Null-Lösung auf italienisch soll System 2 Paroli bieten:Olivettis PC-Konzept betont Unabhängigkeit

03.07.1987

MÜNCHEN/IVREA (CW) - Abgrenzung gegenüber der IBM: Bei der Ankündigung einer neuen Reihe von PCs hat das Olivetti-Management gegen einen verfrühten Einsatz des neuen Betriebssystems MS-OS/2 Stellung bezogen. Die 1987er Modelle M-240, M-280 und M-380 der Italiener sind zwar als direkte Konkurrenz zu IBMs System /2 gedacht, laufen aber bis auf weiteres unter MS-DOS.

Olivetti vertraut auf ein langes Leben des mittlerweile klassischen PC-Betriebssystems MS-DOS. Zu der in Kürze auf den Markt kommenden Neuentwicklung MS-OS/2 hingegen bewahrt das Unternehmen vorerst kritische Distanz, weil der vorläufige Mangel an Anwendungssoftware dem Absatz nur hinderlich sein würde. Mit dieser Politik - das machten die beiden Generaldirektoren des Konzerns, Vittorio Levi und Elserino Piol, auf der Hauptversammlung am Stammsitz Ivrea im Aostatal deutlich - will sich der Konzern gegenüber dem amerikanischen Marktführer profilieren.

Nicht, daß die Nachfolgesysteme der Geräte M24 (jetzt M 240) und M28/M28SP (jetzt M280/281) oder der neue 32-Bit-Rechner M380 für das kommende Microsoft-Betriebssystem nicht vorbereitet wären - MS-OS/2 soll eines Tages ebenso angeboten werden wie die Xenix/Unix-Variante V/386 -, aber Chefstratege Piol erklärte ein Umschwenken auf den MS-DOS-Nachfolger fürs erste als Zukunftsmusik: "Für die Verbreitung dieses Betriebssystems muß zunächst Software entwickelt werden, mit der sich alle seine Möglichkeiten ausschöpfen lassen. Aber bis 1990 werden wohl nur ungefähr 1000 Programme zur Verfügung stehen. Diese Zahl vergleicht Piol mit rund 40 000 MS-DOS-Anwendungsprogrammen zum selben Zeitpunkt.

Italiener erwarten kein Rekordjahr

Daß das "unabhängige Standard-Betriebssystem" für Olivetti wirklich noch Zukunft hat, belegt der Strategie-Direktor mit der Prognose, daß MS-DOS in drei Jahren weltweit auf insgesamt 53 Millionen PCs installiert sein werde. Allerdings gesteht Piol ein, daß bis dahin der Marktanteil der gehobenen PCs, die auf den Prozessoren 80286 und 80386 basieren, auf 55 Prozent aller Installationen steigen wird. Deren Anwender bildeten das Kundenpotential für die neue Systemsoftware.

Mit seiner Sowohl-als-auch-Politik, die MS-DOS in den Vordergrund stellt und dem Unternehmen die Hintertür zum noch kaum abschätzbaren PS/2-Markt freihält, tritt das Management in Ivrea zu einem Zeitpunkt an die Öffentlichkeit, an dem die Unsicherheit über Big Blues neue Linie bei Kunden und Börsianern ihren Gipfel erreicht hat. An der Wall Street überschlagen sich seit fast drei Wochen die Horror- und Jubelmeldungen um das neue Schrägstrich-Konzept der IBM.

Die Aktien-Fieberkurven etlicher Hersteller von Add-ons für herkömmliche PCs bekamen im Juni kräftige Zacken nach unten, weil viele Börsenanalysten in eine /2-Euphorie eingestimmt hatten: Wer von den "alten" Geräten lebte, galt als Anbieter ohne Zukunft. Bald hieß es die Nachfrage nach IBMs Wunderwaffe sei enttäuschend, was negative Effekte auf fast alle Technologiewerte hatte.

Doch dann kamen die Analysten dahinter, daß das /2-Gerede den zunächst in Mitleidenschaft gezogenen AT-Markt in Wirklichkeit stimulierte. William Lowe, Chef von IBMs Entry Systems Division - die fest entschlossen ist, den AT bald sterben zu lassen - konterte, dank eines Auftragsbestands von einer halben Million PS/2-Geräten werde 1987 ein Rekordjahr für den Marktführer.

Olivetti rechnet trotz der neuen Modelle nicht mit einem Rekordjahr. Wie erwartet drückt die kostspielige Sanierung der Tochter TA Triumph-Adler AG auf die Gewinne. Außerdem hat der US-Telecom-Konzern AT&T Corp., der 25 Prozent an der Olivetti SpA hält, im Computerbereich eine Strukturkrise zu überwinden. Obwohl AT&Ts PC-Division seit letztem Herbst von Olivetti-Manager Vittorio Cassoni geleitet wird, erwarten die Italiener im USA-Geschäft dieses Jahr einen drastischen Einbruch .

Verwaltungsratsvorsitzender Carlo de Benedetti gestand laut "Financial Time" vor der Hauptversammlung, dieses Jahr würden "weniger als 40 000" Einheiten nach Amerika geliefert - nach 215 000 im Vorjahr. Andere Quellen freilich wollen gehört haben, es seien "40 000 Einheiten weniger" gewesen als 1986. Im kommenden Jahr soll die Scharte jedoch wieder ausgewetzt werden. Bis dahin will der Konzern sich mit einer Public-Relations-Kampagne als die "unabhängige" Alternative zu IBM profiliert haben, die dem Anwender die Wahl zwischen AT- oder /2-Kompatibilität läßt.