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NRW-Behörden unterstützen die Unix-Einführung Brandenburg

08.03.1991

BONN - Nicht nur die Unternehmen, sondern auch die Verwaltungen in den fünf neuen Bundesländern müssen derzeit ihre Informationssysteme neu gestalten. Da hier der Mangel an Zeit, Geld und Erfahrung leicht zu Fehlentscheidungen führen kann, läßt sich Brandenburg bei der Entwicklung seiner IT-Infrastruktur vom Unix-Vorreiter Nordrhein-Westfalen auf die Sprünge helfen.

Während die 1990 ausgesprochene Empfehlung des Bundesinnenministeriums für den Einsatz X/Open-konformer Software auf Mehrplatz-Systemen auch für die Bundesbehörden im Osten Deutschlands gilt, entscheiden die neuen Länder autonom über die Planung und Koordination ihrer Informationssysteme. Im kommunalen Bereich existieren bislang keine derartigen Richtlinien.

Von den alten Bundesländern hat bislang nur Nordrhein-Westfalen (NRW) eine definitive Entscheidung zugunsten der X/Open-Definitionen getroffen - und zwar bereits zwei Jahre vor dem Bundesminister-Erlaß. Niedersachsen und Hessen tendieren in dieselbe Richtung; andere Länder wie beispielsweise Baden-Württemberg verhalten sich eher reserviert.

Ziel einer verantwortlichen IT-Planung auf dem Gebiet der ehemaligen DDR sollte nach Ansicht von Fachleuten sein, die Chancen des nahezu kompletten Neuaufbaus zu nutzen und die Leistungsfähigkeit moderner DV-Systeme mit dem Vorteil der leichteren Portabilität zu verbinden.

Die mögliche Lösung dieses Problems nannte Dirk Henze, Leiter der Koordinierungs- und Beratungsstelle der Bundesregierung für Informationstechnik in der Bundesverwaltung, jetzt auf einer von der Zeitschrift "Behörden Spiegel" und der Unternehmensberatung Christian W. Zschaber veranstalteten Tagung beim Namen: "Diese Lösung könnte Unix heißen."

Die neuen Länder und Kommunen gehen das Thema Unix allerdings weitaus zögernder an, als zu erwarten wäre. Zu den Ursachen äußerte sich Bernd Kubsch, ehemaliger Unix-Entwickler bei Robotron in Dresden und seit dem vergangenen Jahr Leiter des Dresdner Entwicklungszentrums der Garmhausen und Partner GmbH, Bonn: "Ein Teil der potentiellen Kunden weiß sicher noch nicht, daß Unix die geeignete Lösung ist." Verbesserungen würden hier die Zusammenarbeit mit übergeordneten Institutionen sowie der Erfahrungsaustausch mit vergleichbaren Einrichtungen im Westen bringen.

Oftmals werden, so Kubsch, PC-Lösungen gewählt, um Geld zu sparen. Die Entscheidungsträger dächten dabei eher kurzsichtig; Folgekosten für Erweiterung und Umstellung blieben unberücksichtigt. Vielfach fehle es am notwendigen Wissen für zukunftsorientierte Entscheidungen.

Ursache für die schleppende Unix-Verbreitung in den neuen Länder- und Kommunalverwaltungen seien zum Teil auch die

Danaergeschenke der DV-Industrie, die den Anwendern im Osten bisweilen mit kostenlosen - proprietären - Systemen unter die Arme greift: "Großzügige Gaben der Hersteller verhindern die Orientierung auf Unix", erläuterte Kubsch. "Und die Zusatzprodukte müssen dann teuer bezahlt werden." Außerdem könne aufgrund späterer Erlasse eventuell dann doch noch ein Umstieg auf Unix notwendig werden. In Nordrhein-Westfalen beispielsweise beziehen sich die Empfehlungen des Innenministeriums auch auf den Austausch der vorhandenen Nicht-Unix-Systeme.

Im allgemeinen gilt, was Gerhard Veit, Direktor des Kommunalen Gebietsrechenzentrums Gießen, bestätigte: "Geschenkte Systeme sind letztlich die teuersten Systeme." Ausnahmen bestätigen allerdings die Regel.

Sinix-Rechner für zwei Jahre kostenfrei

So stellte das Land Nordrhein-Westfalen den Kollegen in Brandenburg für zwei Jahre kostenfrei einen Sinix-Rechner der Serie MX/300 mit fünf Endgeräten zur Verfügung. Das Potsdamer Innenministerium nahm ihn vor wenigen Tagen in Betrieb.

Da ein funktionstüchtiges System noch keine Garantie für eine effektive IT-Planung bietet, unterstützen die Düsseldorfer ihr Partnerland ebenfalls beim Aufbau der organisatorischen Strukturen. Darüber hinaus tauschen die beiden Länder auch Personal aus.

Wie Klaus Rastetter, Referent für die Koordinierung und Rahmenplanung der Informationstechnik im Land Nordrhein-Westfalen, mitteilte, interessiert sich Brandenburg auch für den Unix-Erlaß des Düsseldorfer Innenministeriums. Zwar wollen die Potsdamer diese Empfehlung "nicht eins zu eins übernehmen"; doch diene die NRW-Lösung als Diskussionsgrundlage und Gerüst für eine eigenständige IT-Planung in dem neuen Bundesland.