Mit Linux vom Rechenzentrum bis zum Desktop

Novell feiert Wiederauferstehung im Linux-Lager

26.03.2004
SALT LAKE CITY (IDG) - Selten sah man so gut gelaunte Novell-Manager wie auf der Brainshare, der Entwicklerkonferenz des Unternehmens. Als Linux-Powerhouse hat der zuletzt erfolglose Netzwerkspezialist wieder eine Vision.

Die Brainshare 2004 dürfte wohl als Novells erstes Linux-Festspiel in die Annalen des Unternehmens eingehen. Stand auf den bisherigen Entwicklerkonferenzen des Unternehmens die Utopie eines "One Net" im Mittelpunkt, drehte sich heuer fast alles um Linux. Mit dem Open-Source-Betriebssystem will die Company sowohl in den Rechenzentren als auch auf dem Desktop punkten.

Unter dem frenetischen Beifall von rund 6000 Zuhörern gab Novell-CEO Jack Messman mit einem "Novell is back" die künftige Marschrichtung vor: Eine enge Verknüpfung von Applikationen, die auf dem Server und dem Desktop laufen, soll dazu dienen, dem Erzrivalen Microsoft Marktanteile abzujagen. Dabei hofft Messman, Bill Gates mit seinen eigenen Waffen zu schlagen. "Die Optimierung der Prozesse zwischen Server und Desktop bringen für den Anwender den Mehrwert", sagte der Firmenchef.

Mit einem ähnlichen Plan hatte sich Novell allerdings Anfang der 90er Jahre bereits eine blutige Nase geholt. Damals bemühte sich das Unternehmen, "Novell DOS" (DR-DOS) als Applica-tion-Server für die Wordperfect-Applikationen, Netware und Unixware zu platzieren. In der Folge erlebten die Netzwerker jedoch ihr Waterloo, da sie die Attraktivität des Windows-Betriebssystems sträflich unterschätzt hatten.

Diesmal stehen aber die Chancen für Novell besser: Zum einen treten die Netzwerker nicht mehr alleine gegen Microsoft an, sondern haben die Open Source Community und damit zahlreiche andere Unternehmen als Rückendeckung. Zum anderen profitiert Novell von Microsofts Lizenzpolitik, die zahlreiche Anwender verärgert. "Zahlen Sie unbegründet hohe Lizenzgebühren und werden zum Upgrade gezwungen?", lautete eine Suggestivfrage von Chris Stone, Novells Vice Chairman, an das Publikum. Mit Linux gebe es eine echte Alternative zur Microsoft-Welt.

Um das offene Betriebssystem auf dem Desktop gegen Windows durchzusetzen, will Novell den Suse Linux Desktop mit dem Ximian Desktop verschmelzen. Damit Linux sich auch in großen Unternehmen ausbreitet, stellt Novell "Yast" künftig unter der General Public Licence zur Verfügung. Yast oder das "Yet Another Setup Tool" wurde 1994 von Suse entwickelt und ständig erweitert. Es gilt in der Linux-Welt als eines der mächtigsten grafischen Tools für die Installation und das System-Management von Linux-Rechnern.

Novell setzt auf Open Office

Den praktischen Beweis, dass Linux eine Alternative zur Windows-Welt ist, tritt Novell gleich selbst an. Bis zum Jahresende, so Chris Stone, sollen alle Novell-Mitarbeiter Linux als Desktop-Betriebssystem verwenden. Gleichzeitig löst die Company Microsoft Office durch Open Office ab. "Das Trio aus Novell, Ximian und Suse", so Stone, "zeigt dem Anwender einen klaren Pfad aus dem Microsoft-Dschungel."

Mächtig Gas geben die Netzwerker auch auf der Server-Seite. Noch zum Jahresende soll Netware 7 erscheinen - ein ganzes Jahr früher als geplant. "Wir lassen Netware nicht fallen, wir fügen Linux hinzu", lautet dabei Messmans Botschaft an langjährige Netware-Benutzer. Deshalb wird Novells nächstes Netz-Betriebssystem sowohl einen Netware- als auch einen Suse-Linux-Enterprise-Server-Kernel enthalten. Eine Kombination, die dann, ganz gemäß dem Bekenntnis zu Open Source, als "Open Enterprise Server" vermarktet werden soll. Einen ähnlichen Weg der Verschmelzung beziehungsweise Kombination beschreitet Novell auch bei anderen Produkten wie Groupwise oder Zenworks (siehe Kasten "Novells Produktpläne").

Offen ist allerdings noch, ob es dem Unternehmen gelingt, das Nebeneinander von Open Source und proprietärer Software zu meistern. Die Netzwerker laufen einerseits Gefahr, mit Weiterentwicklungen, die auf Open Source beruhen, die Community zu verärgern, können aber andererseits ihr Netzwerk-Know-how schlecht als Open Source GPL veröffentlichen, wenn sie noch Geld damit verdienen wollen. (hi)

Novells Produktpläne

- Ab Mitte April soll Novells Kommunikations- und Collaboration-Lösung "Novell Groupwise 6.5 für Linux" erhältlich sein.

- Eine erste Beta der Management-Software "Zenworks 6.5" soll ebenfalls im April zur Verfügung stehen. Sie integriert Teile des "Ximian Red Carpet Enterprise Patch Management".

- Für April ist auch "Suse Linux 9.1" angekündigt. Langfristig wird die Verschmelzung des Suse und des Ximian Desktops angestrebt.

- Die "Extend"-Netzdienste sollen Konnektoren zu Peoplesoft, J. D. Edwards, Siebel Systems und Oracle erhalten.

- Eine Kombination aus Extend und den Identity-Management-Services "Nsure" soll den Workflow verbessern.

- Yast und "Novell Ifolder" werden als Open Source bereitgestellt.

- Unter dem Codenamen "Kepler" entsteht eine modulare Version des Edirectory.

- Zum Jahresende erscheint mit dem "Open Enterprise Server" das nächste Server-Betriebssystem.