Trotz Digital Research und IBM-Deal:

Novell setzt mit PC-Unix auf Downsizing und Massenmarkt

15.11.1991

DÜSSELDORF - Novell steuert mit voller Kraft auf den Unix-Markt zu. Neben Kooperationen mit den Unix Software Laboratories (USL) und Sunsoft unterstreicht die Gründung einer Unix-Division die Ernsthaftigkeit des Engagements. Der Grund: Mit Hilfe von Downsizing-Kandidaten aus dem Midrange- und Mainframe-Bereich sowie von "DOS-Upsizern" will Novell einen Massenmarkt für Unix-Netze schaffen.

"Im Downsizing liegt unsere Zukunft", verkündet Kanwal Rekhi, Executive Vice-President und General Manager der bei Novell für Unix zuständigen Interoperability Systems Group. Für die bisherigen Mainframe- und Midrange-Anwender sei Networking längst eine Selbstverständlichkeit und beim Umstieg auf kleinere Systeme wäre Unix die Plattform der Wahl.

Für Rekhi ist es selbstverständlich, daß sich Novell in einen Marktsegment engagiert in dem nach seinen Informationen allein im vergangenen Jahr über eine Million Lizenzen verkauft wurden. Es gehe jetzt darum, so der Unix-Spezialist, daß die Netware-Anwender so eng wie möglich mit diesem Betriebssystem kommunizieren können sollen, denn "selbst wer Unix nicht einsetzt, muß über kurz oder lang damit zusammenarbeiten".

Die Chance, die Novell im Unix-Markt wittert, resultiert aus der Schwäche der Mitbewerber. Weder Interactive noch SCO sei es gelungen, Unix für den PC in wirklich großen Stückzahlen zu verkaufen. Auf der anderen Seite würden die Kunden von der der ACE-Gruppe und von IBM/Apple auf künftige Betriebssysteme wie New Technology (NT) und Pink vertröstet.

In diese Marktlücke störst nun Novell mit seinem Versuch, einen Massenmarkt für Unix auf Intel-Plattformen zu schaffen. Als Partner für das ehrgeizige Unix-Projekt hat sich Novell für Suns Betriebssystem-Tochter Sunsoft und die Unix-Lizenzeigner Unix Software Laboratories Inc. entschieden. In beiden Fällen überläßt Novell die Entwicklungsarbeit den Betriebssystem-Spezialisten der Partner. Seine Rolle sieht das Unternehmen vor allem darin, Unix für den Massenmarkt zu optimieren.

"Unix ist derzeit weder leicht zu benutzen noch leicht zu kaufen", bringt Rekhi die Defizite des Betriebssystems auf den Punkt. Die Aufgabe von Novell liege daher in der Vereinfachung von Installation, Dokumentation und Benutzerführung. Vor allem aber werde Novell seine im Massenmarkt bewährten Distributionskanäle für Unix-Produkte öffnen.

Über die Zusammenarbeit mit Sunsoft äußert sich Rekhi zurückhaltend. "Hardware-Anbieter sind nicht die optimalen Unix-Propagandisten, weil sie am Unix-Verkauf in der Regel nur dann Interesse haben, wenn sie mit dem Betriebssystem auch Rechner verkaufen können", mutmaßt der Novell-Manager. Außerdem habe Sun bisher nur wenig Erfahrung in der Erstellung von Betriebssystemen, die wie Unix auch auf Rechnern anderer Hersteller laufen.

Zwar werde Novell gleichzeitig mit der Freigabe des PC-Unix Solaris 2.0 eine entsprechende Version von Portable Netware auf den Markt bringen. Im wesentlichen handle es sich bei der Kooperation mit Sunsoft jedoch um eine Marketing-Vereinbarung. Anders stellt sich für Rekhi das Joint-venture mit der USL dar. Grundlage der Zusammenarbeit war die von den Unix-Entwicklern angekündigte Lite-Version des Betriebssystems, die Mitte 1992 fertig sein soll. Die Software wird dann sowohl mit Portable Netware als auch mit einem integrierten Netware ausgeliefert.

Unix-Netware soll mit 300 bis 400 Dollar in der Grundausstattung ähnlich viel kosten wie die DOS- oder OS/2-Version. Die Minimalvoraussetzung für die Software sind ein 386er-PC, 4 bis 6 MB RAM und 100 MB Speicherplatz auf der Festplatte.

Rekhi legt allerdings Wert darauf, daß Novell keinen Partner bevorzuge, sondern lediglich an einer insgesamten Ausweitung des gesamten Unix- und Netzwerkmarktes interessiert sei. Außerdem beeinträchtigten diese Partnerschaften in keiner Weise die Zusammenarbeit mit IBM, HP, Sun oder Next. So sei eben erst Portable Netware für AIX angekündigt worden, und auch Next werde in Kürze Netware einsetzen.

Trotz des verstärkten Unix-Engagements bei Novell hat mittlerweile auch der Unternehmensneuling - die Digital Research Systems Group - die Arbeit aufgenommen. Laut Dick Williams gelte es jetzt insbesondere, die bestehenden Distributionskanäle von Digital Research für Netware zu nutzen und die Produkte der beiden Unternehmen technisch zusammenzuführen. Vorrangiges Ziel sei, volle Funktionalität vom Client bis zum Server zu schaffen, in welcher Umgebung auch immer sie integriert sind.

Als erstes Ergebnis der Kooperation zwischen Novell und Digital Research nannte Williams den Single Session Requester Support für Netware im Multiuser-DOS von Digital Research, dem noch vor Jahresende die Unterstützung des Multi Session Requesters folgen soll. Schon vor dem Merger der beiden Companies, so der Ex-CEO von Digital Research, sei die Kompatibilität von DR-DOS 6.0 und Netware Lite intensiv getestet worden.

Intensiviert wird Williams zufolge auch die Kooperation mit IBM. Zwar sei Big Blue immer schon ein wichtiger Kunde des Betriebssystem-Anbieters gewesen, jetzt werde aber mit Nachdruck bei der DOS- und OS/2-Technologie - vor allem OS/2 2.0 - zusammengearbeitet. Nach Ansicht des frischgebackenen Sales-Managers von Novell ist es im Interesse der gesamten Industrie, wenn sie sich dem Kunden mit einer einheitlichen DOS- und OS/2-Strategie präsentiert. "Die Zeiten, wo ein Betriebssystem absolut dominiert, sind vorbei, weil die installierte Basis breit gefächert und Unix auf dem Vormarsch ist", meinte Williams.

Natürlich hätte der neue Novell-Stratege nichts dagegen, wenn die IBM künftig ihre Produkte mit DR-DOS anbieten würde. Erfolg scheint der Deal mit IBM vom Frühjahr seinem neuen Brötchengeber Novell, jedenfalls schon gebracht zu haben. Auf Anfrage der COMPUTERWOCHE sagte Novell-Boß Ray Noorda: "Die Verkaufshindernisse, die bisher für Netware in Großunternehmen bestanden, haben sich seit Beginn der Kooperation mit IBM erheblich verringert." Die Plattform für Netware-User sei größer geworden, die Produkte Netware für OS/2 und AIX kämen im nächsten Jahr.