Novell - vom Star zur Spekulationsmasse

03.12.2010
Mit der Übernahme durch Attachmate endet ein Stück IT-Geschichte. Einst als Pionier in Sachen PC-Vernetzung gefeiert, war Novell zuletzt nur noch ein Schatten seiner selbst.

Rund 2,2 Milliarden Dollar will die Investorengruppe Attachmate für Novell zahlen. Hinzu kommen noch einmal rund 450 Millionen Dollar, die die CPTN Holdings - ein von Microsoft ins Leben gerufenes Konsortium - für den Erwerb von 882 Novell-Patenten hinblättert. Damit bringt die Abwicklung von Novell unterm Strich nicht viel mehr ein, als die Netzwerker in ihren besten Zeiten umsetzten. Die Jahreseinnahmen lagen in der Spitze bei rund 2,5 Milliarden Dollar.

Das florierende Geschäft verdankte die 1979 in Provo (Utah) gegründete Novell Data Systems ihrer Monopolstellung bei der PC-Vernetzung in lokalen Netzen (LANs). Die Company hatte es als erste geschafft, im beginnenden PC-Zeitalter 1983 mit "Netware" ein stabiles, performantes Netz-Betriebssystem für File-Server zum Datenaustausch auf den Markt zu bringen. Während für Windows-Server-Adminstratoren das regelmäßige Neustarten zum Arbeitsalltag gehört, liefen Netware-Server teilweise ein oder zwei Jahre ununterbrochen.

Dieses technische Know-how baute die Company dann mit Services wie dem Verzeichnisdienst NDS (Novell Directory Services, heute eDirectory) aus. Mit NDS hatte die Company einen der ersten verteilten, hoch skalierbaren Verzeichnisdienste mit feingraduierter Berechtigungsvergabe entwickelt, an dessen Funktionen sich Microsofts Active Directory bis heute messen lassen muss.

Ausgefeilte Detaillösungen waren immer eine Stärke von Novell. So bauten die Netzwerker mit "Appware" eine der ersten grafischen Entwicklungsumgebungen, die das Programmieren mit Modulen und per Mausklick erlaubte. Die für Novell typische Schwäche in der Vermarktung verhinderte einen größeren Erfolg.

Das zeigte sich auch Anfang der 90er Jahre, als sich der Showdown mit Microsoft abzeichnete: Novell als Marktführer in der PC-Vernetzung wollte im Desktop-Bereich Fuß fassen, während Microsoft seine Fühler in Richtung Server-Betriebssysteme ausstreckte. Mit dem NT Server, der Altlasten des Netware unterlegenen LAN Managers enthielt, gewann Microsoft schnell Kunden. Novell hatte wenig entgegenzusetzen: Das angekündigte Gegenstück SuperNOS, das aus Netware und Unixware entstehen sollte, verzögerte sich immer wieder. Damit waren die Tage von Netware gezählt, auch wenn der offizielle Support erst im März 2010 enden sollte.

Auf dem Höhepunkt der Kämpfe mit Microsoft stiegen die Netzwerker zur Nummer zwei im PC-Softwaremarkt auf. So kaufte Novell 1993 fleißig zu und attackierte mit Unixware (von AT&T) den Neuling Windows NT. Mit der Übernahme der Textverarbeitung Wordperfect und der Tabellenkalkulation Quattro Pro von Borland ging der Angriff auf den Desktop weiter.

Schließlich musste sich Novell aber geschlagen geben. 2001 erfolgte unter der Ägide von Eric Schmidt (heute Google-Chef) mit dem Kauf der Beratungsfirma Cambridge Technology Partners der glücklose Versuch, Novell neu zu positionieren: Jetzt sollte mit Services Geld verdient werden.

Später sprang das Unternehmen dann auf den Linux-Zug auf und übernahm im Februar 2004 die Suse AG. Allerdings war das Linux-Geschäft nur bedingt von Erfolg gekrönt. Für Unruhe in der Open-Source-Szene sorgte ein umfassender Vertrag mit Microsoft, in dem sich die Firmen gegenseitig von Patentansprüchen freistellten und Redmond mit Abnahmen von Suse-Linux-Lizenzen im großen Stil zu einem wichtigen Geldgeber wurde. Novell verlor damit in großen Teilen der Open-Source-Community an Glaubwürdigkeit.

Novells ungewisse Zukunft

Zu den Plänen für Novell und Suse schweigt sich Käufer Attachmate bislang aus. Fest steht nur, dass beide Namen als eigene Business-Einheiten weitergeführt werden sollen. Unklar ist auch, welche Patentrechte Microsoft von Novell erworben hat. Deshalb wird über die Fortführung des Open-Source-Projekts Opensuse spekuliert. Während die einen keine Patentfragen erwarten, befürchten andere, dass in den Systemtiefen eventuell doch Techniken stecken, die davon betroffen sind.