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Novell tritt Suse Linux Professional an die Community ab

03.08.2005

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - In wenigen Tagen wird Novell die Weiterentwicklung des Einzelanwender-Betriebssystems Suse Linux Professional zu einem Open-Source-Projekt einer unabhängigen Entwickler-Community machen. Dies wird das Unternehmen auf der "Linuxworld Conference Expo" bekannt geben, die vom 8. bis 11. August in San Francisco stattfindet. Novell-Sprecher wollten diese Meldung auf Anfrage der COMPUTERWOCHE nicht dementieren, was wir als Bestätigung werten.

Offiziell ist bislang bei Novell nur davon die Rede, man möchte mehr unabhängige Programmierer an der Entwicklung von Suse Linux Professional beteiligen. Das hat jedenfalls Greg Mancusi-Ungaro, Marketing-Direktor für Linux und Open Source bei Novell, dem Nachrichtendienst "Cnet" erklärt. Er kündigte für die kommende Woche eine Betaversion an, für die Novell auf Verbesserungen und Erweiterungen durch unabhängige Entwickler hoffe.

Das Statement ist insofern verwunderlich, als der Quellcode des Betriebssystems offen vorliegt, und jedermann ihn nach den Bestimmungen der General Public License (GPL) verändern oder erweitern darf. Einen Ausschluss unabhängiger Entwickler von den Arbeiten an Suse Linux hat es nie gegeben. Außerdem stammen die meisten Neuerungen bei Updates des Systems aus Open-Source-Projekten wie der Kernel-Group, KDE oder Open Office.

Die Übergabe von Suse Linux Professional an die Community wird Auswirkungen auf die Vermarktung des Produkts und auf die Release-Politik haben. Gerüchten zufolge möchte Novell zunächst weiter das bekannte Paket aus CD-ROMs, DVD und Handbüchern vertreiben. Auf die Dauer dürfte Novell aber das Geschäft mit den privaten Endkunden aufgeben.

Dafür sprechen mehrere Gründe: Erstens wird nach aller Erfahrung ein Open-Source-Projekt nicht an dem jetzigen langen Release-Zyklus von sechs Monaten festhalten. Wahrscheinlicher ist eine Freigabe von Entwicklungsständen im Wochenrhythmus. (Was mit dem Installations-Tool "Yast" geschehen wird, ist noch nicht bekannt. Es liegt zwar als Open Source vor, gehört aber urheberrechtlich Suse.) Zweitens hat sich Novell soeben von rund 100 Mitarbeitern getrennt. Dem Vernehmen nach waren darunter kaum Entwickler, sondern vor allem Marketing-Leute.

Drittens rentiert sich Suse Linux Professional für Novell nicht. Im letzten Jahr sind mit dem Produkt in Europa gerade einmal zwölf Millionen Euro Umsatz gemacht worden. Gleichzeitig sind die Kosten für seine Erstellung rapide gestiegen. Und das Einzelanwendersystem hat insofern an Attraktivität verloren, als aus allen öffentlichen Erklärungen von Novell zu erkennen ist, dass man sich auf die profitablere Distribution Suse Linux Enterprise Server für DV-Umgebungen in Unternehmen und Verwaltungen konzentriert.

Der letztlich entscheidende Grund für Novells Trennung von Suse Linux Professional dürfte allerdings ein ganz anderer sein: Mehrere Industrie- und Finanzanalysten aus den USA haben dem Unternehmen empfohlen, sich die Aufwendungen für das Privatanwender-Linux zu sparen und sich ganz auf Suse Linux Enterprise Server zu konzentrieren. Nur so lasse sich das Geschäft zügig so profitabel gestalten, dass es die sinkenden Einnahmen aus dem Netware-Business kompensiert.

Das gern bemühte Beispiel in diesem Kontext ist Red Hat. Der Distributor hat den jetzigen Schachzug von Novell schon Ende 2003 vorgenommen und sein Privatanwender-Linux "Edition 9" an das Community-Projekt Fedora übergeben. (Siehe "Red Hats neues Gratis-Linux: Fedora Core 1".) Seither kümmert sich das Unternehmen ausschließlich um Red Hat Enterprise Linux und ist mit ihm und damit verbundenen Services geschäftlich sehr erfolgreich. (ls)