Nützliche Fachidioten?

25.11.1983

Jahrelang als Fachidioten abgestempelt, die die schüchternen Endbenutzer nicht zu Wort kommen lassen, werden die Computer-Spezialisten in großen Organisationen neuerdings von den Personal-Computer-Anbietern eifrig hofiert. Motto: "DV-Leiter, befreit Euch."

Der Umstand, daß Anwendungsstaus bestehen, infolge steigender User-Anforderungen, wird von den PC-Vertreibern als Problem der inneren (DV-)Organisation definiert. Dabei wird unterstellt, daß das DV-Management auf Hilfe von außen angewiesen ist. Gerieten die armen DV-Chefs schon bei dem bloßen Gedanken an einen möglichen PC-Wildwuchs in den Fachabteilungen ins Schwitzen, dies die Argumentation, so wären sie vollends überfordert, verteilte Datenverarbeitung in einem PC-Rechnerverbund zu realisieren. Begründung der Verkäufer: Im Mikromarkt ist so viel Bewegung, daß ein PC-Novize unmöglich den Überblick behalten kann. Und PC-Laien seien sie doch allesamt, die Kollegen von der Hostrechnerei.

Natürlich müssen sich die DV-Oberen heute mit der Frage befassen, ob es wirklich sinnvoll ist, daß die Fachbereiche unkontrolliert PCs ordern, Insellösungen mit Geräten schaffen, die womöglich inkompatibel sind. Da haben die Produzenten recht, wenn sie vor einer PC-Autonomie in großen Unternehmen warnen.

Nur sollte man das Pferd nicht vom Schwanz aufzäumen. Bisher müssen die DV-Spezialisten doch darauf vertrauen, daß es den Computerherstellern gelingt, die richtige Hardware, die richtige Software für verteilte Datenverarbeitung zu entwickeln und bereitzustellen. Und bisher sind die Ergebnisse hinter den Erwartungen zurückgeblieben. In Betriebssystem-Umgebungen etwa, die ihre Wurzeln im Batch haben, können nun einmal transaktionsorientierte Anwendungen nicht gut gedeihen.

Sich damit auseinanderzusetzen, wie denn Computerleistung im Sinne des "Distributed Data Processing (DDP)" zu verteilen ist, hieße folglich die Grundlagen der Hersteller-Konzepte in Frage zu stellen. Nun, genau das haben viele DV-Chefs getan - freiwillig übrigens, ohne vorher die Anbieter um Erlaubnis zu fragen. Das Resümee fällt für die DV-Industrie nicht gerade schmeichelhaft aus. Daß mit den heute verfügbaren Mitteln (Hostrechner, Front-End-Prozessoren, Datenstationen, Kommunikations-Software) wirklich benutzernahe Datenverarbeitung möglich ist, dieser Beweis fehlt. Neue Architekturen, etwa IBMs XA, schaffen kaum Abhilfe. Immer wenn die Rede davon ist, muß sich der Anwender auf mehr Hardware, mehr Software gefaßt machen. Darin liegt das ganze Geheimnis der Großrechner-Expansion, von der letztlich nur die Hersteller profitieren.

Die Personal-Computer-Idee enthält also in der Tat etwas Neues. Die Datenverarbeitung wird, aus Benutzersicht, unproblematischer, auch die Kostenargumente überzeugen. Insofern rennen die PC-Anbieter bei den DV-Managern offene Türen ein. Daß sie sich aus purer Nächstenliebe der DDP-Problematik widmen, nimmt man ihnen freilich nicht ab. Einstweilen spricht mehr dafür, daß man den Weg des vermeintlich geringsten Widerstands gehen, den DV-Experten als PC-Propagandisten vorschieben will: Ein nützlicher Idiot, der nicht weiß, wie er allein aus der Großrechner-Misere mit all ihren Begleiterscheinungen (Datenbank-Verhau, schludrige Dokumentation, schlechte Antwortzeiten, nörgelnde Endbenutzer) herauskommt, der Angst hat, Substanz und Ruf zu verlieren.

Wer so denkt, geht von falschen Prämissen aus. Es ist anders. Peinlich genug für die PC-Industrie, dies hervorheben zu müssen.