Novell-Wordperfect und Microsoft sind uebermaechtig Trotz der Notes-Erfolge: Lotus bekommt Konkurrenz zu spueren

10.06.1994

FRAMINGHAM (IDG) - Noch scheint fuer die Lotus Development Corp. die Sonne. Die Geschaeftszahlen koennen sich sehen lassen, der Aktienkurs ist stabil, und mit Notes bieten die Softwerker ein weitgehend konkurrenzloses Workgroup-Produkt an. Dennoch sind die Prognosen unguenstig: Neben Microsoft waechst mit dem Gespann Novell-Wordperfect ein zweiter starker Gegner heran.

Vom reinen Software-Anbieter zu einem "Corporate Partner" fuer professionelle DV-Anwender - das ist die Entwicklung, die Lotus nach Ansicht von Chairman Jim Manzi vollziehen muss, will das Unternehmen weiterhin erfolgreich sein. Analysten haben ihre Zweifel: "Lotus ist der Verlierer der Novell-Wordperfect-Fusion", urteilt etwa David Marshak von der Patricia Seybold Group in Boston. Mit Notes verfolge man zwar eine solide Strategie fuer die Gegenwart, doch wenn Novell und Wordperfect zu einem Unternehmen verschmolzen seien, erwachse praktisch an allen Produktfronten starke Konkurrenz.

Bei Desktop-Anwendungen und Electronic-Mail-Produkten bekommt Lotus es vor allem mit der uebermaechtigen Microsoft Corp. zu tun. Novell und Wordperfect dagegen duerften im Markt fuer LAN-basierte Workflow-Anwendungen zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz werden. Die schwaechelnde Borland Inc., so scheint es, wird langfristig fuer Lotus der angenehmste Wettbewerber - nur dessen Datenbanksystem Paradox, so urteilen Marktbeobachter, tangiert die Produktpalette von Lotus. Obwohl Notes bei den Top-500-Konzernen weltweit Erfolge verzeichnet, ist Lotus fuer Grossanwender noch nicht der strategische Partner, als den Manzi sein Softwarehaus gerne saehe. So berichtet Jim Ruhlman, MIS-Direktor der Michigan Sugar Company in Sawignaw im Gespraech mit der CW-Schwester "Computerworld", der Support fuer die insgesamt 550 Endbenutzer der Produkte CC:Mail, 1- 2-3 und Ami Pro habe sich eher verschlechtert als verbessert.

Andere Anwender bemaengeln, Lotus informiere nicht genuegend darueber, wie Notes als Plattform fuer die Anwendungsentwicklung von Geschaeftsapplikationen sinnvoll genutzt werden koenne. Auch fehle es an Entwicklungswerkzeugen, mit denen entsprechende Programme erstellt werden koennten. Statt dessen wiesen die Softwerker noch immer in erster Linie auf Features und Faehigkeiten im Bereich Dokumentenaustausch und -verarbeitung hin. Nach Einschaetzung von Manzi hat Lotus mit der Notes-Software erst zwei Prozent des Workflow-Marktes erreicht. Lediglich 30 Prozent des Umsatzes von 980 Millionen Dollar macht das Softwarehaus mit den Kommunikationsprodukten CC:Mail und Notes, der Rest wird noch immer mit Desktop-Produkten erwirtschaftet. Da Notes vor allem im High-end-Markt Erfolge verzeichnet, versprechen sich Novell und Wordperfect gute Chancen im unteren Marktsegment.

Dass eine marktfuehrende Position, wie sie Lotus zur Zeit mit Notes inne hat, sehr schnell verloren gehen kann, musste das Softwarehaus am Beispiel des Brot-und-Butter-Produktes 1-2-3 erkennen: Nachdem Manzi sich dafuer entschied, nicht fuer Windows 3.0, sondern fuer OS/2 zu entwickeln, wechselten rund eine Million Spreadsheet- Anwender zu Microsoft.