Fusion mit Digital Research soll für neue Marktverhältnisse sorgen

Novell will dem DOS-Giganten Microsoft ins Handwerk pfuschen

09.08.1991

MÜNCHEN (gh) - Was Branchen-Insider bereits mutmaßten, ist nun amtlich: Die Netzwerk-Company aus Provo will bei PC-Betriebssystemen mit dem Marktführer Microsoft konkurrieren und auch in diesem Marktsegment zu einem führenden Anbieter werden.

"Mit unserer Entscheidung wird der Softwaremarkt ein neues Gesicht bekommen," erklärte Novells Executive Vice President Darrell Miller vor der Presse in München. Wenn die Fusion zwischen beiden Firmen wie geplant bis Ende Oktober abgeschlossen sein wird (siehe CW Nr. 30 vom 26. Juli 1991, Seite 4), entstehe der weltweit größte Hersteller von PC-Betriebssystemen. Nach Millers Angaben vernetzt Novell weltweit rund 500 000 PCs pro Monat, was einem Marktanteil von rund 70 Prozent entspreche. Digital Research konnte laut Chief Executive Officer Dick Williams seit 1989 rund fünf Millionen Lizenzen von DR-DOS absetzen und damit bei DOS-Systemen einen weltweiten Marktanteil von rund 15 Prozent erzielen.

Der Trend im DV-Bereich gehe, so Novell-Vize Miller, eindeutig weg vom Stand-alone-PC hin zum vernetzten PC. Zukünftig sei sogar - wie bereits bei einigen US-amerikanischen Großkunden der Fall - eine nahezu vollständige PC-Vernetzung zu erwarten. Daher ist es nach den Worten Millers zwingend notwendig geworden, zukünftig verstärkt auf die Kompatibilität von Netzwerk- und PC-Betriebssystemen zu achten. Mit dieser Begründung bestätigte der Novell-Verantwortliche indirekt entsprechende Pläne, - ähnlich wie vermutlich Microsoft mit dem LAN Manager auf OS/2 - Netzwerk-Features auf die PC-Betriebssystem-Ebene implementieren zu wollen.

Novell hat dabei allerdings ausschließlich DOS im Auge. "DOS wird überleben und weiterhin einen hohen Stellenwert im Markt besitzen" betonte Miller in Anspielung auf Big Blues Bemühungen um OS/2 und das nachlassende Engagement von Microsoft bei der Entwicklung neuer MS-DOS-Releases. Angesichts der millionenfachen Verbreitung von DOS sei "die Entscheidung für DOS im Interesse der Kunden gefallen". Unabhängig davon, ob man mit einem Upgrade von Digitals DR-DOS oder einem gemeinsam entwickelten neuen Betriebssystem auf den Markt komme werde laut Miller mit jedem neuen Produkt "die Kompatibilität zu anderen Herstellern gewährleistet bleiben".

Angesprochen auf die Frage, was der Deal für Microsoft bedeute, gab sich Novells zweiter Mann selbstbewußt. Der Markt komme in Bewegung und werde sich sowohl durch verstärkten Konkurrenzkampf als auch durch punktuelle Zusammenarbeit auszeichnen. Man habe mit Microsoft in der Vergangenheit, beispielsweise bei der Integration von Windows in Netware, gut kooperiert und werde dies auch in Zukunft tun. Aber, so Miller: "Wir lieben den Wettbewerb - auch mit Microsoft."