Designierter CEO Eric Schmidt steht für Kontinuität

Novell stellt Java-basierte Directory Services vor

28.03.1997

Der vollmundigen Ankündigung auf der letztjährigen Brainshare, Java werde in Verbindung mit den Novell Directory Services (NDS) das Ende der Client-Server-Ära bedeuten, ließ Novell nun ein Jahr später Taten folgen. Heuer konnten die Besucher der Brainshare einen ersten Eindruck gewinnen, wie eine Java-basierte Zukunft aussehen könnte.

Als erstes Produkt präsentierte Novell in Salt Lake City eine Implementierung des "Java Naming and Directory Interface" (JNDI). Das Java Application Programming Interface (API) ist dazu gedacht, Directory-fähige Applikationen für den Netzbetrieb zu schreiben. Diese können dann, wie es auf der Brainshare hieß, auf alle Endrechner, Verzeichnisse und Ressourcen eines Netzes zugreifen. Neben den Informationen aus den NDS sollen diese auch die Naming- und Directory-Services von Microsoft, HP und Netscape auswerten können. Zusätzlich will Novell, um Intranetware als Internet-Plattform zu promoten, Javasofts Javabeans-Architektur in den Kreis seiner Netzwerkdienste aufnehmen.

Ein alter Brainshare-Bekannter stahl den Neuankündigungen allerdings fast die Schau: der designierte Novell-Boß Eric Schmidt. Dieser war bereits im letzten Jahr anläßlich der Lizenzierung von Java zu Gast und hatte Novells Schritt mit den Worten, daß "Java die erste plattformübergreifende, netztaugliche Programmiersprache sei, bei der selbst die Bugs kompatibel sind", begrüßt.

Vor dem Hintergrund der Java-Orientierung Novells scheint die Ernennung von Schmidt zum obersten Firmenchef eine logische Konsequenz zu sein, zumal er in seiner bisherigen Position als Chief Technology Officer bei Sun bestens mit Java vertraut ist. Entsprechend will Schmidt, für den Novell einer der großen Java-Shops ist, das Unternehmen weiter auf Internet- und Java-Kurs halten. Neben Java zählt für ihn dazu auch die Unterstützung offener Protokolle wie TCP/IP. Darauf angesprochen, ob Novell mit dem Bekenntnis zu offenen Protokollen, die alle Anwender nutzen könnten, nicht seine Wettbewerbsvorteile verliere, meint der künftige CEO, daß es auf die Implementierung ankomme. Und hier habe Novell gegenüber Windows NT durchaus einen Vorsprung.

Ansonsten steht Schmidt eigenem Bekunden zufolge für Kontinuität bei Novell, die sich auch in der nächsten Neuerscheinung manifestiert: Mit den "Border Services", die Netware die Funktionalität von Proxy-Caches und Firewalls eröffnet, will der künftige CEO die Extranet-Strategie des Unternehmens untermauern. Ein zweites Projekt, das ebenfalls in Richtung Internet zielt, hat Schmidt mit der Implementierung des Push-Modells in die Novell-Produktfamilie vor Augen. Allerdings wollte er noch keinen genauen Zeitplan mitteilen.

Wenig beeindruckt von der Ernennung Schmidts zum Novell-Chef zeigte sich die Wall Street. Hier notiert die Novell-Aktie unverändert. Ebenso hielt sich die Begeisterung der zahlreichen Analysten in Grenzen. Während die einen die Bestallung begrüßten und hervorhoben, daß die Java-Orientierung wichtig sei, waren andere der Meinung, Novell brauche alles, nur keinen Techniker als Unternehmenschef. So vertritt beispielsweise Stephen Auditore, President of Zona Research, die Ansicht, daß die Novell-Tech- nologie zwar hervorragend sei, das Unternehmen aber in Sachen Marketing keine glückliche Hand habe.