Notopfer Informatik

10.01.1986

Fromme Wünsche und Sprüche begleiten Wahl- wie Weihnachtsveranstaltungen.

Offenbar passend fanden es da einige Repräsentanten des Bundes der Deutschen Industrie (BDI), die klaffende Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit der Informatiker-Ausbildung kurz vor dem heiligen Abend mit einer Good-will-Geste hoffnungsvoll zu akzentuieren. Tatsache sei, so ist aus dem Bildungsministerium zu hören, daß immerhin ganze 50

Professorerenstellen in diesem innovationsträchtigen Studiengang besetzt werden könnten, wenn es nur die geeigneten Dozenten gäbe.

Bravo: Problem erkannt ! Nur zu welch spätem Zeitpunkt. Doch zum Jahresanfang 1986 dürfen sich nun alle die Hände reiben. Der Numerus clausus konnte mal wieder verhindert werden; zu schlecht hätte die in eine Technologie-Euphorie geredete Öffentlichkeit darauf reagiert. Anreize zu mehr Engagement des wissenschaftlichen Nachwuchses hatte es offenbar kaum gegeben. Als "Modefach" stellte sich die Informatik schließlich dar, und etliche der wirklich Begabten haben sich dem Zeitgeiststudium nur auf dem Umweg über die Elektrotechnik oder ein anderes Hauptfach genähert, die Informatik nur als Nebenfach gebucht. Nun ist Feuer am Dach. Die jungen Hauptfach-Absolventen sind nämlich für die Industrie nicht gut genug. Jedenfalls geht es jetzt nicht mehr "nur" darum, für eine gerade noch junge Disziplin gute Wachstumsbedingungen zu schaffen, sondern schon längst um "Qualitätssicherung". Das Wort taucht ja in kleinen Unternehmen immer dann auf, wenn das Kind schon erheblich in den Brunnen gefallen ist. Und die Informatik ist in der Bundesrepublik wohl ein recht kleines Unternehmen.

So erfreulich mehr Praxisbezug durch Dozenten aus der Industrie wäre, so unsicher dürfte es sein, daß die Rufer von "Freiwillige vor" viel Erfolg haben. Die Asse in den Unternehmen sind kaum zu entbehren; die anderen könnten sich weggelobt vorkommen.