Novell gibt Suse Linux Professional ab

05.08.2005
Die Linux-Variante für Privatanwender geht auf ein Open-Source-Projekt über.

Die Weiterentwicklung von Suse Linux Professional überträgt Novell einer unabhängigen Entwickler-Community. Dies bestätigte Greg Mancusi-Ungaro, Marketing-Direktor für Linux und Open Source bei Novell, der computerwoche. Das Open-Source-Projekt hat den Titel "OpenSuse".

Entlassungswelle

Im Rahmen einer weltweiten Restrukturierung streicht Novell in Europa 120 bis 150 Stellen. Betroffen sind vor allem Mitarbeiter aus dem Marketing und aus der Verwaltung. Die Kosten unter anderem für Abfindungen belaufen sich auf zehn bis zwölf Millionen Dollar. Die zuletzt defizitäre Company möchte ihre Betriebskosten um drei bis vier Millionen Dollar je Quartal senken. Novell reagiert mit den Stellenstreichungen auf schwache Geschäfte in Europa, wo das Unternehmen traditionell ein Drittel seines Umsatzes erzielt. Eingeleitet hat die Maßnahmen der im Mai zum weltweiten Vertriebschef aufgerückte Ron Hovsepian, der nun auch als Nachfolger von Richard Seibt für die Aktivitäten in Europa verantwortlich zeichnet. Er will, durch die Einsetzung von Regionalteams sowie von Verantwortlichen für große Kunden-Accounts die Kundenkontakte verbessern.

Mehr zum Thema

www.computerwoche.de/go/

*79288: Interview mit Greg Mancusi-Ungaro, Novell, über OpenSuse;

*75439: Novells Linux- Strategie;

*54784: Hintergrund: Novell übernimmt Suse

sowie unter

www.opensuse.org

Novell überträgt dem Projekt die Sourcecodes der Distribution Suse Linux Professional, Release 9.3, und der ersten Betaversion der Nachfolgeversion 10.0. Dazu gehört auch das quelloffen vorliegende, aber von Novell urheberrechtlich geschützte Installations-Tool "Yast". Ausgenommen sind proprietäre Komponenten wie der "Acrobat"-Reader von Adobe und Schriftfonts von Agfa. Darüber hinaus wird Novell dem Projekt, so Mancusi-Ungaro, "Infrastruktur wie Server und Kommunikationshardware samt personeller Ressourcen für deren Betrieb zur Verfügung stellen".

Schrittweiser Rückzug

Mit der Codefreigabe wird eine Website www.opensuse.org eingerichtet, auf der die Zeitpläne zu finden sein werden. Hier können Interessierte den Code herunterladen und sich über eine Datenbank und Mailing-Listen an der Weiterentwicklung beteiligen. Anfangs wird sich das Projekt hauptsächlich auf bei Novell angestellte Suse-Entwickler stützen. Die Maintainer kommen von Suse, bis unabhängige Entwickler genug Erfahrung gesammelt haben.

Aber Novell-Manager Mancusi-Ungaro verspricht: "Wir werden dem Projekt nicht unseren Stempel aufdrücken." Unabhängige Anwender und Entwickler sollen "die Entwicklungslinien aktiv gestalten". Künftig werden in kurzen Zeitabständen "Developer-Releases" erscheinen. Für die normalen Anwenderversionen soll es jedoch beim bisherigen Sechs-Monats-Zyklus bleiben.

Novell will sich zunehmend auf Komponenten konzentrieren, "mit denen sich Communities schwer tun", so der Novell-Manager. Details mochte er noch nicht nennen, es dürfte aber zum einen um eine einfache Bedienung des Betriebssystems gehen. So erklärte Mancusi-Ungaro: "Viele Linux-Distributionen sind nur geeignet für Leute mit technischem Fachwissen. Wir wollen ein Linux schaffen, das für die Anwender am besten zu installieren und zu verwenden ist."

Der andere Aspekt ist der Vertrieb. OpenSuse soll nicht nur per Download von der Web-Seite erhältlich sein: "Wir wollen installierbare Linux-CDs und -DVDs über Zeitschriften, Bücher und Anwendergruppen unters Volk bringen." Kostenlos, versteht sich. Diese Kampagne heißt bei Novell nach dem Gecko-Logo von Suse "Lizard Blizzard".

Gleichwohl soll es weiterhin die bekannten Suse-Pakete im Handel geben. Für deren Preis erhalten die Kunden wie bisher die Handbücher und Support. Ob Novell tatsächlich diesen Vertriebsweg lange fortführen wird, bleibt abzuwarten.

Kosten sind das wahre Motiv

Die Kosten für die Herstellung der Distributionspakete sollen in letzter Zeit stark gestiegen sein, zugleich soll Novell in Europa mit den Paketen aber nur marginalen Umsatz und kaum Profit gemacht haben. In diesem Kontext könnte die jüngste Entlassung von Novell-Mitarbeitern einen Hinweis geben (siehe Kasten "Entlassungswelle"). Dem Vernehmen nach waren darunter kaum Entwickler, sondern vor allem Marketing-Leute.

Der letztlich entscheidende Grund für Novells Trennung von Suse Linux Professional könnte allerdings ein ganz anderer sein: Mehrere Industrie- und Finanzanalysten aus den USA sollen dem Unternehmen empfohlen haben, sich die Aufwendungen für das Privatanwender-Linux zu sparen und sich ganz auf Suse Linux Enterprise Server zu konzentrieren. Nur so lasse sich das Geschäft zügig so profitabel gestalten, dass es die sinkenden Einnahmen aus dem Netware-Business kompensiert.

Dieser Darstellung widerspricht Novell-Manager Mancusi-Ungaro, allerdings recht lau: "Wir reden dauernd mit Analysten." Von einem Ende der Endanwender-Linux-Distribution bei Novell könne keine Rede sein: "Wir verlassen den Privatanwendermarkt nicht." Über die Beteiligung von Privatpersonen und Entwicklern aus Unternehmen am Projekt OpenSuse erhoffe sich Novell Impulse für Neuerungen bei seinen Enterprise- Linux-Produkten. (ls)