NT-Anwendungen laufen demnaechst auch unter Open VMS Digital bemueht sich um Ordnung in der Betriebssystem-Strategie

28.07.1995

MUENCHEN (CW) - Die Digital Equipment Corp. wird von ihrer Betriebssystem-Strategie, die sich auf die drei teilweise miteinander konkurrierenden Systeme Open VMS, Windows NT und Digital Unix (ehemals OSF/1) stuetzt, nicht abweichen. Allerdings ist eine Integration von Open VMS und Windows NT geplant - mit dem Ergebnis, dass die meisten NT-Anwendungen nach einfacher Rekompilation auch unter Open VMS laufen sollen.

"Open VMS bleibt auch 1997 ein Fuenf-Milliarden-Dollar-Markt", beruft sich Michael Peuker, verantwortlich fuer Betriebssysteme bei der Digital Deutschland GmbH in Muenchen, auf Marktforschungsergebnisse. Wenngleich der Anteil des Unix- und des NT-Geschaefts zuungunsten des Open-VMS-Absatzes steige, gebe es keinen Anlass, diesen sehr gewinntraechtigen Markt zu vernachlaessigen.

Digital positioniert Open VMS als High-end-Betriebssystem, das in einem dreischichtigen Client-Server-Modell vor allem den Datenbank-Server-Part uebernehmen soll. Auf der Applikations- Server-Stufe sollen sich Anwender entweder ebenfalls fuer Open VMS oder fuer Windows NT entscheiden, waehrend fuer den Desktop Windows 95 oder Windows NT vorgesehen sind.

Die drei Ebenen kooperieren miteinander ueber Middleware-Produkte wie dem Corba-konformen Object Broker von DEC, der mit der OLE- Technik von Microsoft kompatibel ist, die DCE-Implementierung fuer Windows NT oder die nachrichtenorientierte Middleware "DEC Message Q". Zudem hat das Unternehmen mit dem Reliable Transaction Router (RTR) auf Windows NT eine Technik angekuendigt, die fehlertolerantes Transaktions-Routing ueber diverse Netzwerke hinweg erlaubt. Damit soll der Einsatz dreistufiger Transaktionsverarbeitungssysteme in einer reinen NT- oder in einer gemischten NT- und Open-VMS-Welt moeglich werden.

Parallel zur Windows-NT-Strategie setzt DEC nach wie vor auf das stark wachsende Unix-Geschaeft und hofft dabei nicht zuletzt auf einen Durchbruch des X/Open-Oberflaechenstandards Common Desktop Environment (CDE), der Unix auch im Low-end-Bereich zu einer interessanten Alternative machen koennte. Einen Widerspruch sieht das Management in dieser zweigleisigen Strategie nicht. Die meisten Hersteller, so Peuker, halten sich derzeit sowohl fuer NT als auch fuer Unix offen - man koenne es eben nicht riskieren, sich auf den Durchbruch einer der beiden Welten zu verlassen.

"Unix und Windows NT werden den Markt fuer Server-Betriebssysteme im Jahr 2000 beherrschen", prophezeit der Digital-Mann. Open-VMS- Anwender, so seine Theorie, muessen bei diesem Trend nicht aussen vor bleiben. Sie koennen kuenftig die Tausende von Windows-NT- Applikationen nutzen, die der Markt jetzt und in Zukunft bereitstellt.

Win-32-APIs wird es fuer Open VMS ebenso geben wie Microsofts Foundation-Class-Bibliotheken (MFC) und OLE 2.

Bereits jetzt lassen sich mit Werkzeugen wie Visual Basic, C, C++, Natural und Forte dreistufige Client-Server-Anwendungen erstellen, die sowohl Open VMS als auch NT unterstuetzen. Ausserdem duerfte eine verbesserte Integration Windows-basierter Desktop-Systeme moeglich sein - Argumente, mit denen Digital einem Exodus der Open-VMS- Gemeinde vorzubeugen hofft.