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Novell feiert Wiederauferstehung im Linux-Lager

23.03.2004
Selten sah man in letzter Zeit so gut gelaunte Novell -Manager wie auf der diesjährigen Brainshare, der hauseigenen Entwicklerkonferenz des Unternehmens. Als Linux-Powerhouse hat der zuletzt erfolglose Netware-Anbieter wieder eine Vision.

Die Brainshare 2004 dürfte wohl als Novells erste Linux-Festspiele in die Annalen des Unternehmens eingehen. Stand auf den bisherigen Entwicklerkonferenzen des Unternehmens die Utopie eines "One Net" im Mittelpunkt, drehte sich heuer fast alles um Linux. Mit dem Open-Source-Betriebssystem will die Company sowohl in den Rechenzentren als auch auf dem Desktop punkten.

Unter dem frenetischen Beifall von rund 6000 Zuhörern gab Novell-CEO Jack Messmann mit einem "Novell is back" die künftige Marschrichtung vor: Mit einer engen Verknüpfung von Applikationen, die auf dem Server und dem Desktop laufen, wollen die Netzwerker dem Erzrivalen Microsoft Marktanteile abjagen. Dabei hofft Messman Bill Gates mit seinen eigenen Waffen zu schlagen. "Die Optimierung der Prozesse zwischen Server und Desktop bringen für den Anwender den Mehrwert", warb der Firmenchef.

Mit einem ähnlichen Plan hatte sich Novell allerdings Anfang der 90er Jahre bereits eine blutige Nase geholt. Damals bemühte sich das Unternehmen mit "Novell DOS" (DR-DOS), den Wordperfect-Applikationen, Netware und Unixware als Application-Server ein durchgängiges Lösungsangebot zu offerieren und der Gates-Company Marktanteile abzujagen. In der Folge erlebten die Netzwerker jedoch ihr Waterloo, da sie die Attraktivität von Windows als Betriebssystem für Desktops und von Windows NT als Server-Plattform sträflich unterschätzt hatten.

Diesmal stehen aber die Chancen für Novell besser: Zum einen treten die Netzwerker nicht mehr alleine gegen Microsoft an, sondern haben die Open Source Community und damit zahlreiche andere Unternehmen als Rückendeckung. Zum anderen spielt Microsofts Lizenzpolitik, die zahlreiche Anwender verärgert, Novell in die Hände. "Zahlen Sie unbegründet hohe Lizenzgebühren und werden zum Upgrade gezwungen?", fragte Chris Stone, Novells Vice Chairman, "und ver-langt das Handbuch, Windows 2000 oder besser zu installieren? Der Anwender kann es nun, er kann Linux installieren."

Um Linux als Windows-Alternative auf dem Desktop durchzusetzen, will Novell den Suse Linux Desktop mit dem Ximian Desktop verschmelzen. Um dabei den Rollout von Linux in großen Unternehmen zu fördern, stellt Novell "Yast" künftig unter der General Public Licence zur Verfügung. Yast oder das "Yet Another Setup Tool" wurde 1994 von Suse entwickelt und ständig erweitert. Es gilt in der Linux-Welt als eines der mächtigsten grafischen Tools für die Installa-tion und das System-Management von Linux-Rechnern.

Den praktischen Beweis, dass Linux eine Alternative zur Windows-Welt ist, tritt Novell gleich selbst an. Bis zum Jahresende, so Chris Stone, sollen alle Novell-Mitarbeiter Linux als Desktop-Betriebssystem verwenden. Gleichzeitig löst die Company Microsoft Office durch OpenOffice.org ab. "Das Trio aus Novell, Ximian und Suse", so Stone, "zeigt dem Anwender einen klaren Pfad aus dem Microsoft-Dschungel."

Mächtig Gas geben die Netzwerker auch auf der Server-Seite. Noch zum Jahresende soll Netware 7 erscheinen - ein ganzes Jahr früher als geplant. "Wir lassen Netware nicht fallen, wir fügen Linux hinzu", lautet dabei Messmans Botschaft an langjährige Netware-Benutzer. Deshalb wird Novells nächstes Netz-Betriebssystem sowohl einen Netware- als auch eine Suse-Linux-Enterprise-Server-Kernel enthalten. Eine Kombination, die dann, ganz gemäß dem Bekenntnis zu Open Source, als "Open Enterprise Server" vermarktet werden soll. Einen ähnlichen Weg der Verschmelzung beziehungsweise Kombination beschreitet Novell auch bei anderen Produkten wie Groupwise oder Zenworks.

Offen ist allerdings noch, ob es Novell gelingt, das Nebeneinander von Open Source und proprietärer Software zu meistern. Die Netzwerker laufen nämlich womöglich einerseits Gefahr, mit Weiterentwicklungen, die auf Open Source beruhen, die Community zu verärgern, können aber andererseits ihr Know-how in Sachen Netzwerkservices schlecht als Open Source GPL veröffent-lichen, wenn sie noch Geld damit verdienen wollen. (hi)

Novells Produkt-Roadmap

Ab Mitte April soll Novells Kommunikations- und Collaboration-Lösung "Novell Groupwise 6.5 für Linux" erhältlich sein.

Eine erste Beta der Management-Software "Zenworks 6.5" soll ebenfalls im April zur Verfügung stehen. Sie integriert Teile des "Ximian Red Carpet Enterprise Patch Management".

Für April ist auch "Suse Linux 9.1" angekündigt. Langfristig wird die Verschmelzung des Suse und des Ximian Desktops angestrebt.

Die "Extend"-Netzdienste sollen Konnektoren zu Peoplesoft, J. D. Edwards, Siebel Systems und Oracle erhalten.

Eine Kombination aus Extend und den Identity-Management-Services "Nsure" soll den Workflow in Unternehmen verbessern.

Yast und "Novell Ifolder" werden als Open Source bereitgestellt.

Unter dem Codenamen "Kepler" entsteht eine modulare Version des Edirectory.

Zum Jahresende erscheint mit dem "Open Enterprise Server" das nächste Server-Betriebssystem. Es läuft sowohl auf einem Linux- als auch einem Netware-Kernel.