Fortschritte bei Linux-Desktops noch nicht groß genug

Nur Fenster nach Windows-Norm?

02.11.2001
Es gibt zwei Benutzeroberflächen für Linux-PCs. Pakete mit bürotypischen Anwendungen ebenfalls. Viele Anwender aber bleiben bei Windows und Microsoft Office - mit entsprechenden Konsequenzen für das Marktgeschehen. Von Thomas Eduak*

An die Erfolge von Linux im Server-Markt hat man sich gewöhnt. Aber signifikante Anteile auf dem Desktop konnte das quelloffene Betriebssystem bisher nicht erringen. Dabei bringt Linux in der Zwischenzeit so gut wie alles mit, was ein Desktop-Betriebssystem braucht: einfache Installation, Bedienungskomfort durch eine grafische mausbediente Benutzeroberfläche und Applikationen.

Selbst "Linux-Vater" Linus Torvalds ist begeistert. Im August dieses Jahres fand er auf der Linuxworld in San Francisco besonders warme Worte für die Benutzeroberfläche "KDE" und das zugehörige Anwendungspaket "Koffice". Zu Recht: Die Entwicklung dieses Desktops und der zugehörigen Komponenten geht in einem erstaunlichen Tempo vonstatten. Bereits Anfang des kommenden Jahres soll die gerade aktuelle Version KDE 2.2 durch die Version 3.0 abgelöst werden. Die erste Beta dazu ist für November angekündigt. Die wichtigste Änderung dürfte hierbei die Integration der Basisbibliothek Qt 3.0 der Firma Trolltech sein.

Auffällig ist, dass man KDE in den USA zunehmend Anerkennung zollt. Noch vor einem Jahr wurde das Projekt gegenüber dem Konkurrenzprodukt Gnome in der Öffentlichkeit eher stiefmütterlich behandelt. Vor allem die Gründung der Gnome-Foundation, an der IT-Schwergewichte wie IBM, Hewlett-Packard und Sun beteiligt sind, bescherte dem Gnome-Projekt viele Vorschusslorbeeren.

Doch inzwischen ist es ruhiger um Gnome geworden. Die Frühjahrs-Pleite der Firma Eazel, angetreten mit dem Ziel, die Benutzung des Gnome-Desktops "dramatisch zu vereinfachen", war ein Rückschlag. Zugleich mehrten sich die Stimmen, die auf die technische Überlegenheit und Ausgereiftheit von KDE verwiesen.

Keine Chance gegen Microsoft?Doch damit ist das Rennen nicht entschieden. Das starke Commitment und die Mitarbeit von Sun, das Gnome als Standard-Desktop ihrer Workstations anbieten will, stärken das Projekt immens. Zielstrebig sind die Arbeiten an der Version 2.0 aufgenommen worden.

Trotz technologischer Fortschritte dämpften die Teilnehmer der alljährlichen Linux-Desktop-Sommerlochdiskussion die Hoffnungen. So zum Beispiel Intel-CEO Craig Barret: Weil er eine mit Windows vergleichbare Vielfalt von Applikationen vermisst, sieht er für Linux in der nahen Zukunft wenig Chancen. Da passte die Mitteilung von Dell, den Verkauf von Desktop-Linux-Systemen einzustellen, wie die Faust aufs Auge. Steve Smith, Dell-Verantwortlicher für Client-Systeme in Europa, kanzelte Linux als technisches Betriebssystem ab, das nicht für Anfänger ausgelegt sei.

Die Kritik ist nicht ganz nachzuvollziehen. Applikationen gibt es für Linux reichlich, professionelle und ausgereifte Office-Applikationen eingeschlossen. Zu den bekannten Desktop-Produkten "KOffice", "Star-Office", "Gimp", "Gnome Office", "Wordperfect" und "Applixware" gesellten sich dieses Jahr zwei weitere Lösungen: "Hancom Office" vom größten koreanischen Softwarehersteller Hancom sowie "Ximian Desktop" aus dem Bostoner Softwarehaus Ximian, der Firma des Gnome-Initiators Miguel de Icaza (siehe Kasten).

Was den Erfolg des Linux-Desktops gefährdet, ist die altbekannte Tatsache, dass Linux gegen ein Monopol ankämpft. Microsoft Office gilt als die Büro-Applikation schlechthin. Für Linux ist die Software jedoch nicht verfügbar. Und auch bei einem ausgereiften Linux-Office-Paket wie Star-Office lassen sich zwar Windows-Dateien lesen und schreiben, doch hapert es mit der originalgetreuen Formatierung.

Einer Umfrage von "Heise online" zufolge halten PC-Anwender das Fehlen eines zu Microsoft vollständig kompatiblen Office-Büropaketes denn auch für das größte Manko von Linux. Mehr als 90 Prozent der Linux-Anwender, so das Ergebnis, setzen auf dem Desktop ein weiteres Betriebssytem ein - fast immer Windows. Das deckt sich mit den Zahlen von IDC, nach denen sich Linux auf dem Desktop mit gerade zwei Prozent gegenüber Marktführer Microsoft wie David gegen Goliath ausnimmt.

Linux hat also auf dem Desktop das Henne-Ei-Problem: Solange auf der einen Seite die kritische Masse an Installationen nicht vorhanden ist, scheuen die Softwarehersteller die Kosten für die Unterstützung dieser für sie zusätzlichen Plattform. Solange es aber auf der anderen Seite nicht die nachgefragte Software unter Linux gibt, sehen die Anwender keine Möglichkeit für einen Wechsel.

Kein Preisvorteil für die KundenZwei weitere Faktoren erschweren einen solchen Wechsel. Erstens ist beim Neukauf eines Rechners in der Regel Windows vorinstalliert. Falls es doch einmal Linux ist, wird der Preisvorteil oft nicht an die Kunden weitergegeben. Zweitens sind die User im Umgang mit dem Rechner auf Microsoft getrimmt. Eine andere, wenn auch objektiv ebenso intuitiv zu bedienende Oberfläche erscheint den meisten Anwendern komplizierter.

Die größten Erfolge konnte der Linux-Desktop daher nur bei staatlichen Einrichtungen und Organisationen erzielen, die von den immensen Lizenz-Einsparungen angelockt werden. Unabhängig davon: Sowohl Gnome als auch KDE haben eine starke Fan- und Entwicklergemeinde. Entsprechend schnell schreiten die Projekte voran.

*Thomas Eduak ist freier Journalist in München.

Facts rund um den Linux-DesktopMärz 2001

Die International Data Corp. (IDC) bescheinigt Linux auf dem Desktop einen Marktanteil von zwei Prozent.

Mai 2001

Gnome-Promoter Eazel schließt seine Pforten.

August 2001

Aufgrund geringer Nachfrage stoppt Dell den Verkauf von Linux auf Desktop-PCs.

Release von KDE 2.2 sowie KOffice 1.1

KDE erhält auf der Linuxworld in San Francisco den Preis als bestes Open-Source-Projekt.

Die Linux-Company Ximian des Gnome-Initiators Miguel de Icaza kündigt einen Ximian Desktop an.

Die koreanische Firma Hancom präsentiert ihre "Hancom Office Suite 2.0" in englischsprachiger Version.