompatibler Familienkonzepte" bei den europäischen Herstellern, auf das schlechte Preis/Leistungsverhältnis aufgrund geringer Stückzahlen, geringer Rationalisierungseffekte usw. hingewiesen. Der geringe oder fehlende Gewinn schlägt sich in den Ausgaben für Forschung und Entwicklung nieder, die bei den europäischen DV-Herstellern auch relativ weitaus geringer sind als beim Marktführer IBM. So sind die "Fortschritte bei der Festlegung von Geräteschnittstellen (zum Beispiel bei Wechselplattenspeichern) und auch bei Normungsarbeiten weitgehend von der Haltung des Marktführers und seinen Entscheidungen abhängig". Die europäischen DV-Hersteller müssen daher improvisieren und imitieren und geraten dabei naturgemäß stets in Zeitverzug. Zugleich entsteht die Gefahr, "gerade die nicht besonders erfolgreichen Konzepte betont nachzubilden". Schließlich wird in den Antworten auf die Umfrage des BMFT darauf hingewiesen, daß das Software-Angebot der europäischen Hersteller nicht breit genug sei. So fehle beispielsweise eine ausreichend wirksame "Bridgeware" zur Programmumstellung. Da sich der Kunde außerdem durch umfangreiche Assemblerprogrammierung stark in die Abhängigkeit vom Hersteller begebe, sei es nur sehr schwierig, in vorgegebene Markte einzudringen.

Auch Anwender-Stimmen

Der Katalog der Antworten zeigt, daß nicht nur DV-Hersteller gefragt wurden, sondern daß das BMFT sich auch an Vertreter von Rechenzentren, hochschulfreie Forschung, sowie Anwendern gewandt hat. Interessant dürfte aber auch die Auswahl der jetzt veröffentlichten Antworten sein, mit der bereits Politik gemacht wird. Sicher gibt es noch einige weitere gewichtige Argumente, die das Stagnieren des Marktanteils plausibel machen könnten.

In diesem Jahr läuft das 2. DV-Programm der Bundesregierung aus. Die Vorbereitungen für die weitere Förderung werden in den Bonner Ministerien bereits getroffen. Es bleibt daher abzuwarten, welche Konsequenzen das BMFT aus dem Ergebnis der Umfrage ziehen wird. Zur Zeit deutet alles darauf hin, daß auch weiterhin die nationalen DV-Hersteller besonders gefördert werden sollen. Ohne Zweifel wird Bonn dabei aber großes Gewicht auf eine Kooperation auf europäischer Ebene legen.